EU-Kommissionspräsident Romano Prodi als junger Mann bei einem Bauorden-Einsatz im Jugenddorf Seckach-Klinge. (Repro Merkle)
Seckach. (lm) „Die Wörter Schubkarre, Wasserwaage, Kelle und Pickel habe ich nie vergessen. Und es ist eigentlich kaum zu glauben: In einem kleinen Dorf in Deutschland habe ich gelernt, was Versöhnung, Toleranz und Europa bedeuten, Dafür bin ich bis heute dankbar“, so äußerte sich Romano Prodi (vormaliger italienischer Ministerpräsident und EU-Kommissionspräsident) noch heute über seinen Bauorden-Einsatz in den Anfängen des Kinder- und Jugenddorfes Klinge.
Überhaupt hat der Bauorden, den der holländische Ordensmann Pater Werenfried van Straaten 1953 – also vor 60 Jahren – gegründet hat, eine große regionale Bedeutung. Zum einen, weil er über 20 Jahre lang jedes Jahr mit rd. 100 Jugendlichen maßgeblich für den Aufbau der Klinge verantwortlich zeichnete und zum zweiten, weil Dr. Johann Cassar (langjähriger Dorfleiter des Kinder- und Jugenddorfes) seit dem letzten Jahr den Vorsitz des Bauordens inne hat, auf den er zu Recht stolz ist. Denn es gilt nicht nur, jährlich allein in Deutschland etwa 500 junge Menschen im Alter ab 16 Jahren zu vermitteln, sondern auch ungefähr 100.000 Euro an Spendengeldern zu „erbetteln“.
„Es ist jedes Jahr eine Zitterpartie, ob das auch so klappt“, gibt Cassar zu. „Anpacken und die Welt entdecken“ ist im Jubiläumsjahr die Überschrift über den Hilfsprojekten und Friedensdiensten des Internationalen Bauordens mit Geschäftsstellensitz seiner gemeinnützigen GmbH in Ludwigshafen. Mit Geschäftsführer Peter Runck hat man einen zuverlässigen Mann gefunden, der die Baucamps weitgehend organisiert und stichprobenartig prüft.
Nachdem der Verein die angefragten Projekte sondiert hat, werden sie – meist über Internet unter der Rubrik „Freiwilligendienste im Jugendbereich“ ausgeschrieben mit genauen Angaben wie viele deutsche und wie viele internationale Helfer jeweils für was und wo gesucht werden. Und sie erfreuen sich großer Beliebtheit für Praktika oder internationale Begegnungen. Wie man der Resonanz der Homepage ww.bauorden.de entnehmen kann, haben die Jugendlichen außer viel Arbeit noch viel mehr Spaß und bereuen diesen Einsatz unter keinen Umständen.
Auch 2013 werden in 20 europäischen Ländern, vor allem in Mittel- und Osteuropa, ca. 120 Projekte mit über 2.500 Helfern vorbereitet, Werkzeug und Baumaterial zur Verfügung gestellt bzw. sind schon am Laufen. Ein Baucamp dauert zwei bis vier Wochen und traditionell arbeiten die Helfer (Studenten, Handwerker, Angestellte) ausschließlich für Kost und Logis. Dafür lernen die sie Land und Leute kennen, schließen Freundschaften, entdecken ihre Begabungen und leisten mit ihrem Einsatz einen großen Beitrag zur Völkerverständigung.
Doch die Mitarbeit beim Bauorden bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen, Initiative zu entwickeln sowie gemeinsam arbeiten, leben und lernen. Unter den Projekten im Jubiläumsjahr profitieren im Neckar-Odenwaldkreis das Kinder- und Jugenddorf mit seinen Jugendwohngruppen in Heidelberg-Rohrbach, der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter im Krautheimer Eduard-Knoll-Wohnzentrum und die Tagungsstätte der Ev. Landeskirche Baden in Neckarzimmern mit Aufbau- und Renovierungsarbeiten, was u.a. auch dokumentiert, weshalb diese Baucamps so beliebt sind als Praktika für Architekturstudenten.
Wie Dr. Cassar weiter erläuterte, ist die Zielsetzung des Bauordens, durch Bau- und Renovierungsarbeiten an Waisen-, Behinderten- und Kinderheimen, Begegnungszentren, Altersheimen, Hospizen, Obdachlosenheimen sowie beim Wiederaufbau von Kirchen und Klöstern zu helfen. Ebenfalls bedacht werden Renovierungen von jüdischen Friedhöfen und Gedenkstätten für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Das ist praktisches Christsein, hautnah, das der Ideologie des Bauorden-Gründers noch heute Gültigkeit verleiht: „Der Bauorden begann als ein Werk der Versöhnung und der tätigen Nächstenliebe.
Das soll so bleiben. Die Menschen sind viel besser als wir denken, das haben in den zurückliegenden Jahren nicht zuletzt die vielen Baugesellen gezeigt“, so Pater Werenfried van Staaten, der leider vor zehn Jahren verstorben ist. Dass für viele der jährlich weit über einhundert Hilfsprojekte eben auch Gelder für Baumaterialien und Werkzeug benötigt werden, begründet das notwendige Spendenaufkommen, das zum Teil durch einen Freundes- und Spendenkreis von beinahe 1.000 Personen getragen wird, aber doch noch einige mehr großzügige Menschen braucht, die das Spendenkonto bei der Sparkasse Vorderpfalz (BLZ 545 500 10, Kontonummer 191 1711 80) nicht vergessen.
Nutznießer sind – egal wo – die Menschen, die es wirklich brauchen. Und die über 2.500 Ehrenamtlichen in den Baucamps haben es sich unter dem Bauorden-Motto „Anpacken statt immer nur reden“ zum ehrgeizigen Ziel gesetzt: „Wir machen mehr aus ihrer Spende“.
(Foto: Liane Merkle)