Stolperstein wird zum Stein des Anstoßes – Unverständnis über die Ablehnung eines Gedenksteins für „s’Mariele“
Mosbach. (pm) Bei der jüngsten Sitzung des Ortsvereinsvorstands Mosbach im SPD-Kreisbüro in der Badgasse berichteten die Stadträte Georg Nelius, Naile Sulejmani und Hartmut Landhäußer von der Stadtratssitzung. Insbesondere die Ablehnung der Stolpersteine irritierte dabei die SPD-Ratsfraktion. „Es ist schade, dass das Engagement der Schülerinnen und Schüler nicht die entsprechende Wertschätzung erfahren habe“, betonte der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Jürgen Graner. „Oft wird behauptet, dass sich junge Menschen nicht für Politik und Geschichte interessieren. Das Schulprojekt hat erneut das Gegenteil bewiesen. Die Stadt habe sich und der Beteiligungskultur junger Menschen keinen Gefallen getan, denn das Ergebnis könnte auch zur Politikverdrossenheit in der kleinen Kommunalpolitik sorgen“, so Graner. „Wir hoffen, dass sich die Schüler jetzt nicht entmutigen lassen und sich jetzt erst recht weiter einbringen“, so Stadträtin Naile Sulejmani.
Lehrer und Eltern waren gleichermaßen über das Fachwissen sowie das Engagement der Schülerinnen und Schüler am Nikolaus-Kistner-Gymnasium begeistert. Unter der Leitung von Frau StRin Fischer hatten sich drei Schülerinnen der 7. Klasse im Juli 2011 mit dem bundesweiten Thema „Ärgernis, Aufsehen, Empörung: Skandale in der Geschichte“ auseinandergesetzt. Dabei stießen sie auf das weithin unbekannte Schicksal der Maria Zeitler, „s’Mariele“. Diese wurde 1940 als geistig behinderte junge Frau im Rahmen der nationalsozialistischen „T4-Aktion“ zusammen mit 262 Bewohnerinnen und Bewohnern der damaligen Johannes-Anstalten in Grafeneck ermordet.
Weil „s’Mariele“ das einzige Opfer war, das in Mosbach geboren wurde, hatten die Schülerinnen als Erfolg ihrer Arbeit geplant, zum Gedenken einen sogenannten Stolperstein des Kölner Künstlers Günter Demnig vor dem letzten Wohnsitz im Gartenweg 5 zu verlegen.
Dieses Vorhaben wurde nicht nur von MdL Nelius, Schulleiter OStDir Happes und Pfarrer Lallathein unterstützt, die Schulgemeinde sowie ungezählte Bürgerinnen und Bürger standen hinter diesem Ansinnen. Diese betonten, wie wichtig es sei, dass sich die junge Generation mit diesem wichtigen Abschnitt der Deutschen Geschichte befasse. Aktuelle Brisanz habe dieses Aufarbeiten der Geschichte besonders unter dem Eindruck sich erneut formierender rechtsradikaler Strömungen im Land gewonnen.
Mit großer Enttäuschung mussten alle Beteiligten des Schulprojekts die Entscheidung des Gemeinderats zur Kenntnis nehmen, dass es zu keiner Verlegung eines Gedenksteines kommen werde. Bei Stimmengleichheit hatte das Votum von Oberbürgermeister Jann das Projekt scheitern lassen.
Er folgte den Argumenten der Stadtverwaltung, die sich gegen die Verlegung im Gartenweg aussprach, und argumentierte, dass es „unwürdig“ sei, „einen Ort des lesend-betrachtenden Innehaltens in diese auch einmal von Hektik geprägte Situation zu betten.“ Vielen Projektbefürwortern stellt sich nun die Frage, ob auch die Stolpersteine in der Berliner Friedrichstraße, der Kölner Schildergasse, dem Hamburger Jungfernstieg und den Straßen von über 500 weiteren Städten und Gemeinden durch das über sie hinweggehende Leben ihrer Würde beraubten? Oder ob die Mosbacher Verwaltung der Auffassung sei, die Hektik des Gartenweges doch wohl höher sei, als die in den beispielhaft genannten Großstadtstraßen? Vielleicht zeige die Verwaltung mit Feststellung „das Gedenken würde…in den Straßenstaub verlagert“ nur, dass sie die Intention des weltberühmten Künstlers noch nicht vollständig durchdrungen habe?
Umso schmerzlicher ist es für viele Mosbacherinnen und Mosbacher, dass hier augenscheinlich ein Bruch der sonst so beispielhaften Erinnerungskultur in Mosbach zu verzeichnen ist. Bislang war die gelebte Erinnerungskultur durchaus eindrucksvoll – Highlights wie die Dauerausstellung „Jüdisches Leben“ im Stadtmuseum, die Gedenkveranstaltungen auf dem Synagogenplatz oder die Neckarelzer KZ-Gedenkstätte bezeugen dies. Wie nun dieser Bruch zustande kam, ist nicht erklärbar.