Der Geschäftsführer des Landesfeuerwehrverbandes, Willi Dongus, fordert die Kommunen auf, ihre Feuerwehren verstärkt zu unterstützen. Dies sei sogar mit wenigen Mitteln machbar. (Foto: Grimm)
Buchen. (mag) Was hat Feuerwehr mit Politik zu tun? Welche Schutzausrüstung ist die richtige für die Feuerwehren? Was ist Burn-Out und was kann man dagegen tun? Was gilt es bei Einsätzen an Biogasanlagen zu beachten und welche Bausteine sind hilfreich bei Feuerwehreinsätzen?
All diesen Fragen gingen die rund 200 Teilnehmer in sechs Fachvorträgen beim 2. Fachseminar des Kreisfeuerwehrverbandes in der Stadthalle Buchen auf den Grund. In der vollbesetzten Stadthalle Buchen konnte der Vorsitzende des Kreisfeuerwehrverband Neckar-Odenwald-Kreis, Andreas Hollerbach, die Teilnehmer und eine Reihe von Kommunalpolitikern begrüßen und sich bei den Sponsoren dieser Veranstaltung bedanken. Unter anderem haben die AWN, die Stadtwerke Buchen, die Volksbank Franken und die Stadt Buchen diese Veranstaltung unterstützt.
Als Beigeordneter der Stadt Buchen lobt Dr. Wolfgang Hauck die Bereitschaft der Feuerwehrangehörigen zu ständigem Lernen, MdB Gerig wünschte den Feuerwehren im Landkreis viel Erfolg und wenige Einsätze und Landrat Dr. Achim Brötel wusste zu berichten, dass nur der Eintritt in die Freiwillige Feuerwehr freiwillig sei. “Alles andere ist Pflicht und erfordert viel Engagement, auf das wir im Landkreis mit rund 2% der Bevölkerung in den Feuerwehren stolz sein können”.
Der Geschäftsführer des Landesfeuerwehrverbandes Baden-Württemberg, Willi Dongus, machte als kurzfristige Vertretung von Landesverbandspräsident Dr. Frank Knödler den anwesenden Politikern klar, wie sie ihre Feuerwehren mit geringem Aufwand besser unterstützen könnten und führte vor Augen, was die gesetzlichen Aufgaben der Kommunen in Baden-Württemberg sind. Er freute sich, dass im Neckar-Odenwald-Kreis auf 1000 Einwohner 21 Feuerwehrangehörige kommen. “Der Landesdurchschnitt liegt bei 10.” Unter anderem legte er anschaulich dar, dass 30 Jahre alte Fahrzeuge nur noch für Oldtimerfahrten taugen und nicht mehr einsatztauglich sind. “Versuchen Sie mal mit 30 Jahre alter Ausrüstung einen Porsche Cayenne aufzumachen und die Insassen zu retten. Das geht nicht, aber aktuelle Ausstattung kann Leben retten.”
Lothar Fischer, stellv. Sachgebietsleiter Brand- und Katastrophenschutz im Landkreis Ravensburg stellte in seinem Vortrag die Funktion, das notwendige Genehmigungsverfahren, Gefahrenabwehrpläne und seine Erfahrungen bei Einsätzen an Biogasanlagen vor. Im Landkreis Ravensburg gibt es aktuell rund 2100 landwirtschaftliche Betriebe mit 100 Biogasanlagen und somit 12% aller Anlagen in Baden-Württemberg. Vor allem die Brand- und Explosionsgefahren stellte er heraus. Wichtig seien die richtigen Messgeräte, Ortskenntnisse und das Bewusstmachen der bestehenden Gefahren. Ab 2014 werden Gas-Hähne und Notfackeln an Biogasanlagen Pflicht. Anhand von vier Szenarien erläuterte Fischer die möglicherweise auftretenden Probleme für die Feuerwehren und die Möglichkeiten zur Brandbekämpfung bzw. zur Problemlösung. Die Verdeutlichung der Gefahr eines Schwefelbrandes überraschte die Anwesenden. Beim Brand des Schwefels in einer Biogasanlage mit Betondeckel könnten bei Windstille und homogener Verteilung im Radius von 12 km rund um die Einsatzstelle gesundheitliche Probleme für die gesamte Bevölkerung entstehen.
Der Chefredakteur der deutschen Feuerwehrzeitschrift brandSCHUTZ, Jochen Thorns, erläuterte die Unterschiede zwischen verschiedenen geltenden Normen und den auf dem Markt verfügbaren Uniformen, Materialien und Herstellern. Nach DIN EN 469 sollten bei der Beschaffung vorallem die Punkte Ergonomie, Wahrnehmbarkeit, Hitzestress und Atmungsaktivität, Wasserdichtigkeit sowie Sauberkeit und Hygiene geachtet werden. Weiter ging er auf die verschiedenen Anforderungen bei verschiedenen Einsatzarten ein und worauf die Feuerwehren vor dem Kauf von Persönlicher Schutzausrüstung achten sollten.
