von Martin Hammer
(Foto: Michael Pohl)
Osterburken. Nils Heinrich zieht kräftig vom Leder bei seinen Auftritten. So auch in der Alten Schule in Osterburken, wo er auf Einladung der Kulturkommode so ziemlich alle Themen, die ihm in seinem Alltag unangenehm auffallen, kabarettistisch anpackte und gnadenlos offen legte.
Der mittlerweile in Berlin lebende Kabarettist muss zum Beispiel die unzähligen Touristen ertragen, die sich über den nicht funktionstüchtigen Hauptstadt-Flughafen lustig machen und rächt sich, indem er in die baden-württembergische Landeshauptstadt fährt und dort den Finger in die Wunde „Stuttgart 21“ legt. In Berlin, so Heinrich, funktioniere zumindest der unterirdische Bahnhof. Es fahren dort sogar Züge, die allerdings leer seien, nur zu dem Zweck, dass durch die Zugluft kein Schimmel an den Wänden entstehe. So hat Hartmut Mehdorn schließlich doch noch erreicht, woran er als Bahnchef jahrelang gearbeitet habe: Zugverkehr ohne nervige Passagiere.
Nichts und niemand ist vor Nils Heinrichs bissigen Kommentaren sicher: sei es die Bundestagswahl, der Besuch des mittlerweile abgedankten Papstes in Berlin oder der Fluch der modernen Medien. Er lasse sich ja nur noch Wellness-Produkte schenken. „Ein Stück Kernseife hält ja mittlerweile länger als ein Smartphone.“ Dem Thema „Landflucht“ kann er immerhin noch insoweit etwas abgewinnen, als er vom älteren Publikum sofort erkannt wird: der junge Mann hier, das muss der Künstler sein.
In Osterburken amüsierten sich glücklicher Weise Zuschauer aller Generationen über die Alltagsbetrachtungen des Gewinners zahlreicher Kabarett- und Kleinkunstpreise und so mancher hat, den Reaktionen nach, die ein oder andere Situation wiedererkannt. ICE-Abteile, in denen man unfreiwilliger Mithörer über Handy geführter Gespräche intimsten Inhalts wird oder die unbefriedigenden Sonntagabende, an denen der aktuelle Tatort kein richtiger Krimi mehr ist sondern nur noch als Darstellung der zwischenmenschlichen Probleme von Tätern und Kommissaren dient. Kein Wunder, so Heinrich, dass man da am Montag schlecht gelaunt zur Arbeit kommt. Diese Thematik wird auch in einem seiner immer wieder eingestreuten Songs, bei denen er sich selbst mit der Gitarre begleitet, behandelt. Als Lösung hat er natürlich auch gleich einen selbst geschriebenen Kurzkrimi parat.
Alles andere als Ostalgie verströmten die gelesenen Auszüge aus seinem Buch „Wir hatten nix, außer Umlaute“, in denen Heinrich dem Publikum einen Einblick in seine Jugendzeit in der DDR gewährte. „Ich komme ja aus einem Land, das es gar nicht mehr gibt. Die jungen Leute fragen sich heute, was für eine Art von Dateiformaten BRD und DDR sein sollen.“
Jahre später spülte es ihn irgendwie nach Stuttgart („ein mit Beton ausgegossener Meteoriteneinschlag“), wo er als „Mitteleuropäer und Kartoffelfreund“ wohl ein Trauma angesichts der schwäbischen Essgewohnheiten davongetragen haben muss – zu allen Gerichten gibt es einzig und allein Spätzle als Beilage. Ihn würde es nicht wundern, wenn es sogar mit Spätzle gefüllte Maultaschen gäbe.
So poltert, singt, liest und rappt sich Nils Heinrich durch seine Bestandsaufnahme der deutschen Befindlichkeiten und hinterlässt nach seinen Zugaben ein begeistertes Osterburkener Publikum, das sich einen Abend lang herrlich amüsieren durfte – bisweilen auch durchaus über sich selbst.
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