Der Altersdurchschnitt der Patienten in den Neckar-Odenwald-Kliniken steigt und damit auch der Anteil der zusätzlich an einer Demenz erkrankten Menschen, was ganz besondere Herausforderungen an das Personal mit sich bringt. (Foto: LRA)
Mosbach/Buchen. (lra) Der demografische Wandel ist in vielen Bereichen zu spüren. Auch und gerade im Krankenhaus. „Da sind wir natürlich keine Ausnahme. Auch unsere Patienten werden immer älter, insbesondere hier bei uns auf der Inneren und der Akutgeriatrie“, bestätigt Daniela Kirchgeßner, stellvertretende Stationsleiterin in den Neckar-Odenwald-Kliniken in Buchen. Je älter die Menschen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie an einer Demenz erkranken. Auch das bestätigt die Krankenschwester: „Manchmal ist die Hälfte unserer Patienten hier dement, natürlich in unterschiedlichen Schweregraden.“ Und das ist ein Umstand, der Pflegekräfte und Ärzte ganz besonders herausfordert – aus ganz verschiedenen Gründen.
So haben demente Patienten oft einen großen Bewegungsdrang. Gleichzeitig sind sie verwirrt und ängstigen sich in der für sie völlig ungewohnten Umgebung. Gar nicht so selten tritt dann der ein oder die andere sogar die „Flucht“ an, will wider besseren Wissens zurück in die gewohnte Umgebung. Die Türen stehen offen, auf den Gängen herrscht ohnehin ein geschäftiges Treiben; da ist es für die Beschäftigten fast unmöglich, alle rund um die Uhr im Blick zu behalten. Zudem dürfen die Patienten, wenn keine Gefahr im Verzug herrscht oder sie sich selbst gefährden, keinesfalls mit Medikamenten oder mit sonstigen Hilfsmitteln ruhig gestellt bzw. fixiert werden. Zu Recht sind diese einschneidenden Maßnahmen nur auf der Grundlage einer richterlichen Anordnung erlaubt.
„Wir tun, was wir können. Aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt und wir sind froh und dankbar, wenn wir uns auch auf die Mitpatienten und die Mithilfe der Angehörigen verlassen können“, räumt Daniela Kirchgeßner ein. Die sind oft kooperativ und haben Verständnis – aber nicht immer. Es kommt vor, dass nicht demente Patienten es vehement ablehnen, ihr Zwei-Bett-Zimmer mit einem Demenzkranken zu teilen. Und Angehörige stehen manchmal auf dem rigorosen Standpunkt: „Das ist jetzt Euer Job, kümmert Euch entsprechend.“ Für eine derart intensive Betreuung fehlt es in einem Krankenhaus aber an Zeit und Personal. „Lediglich die Akutgeriatrie hat einen etwas höheren Personalschlüssel“, so die stellvertretende Stationsleiterin, die grundsätzlich gerne mehr Zeit hätte für ihre Patienten: „Gerade bei älteren Patienten, egal ob dement oder nicht, kann man mit Gesprächen viel erreichen.“ Immerhin nutzt speziell das Pflegepersonal die Möglichkeit der regelmäßigen Weiterbildung, gerade auch im Umgang mit Demenzkranken. Da, so Daniela Kirchgeßner, lerne man, sich in die Gedankenwelt der Kranken zu versetzten: „Und das hilft uns sehr.“ Ebenso hilfreich sei der intensive Austausch mit den Angehörigen über spezielle Angewohnheiten der Patienten. Voll und ganz stimmt sie der Aussage von Elisabeth Neumann zu, die sich als Leiterin des Qualitäts- und Risikomanagements intensiv mit Beschwerden gerade auch zu diesem Thema auseinandersetzt: „Demenzkranke sind bei uns keine Menschen zweiter Klasse.“
Gar nicht so selten wird eine beginnende Demenz im Übrigen sogar im Krankenhaus entdeckt. „Zuhause, wo die Menschen seit vielen Jahrzehnten die immer gleichen Handgriffe tun, können sie die Demenz vor den Angehörigen oft eine ganze Weile ganz gut verbergen oder überspielen. Wenn sie aber dann zu uns kommen und plötzlich alles fremd ist, funktioniert das nicht mehr.“ Ein Schock für Patient und Angehörige. Aber auch im fortgeschrittenen Stadium kann ein wegen anderer Krankheiten unumgänglicher Krankenhausaufenthalt einen regelrechten „Schub“ bewirken. Die Menschen erfahren die Zeit oft als schlimme psychische Belastung, den Sinn der Therapie können sie in der Regel nicht erfassen. Manche werden aggressiv – eine weitere Herausforderung für das Personal. „Vor diesem Hintergrund zolle ich allen größten Respekt, die demenzkranke Angehörige dauerhaft und oft genug rund um die Uhr zu Hause pflegen oder die in entsprechenden Heimen arbeiten“, erklärt Daniela Kirchgeßner. Denn im Krankenhaus ist die Pflege zumindest zeitlich begrenzt.
Die stellvertretende Stationsleiterin ist im Übrigen trotz aller Herausforderungen auch nach vielen Jahren immer noch sehr gerne Krankenschwester: „Das ist und bleibt mein Traumberuf. Der Umgang mit den Menschen ist immer wieder spannend und es kommt viel Dankbarkeit zurück. Ich jedenfalls könnte mir nichts anderes vorstellen.“