Nach dem Mittagessen bastelte der Autor von verschiedenen Fachbüchern, Branddirektor Dipl.-Ing. Ulrich Cimolino, aus verschiedenen Bausteinen einen sachgerechten Feuerwehreinsatz und stellte das Einsatz-Führungssystem (EFS) vor, stellte die Unterschiede verschiedener Einsatzlagen und Einsatzstellen dar, berichtete über sinnvolle Kennzeichnung von Führungskräften und Fahrzeugen bzw. Funktionsstellen und visualisierte Funkkonzepte im Analog- und Digitalfunk.
Prof. Dr. Volker Faust, Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie und Medizinaldirektor i. R., schockierte die Versammlung mit seiner Eröffnung: “Burn-Out ist ein Krankheitsbild, das es nicht gibt.” Weder in den Unterlagen der WHO noch in der “Bibel” der amerikanischen Psychotherapeuten finden sich ausreichend Hinweise auf das Phänomen Burn-Out. Die alten Erschöpfungsdepressionen entsprächen in etwa den heutigen Symptomen von Burn-out: “Belastung ohne Entlastung”. Burn-Out äußere sich in mehreren Phasen von reizbarer Schwäche über psychosomatische Störungen, die sich nicht körperlich erklären oder behandeln lassen, bis hin zu Erschöpfungsdepressionen. In der heutigen Gesellschaft wird der Burn-Out akzeptiert. “Die überwiegende Mehrzahl der Burn-Out-Patienten ist allerdings nicht komplett abgebrannt, sondern nur angekokelt.”, so Faust.
Burn-Out entstehe durch Stress, den man sich selber mache. Phantom-Vibrationen von Handys seien nur der Anfang. Von A wie Anwalt bis Z wie Zahnarzt sind alle Berufsgruppen betroffen, zuerst aber die helfenden Berufe und die pflegenden Frauen und Mütter. Ursachen können unter anderem sein: Hohe Arbeitsbelastung, Überforderung, Zeitdruck, Arbeitstempo, wachsende Verantwortung, schlechte Kommunikation, zu wenig Unerstützung durch Vorgesetzte oder Mobbing. Die Warn- und Alarmsignale seien vielfältig: das Gefühl keine Zeit mehr zu haben, subjektiv empfundene Unentbehrlichkeit, Schwinden der Kreativität, Vergesslichkeit, psychosomatische Beschwerden und psychosoziale Probleme.
Weitere Symptome seien zunehmende Infektanfälligkeit, Tagesmüdigkeit, Entmutigung, Gleichgültigkeit, Schuldgefühle, Widerstand zur Arbeit zu gehen, Tagträume, Verlust von positiven Gefühlen gegenüber Patienten, Kunden oder Klienten. Die Folgen äußern sich unter anderem in Ironie, Sarkasmus und Zynismus. Hilfreich bei der Bewältigung seien viele kleine Elemente: Power-Nappings, Körperliche Aktivität (in 30 Minuten 100 Schritte pro Minute gehen), Alkohol, Koffein und Nikotin sind zu meiden bzw. nur in geringen Mengen zu sich zu nehmen, Entspannungstechniken lernen, Brustmassagen und Wechselduschen, Hobbies und Kontakte pflegen. “Auch die Erfüllung eines Ehrenamts kann hilfreich sein. Man sollte aber dringend darüber nachdenken, ob man wirklich noch ein weiteres Ehrenamt annehmen kann.”
Die Zeit lief für Priv.-Doz. Dr. med Harald Genzwürker, Chefarzt der Klinik für Anaesthesiologie und Intensivmedizin an den Neckar-Odenwald-Kliniken, der über aktuelle Rettungskonzepte, Vorgaben und Auswirkungen referierte. Unter anderem waren die “Golden hour of Shock” und die Prioritäten und Handlungsstrategien in Notfallsitutationen sowie individuelle Herausforderungen in unterschiedlichen Situtationen wichtige Themen seines Vortrags anhand verschiedener Einsatzbeispiele.
Hollerbach bedankte sich bei mit einem Buch- und Schnapspräsent bei den Referenten für ihre aufschlussreichen Vorträge. Den Firmen Gebra, Dräger, Barth, Auer, Vetter und Lukas dankte er für die Teilnahme an der kleinen Industriemesse auf dem Vorplatz und im Foyer der Stadthalle. Für die Freiwillige Feuerwehr Buchen konnte Stadtbrandmeister Klaus Theobald den Dank für die Bewirtung entgegen nehmen. Der Kommandant der Feuerwehr Hardheim, Martin Kaiser, erhielt für die Organisation des Fachseminars ebenfalls ein Präsent. mag.
Die freigegeben Präsentationen der Referenten, Links und weitere Bilder im Internet unter: www.abenteuer-in-rot.de
200 Teilnehmer beim Fachseminar. (Foto: Grimm)