11.06.10
Neue Bildungspolitik für Kinder und keine Geldscheinpolitik für Eltern
Außer dem Berliner Landtag und dem Reichstag stand auch mit dem kommunalpolitischen Abend in Neukölln eine Lehrstunde über realpolitische Integration mit dem Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky auf dem Programm. (Foto: privat)
Neckar-Odenwald-Kreis. (rt) Neben Mitgliedern des SPD-Ortsvereins Binau nahmen auch wieder interessierte Mitbürgerinnen und Mitbürger vom Ort und aus dem gesamten Neckar-Odenwald-Kreis an der Berlin-Fahrt zu politischen und historischen Stätten in der Bundeshauptstadt teil. Vorbereitet und geleitet wurde die Fahrt vom Binauer SPD-Vorsitzenden und langjährigen Landtagsabgeordneten Gerd Teßmer. Unterkunft nahm die NOK-Gruppe wieder direkt am Kurfürstendamm.
Erster Zielpunkt war naturgemäß die Zentrale bundesdeutscher Regierungspolitik: der Deutsche Bundestag. Hier hatte sich der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Martin Gerster viel Zeit genommen und führte die Gruppe nicht nur durch den Reichstag, sondern auch durch die Fraktionsräume der SPD. Nach einem Rundgang über die Reichstagskuppel mit entsprechenden Erläuterungen ging es ans Brandenburger Tor. Auf beiden Seiten, am Platz des 18. März 1848 und des Pariser Platzes, erfuhren die Teilnehmer von Gerd Teßmer und Kenneth Weidlich über die bewegte Geschichte der Quadriga, der Revolution von 1848 und den Tagen nach dem Zusammenbruch 1945.
Zweite Station des politischen Rundgangs durch Berlin waren das Charlottenburger Schloss von 1695 und der frühere Preußische Landtag von 1892, in dem seit 1990 das Berliner Abgeordnetenhaus untergebracht ist. Rund um das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten im Ehrenhof des Charlottenburger Schlosses wurde ein Teil der brandenburgischen Geschichte zur Zeit der Kurfürsten und Könige ab 1640 lebendig. Vorbei an der Preußischen Porzellanmanufaktur KPM, mit der Preußen einstmals der Meissner Porzellan-Fabrikation den Rang ablaufen wollte, ging es zum heutigen Sitz des Berliner Landesparlaments direkt gegenüber vom Gropiusbau, die beide bis 1990 durch die Berliner Mauer voneinander getrennt waren. Daneben liegt die Ausstellung „Topographie des Terrors“, die Gedenkstätte zur Erinnerung an die dort einst gelegene Gestapo-Zentrale.
Im Berliner Landtag hatte Gerd Teßmer für seine Gruppe auf Einladung vom Direktor beim Abgeordnetenhaus Peter Blum und Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki eine besondere Führung mit abschließender Diskussion im Landtags-Casino arrangiert. So erfuhr man hautnah und aus berufenem Munde die politischen Schwerpunkte eines Stadtstaates. Nach den bundes- und landespolitischen Themenkreisen ging es bei der Gedenkstätte „Stiftung Berliner Mauer“ in der Bernauer Straße um die jüngste deutsche Geschichte.. Bei der Führung wurde schnell deutlich, wie perfide die frühere DDR ihre Grenzanlagen gesichert hatte und wie schnell es bei Fluchtversuchen zu Toten und Verletzten kommen konnte. Dass dies eine „normale Grenze“ gewesen sein soll, kann nach dem heutigen Wissen über die Schikanen an der innerdeutschen und innerstädtischen Grenze niemand ernsthaft behaupten.
Was eine Stadt wie Berlin mit über einem Drittel Bevölkerungsanteilen ausländischer Herkunft an Integration zu leisten hat, wurde den Besuchern aus dem Odenwald dann realistisch am Beispiel des Stadtteils Neukölln aufgezeigt. Der Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky und SPD-Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung empfingen die Gäste vom Neckar zu einem ‚kommunalpolitischen Abend’. Doch zunächst überreichte Delegationsleiter Gerd Teßmer dem Neuköllner Bezirksbürgermeister ein Präsent und gratulierte ihm zum jüngst verliehenen „Gustav-Heinemann-Bürgerpreis 2010“ für die außergewöhnlichen und erfolgreichen Wege und Maßnahmen im Bezirk Neukölln, den er für außergewöhnliche Erfolge zur besseren Integration ausländischer Mitbewohner erhalten hat.. Seit 2001 wirkt Heinz Buschkowsky in seinem Bezirk und fordert schon lange eine Kehrtwende in der Familien- und Bildungspolitik. „Wir brauchen keinen Polizei- und Überwachungsstaat, aber Selbstbewusstsein und Durchsetzungskraft für unsere Normen. Laissez-Faire-Politik hingegen ebnet der Beliebigkeit den Weg und ist eine der Ursachen für Entsozialisierung und Verwahrlosung. Was wir brauchen, ist eine Bildungspolitik für Kinder statt eine Geldscheinpolitik für Eltern“.
Anhand mehrerer Beispiele zeigte Buschkowsky auf, er die Abkehr von Sekundärtugenden und dem Ansehensverlust von Leistung und Ehrgeiz als Ursachen für Unzufriedenheit, Neid und Depression zu Leibe rücken will. Buschkowsky musste sich immer wieder Kritik anhören und gegen seine Maßnahmen wehren, findet aber inzwischen immer mehr Zustimmung und Nachahmung. Solche praktische Politik aus berufenem Munde kam bei allen Anwesenden gut an und man bestärkte den Bezirksbürgermeister und seine Bezirksverordneten, auf diesem Weg weiterzugehen. An diesem Abend wurde aber auch deutlich, dass man mit dieser Thematik sich nicht nur in Neukölln auseinander zu setzen hat, sondern bundesweit an neuen Wegen für die Eingliederung zugewanderter Bürger arbeiten muss.
Der Geschichte der deutschen Luftfahrt und des früheren Flugfeldes Tempelhof war ein weiterer Tag gewidmet. Was sich auf dem Tempelhofer Feld von 1910 bis zum 24. November 2008 abspielte, wo mit der Beechcraft F33A Bonanza D-EDBS um 12.15 Uhr die letzte Maschine in Richtung Schönhagen abhob, wurde zu einem eindrucksvollen Überblick über 100 Jahre Fliegen in Deutschland. Auch die Bedeutung von Tempelhof im 2. Weltkrieg und die Nachnutzung durch die Alliierten bei der Luftbrücke 1948-1949 lebte noch einmal auf.. Mit der Besichtigung der kilometerlangen Gänge und riesigen Betonanlagen unter der Erdoberfläche wurde klar, dass Tempelhof nie nur ein kleiner Flugplatz gewesen war.
Mit dem Besuch des Berliner Kulturangebotes und der Besichtigung der bekannten Sehenswürdigkeiten rund um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, die Museumsinsel und den Dom wurden diese Berlin-Tage abgerundet. Es war nicht verwunderlich, als sich Inge Schroeder-Wendel für alle Reiseteilnehmer bei Gerd Teßmer bedankte, dass schon wieder die ersten Anmeldungen für die Fahrt im nächsten Jahr eingingen.
Persönlich empfangen von der Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses Karin Seidel-Kalmutzki wurde die Reisegruppe des SPD-Ortsvereins Binau unter Leitung von Gerd Teßmer. (Foto: privat)