Komplexität an „Stammtischen“ der Republik nicht bekannt
Mosbach. Landrat Dr. Achim Brötel eröffnete die erste Sitzung des Jugendhilfeausschuss des Neckar-Odenwald-Kreises in diesem Jahr im Landratsamt in Mosbach mit der Bekanntgabe einen nichtöffentlichen Beschlusses: Peter Roos war noch im alten Jahr zum Leiter der Verwaltung des Jugendamtes bestellt worden.
Brandaktuell dagegen sind die Probleme einer ganzen Reihe von Schülerinnen und Schülern auch im Landkreis, die den Hauptschulabschluss nicht oder nur mit schlechten Noten schaffen und in der Folge weder einen Ausbildungsplatz noch einen Job erhalten. Diesen wichtigen Übertritt von der Hauptschule in den Beruf hat die CDU-Kreistagsfraktion thematisiert und in einem Antrag die Verwaltung gebeten, über laufende Projekte im Neckar-Odenwald-Kreis zu berichten.
Tatsächlich, so Landrat Dr. Brötel, gebe es eine erstaunliche Vielzahl von Aktivitäten, die so aber der breiten Öffentlichkeit gar nicht recht bekannt seien. Die Schnittstelle zwischen Hauptstelle und Beruf sei jedoch für so manche Biographie entscheidend: wer schon da in der Sackgasse lande, habe oft eine entscheidende Weichenstellung für das ganze Leben verfehlt. Die zahlreichen Projekte und Unterstützungsangebote machten aber deutlich, so der Landrat, dass besonders für Schülerinnen und Schüler in den 8. Klassen auch bei uns ein sehr umfangreiches Förderangebot vorgehalten werde.
Dieser Artikel ist mir was wert: [flattr btn=”compact” tle=”Spannungsfeld – Kindeswohl und Elternrecht” url=”https://www.nokzeit.de”] Im Anschluss stellten Edgar Oettig von der Arbeitsagentur Tauberbischofsheim und Eric Hohmann vom Bildungsträger „Berufliche Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft GmbH Würzburg“ (bfz) konkrete von der Arbeitsverwaltung geförderte Projekte, die „Berufseinstiegsbegleitung“ und die „Berufseinstiegsbegleitung – Bildungsketten“ vor. Über einen Zeitraum von bis zu zweieinhalb Jahren werden hier Achtklässler vom möglichst immer gleichen Ansprechpartner betreut, auf den Schulabschluss vorbereitet und bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz bzw. ins Berufsleben hinein begleitet. Ziele sind die Verbesserung der Chancen auf dem Ausbildungsmarkt und die Vermeidung eines Ausbildungsabbruchs – was in aller Regel nur durch intensive Betreuung möglich ist. „Die Eltern sind meist dankbar, dass wir uns kümmern. Große Unterstützung können wir da aber eher nicht erwarten“, so Eric Hohmann: „Natürlich ist das Klientel schwierig. Aber wir haben schon schöne Erfolge erzielt. Alle kriegen wir trotzdem nicht durch; ein paar gibt es immer, bei denen einfach nichts fruchtet. Zumal die Teilnahme am Projekt absolut freiwillig ist.“ Immerhin 1,7 Mio.Euro investiert die Arbeitsagentur jährlich in diese und ähnliche Projekte nur im Neckar-Odenwald-Kreis, wie Edgar Oettig ergänzte.
Dem „Jugendamt im Spannungsfeld zwischen Elternrecht und Kindeswohl“ war der letzte Tagesordnungspunkt gewidmet. Spektakuläre Fälle von Kindesmisshandlungen bis hin zum Tod rücken immer wieder die Frage nach einem angemessenen Schutz des Kindeswohls in den Fokus der Öffentlichkeit. Nicht selten wird in der öffentlichen Darstellung dabei der Eindruck erweckt, dass in den Jugendämtern zu wenig getan würde, so der Landrat: „Selten dagegen taucht die Frage nach dem rechtlichen Rahmen und den daraus resultierenden tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten auf.“ Das komplexe Spannungsfeld zwischen dem Wohl des Kindes, dem Recht der Eltern und dem Wächteramt des Staates sei „an den Stammtischen der Republik“ nicht überall bekannt.
Dass aber gerade das Verhältnis von Elternrecht zu staatlichen Eingriffsbefugnissen für die Arbeit der Jugendämter von zentraler Bedeutung ist, darüber referierte Susanne Heering vom Fachbereich Jugend, Gesundheit, Arbeit und Soziales. Sie machte deutlich, dass grundsätzlich die Eltern für die Sicherung des Kindeswohls zuständig seien. „Ist das Kindeswohl aber objektiv gefährdet und haben oder bekommen wir davon Kenntnis, greifen wir zur Gefahrenabwehr selbstverständlich ein“, erklärte die Fachfrau die juristische Lage. Freilich sei in jedem Fall die Verhältnismäßigkeit zu wahren: „Das Elternrecht ist ein hohes Gut und wir sind verpflichtet, das mildeste Mittel zu wählen, das die Situation des Kindes dennoch objektiv verbessert.“ Die Entziehung des Sorgerechts, also die Trennung des Kindes von der Familie auch gegen den Willen der Beteiligten, ist das stärkste Mittel, das dabei zur Verfügung steht: „Aber dazwischen gibt es eine große Bandbreite. Jeder Einzelfall ist anders und es ist oft sehr schwierig, unter Abwägung aller Umstände und unter Berücksichtigung des rechtlichen Rahmens die letztlich richtige Entscheidung zu treffen.“