Oberbürgermeister Stefan Mikulicz kritisiert Entscheidung zur Polizeiakademie
(Foto: pm)
Wertheim. (pm) Das Innenministerium hält an der Schließung der Akademie der Polizei in Wertheim zum 31. Dezember 2015 fest. Dabei ist der Neubau des künftigen Hochschulsitzes in Böblingen dem Vernehmen bis dahin noch lange nicht bezugsfertig. Diesen Widerspruch hat Oberbürgermeister Stefan Mikulicz zum Anlass für ein Schreiben an Innenminister Gall und eine Reihe von Landtagsabgeordneten genommen. Heute, Freitag, informierte er in einem Pressegespräch über den aktuellen Stand.
Die von Innenminister Gall 2012 auf den Weg gebrachte Landespolizeireform sieht vor, dass die beiden bisherigen Hochschulstandorte Wertheim und Freiburg geschlossen und in Böblingen als neuem, zentralem Institutsstandort zusammen geführt werden sollen. Dort müssen die notwendigen Gebäudekapazitäten aber erst errichtet werden.
Keine Verlängerung für Wertheim
Im Laufe des Jahres 2014 wurde absehbar, dass die Baustelle Böblingen sich verzögert und die Akademie in Wertheim deshalb über den 31. Dezember 2015 hinaus in Betrieb bleibt. Sehr überrascht war deshalb Oberbürgermeister Mikulicz, als er vor wenigen Tagen aus Polizeikreisen die Information erhielt, dass das Innenministerium einer Verlängerung des Betriebs in Wertheim nicht zugestimmt habe und an der Schließung Ende 2015 festhalte. Das ist für OB Mikulicz auch deshalb unverständlich, weil die Polizeistrukturreform mit einem erhöhten Fortbildungsbedarf verbunden ist. Sein Fazit: „Ich kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen, das ist rücksichtlos.“
Die Fragen, die sich aus diesem Widerspruch ableiten, hat er nun zur Klärung auf landespolitischer Ebene eine Reihe von Landtagsabgeordneten zugeleitet: Wann wird der Neubau in Böblingen fertig? Gibt es eine Interimsunterbringung für den Standort Wertheim und wo soll diese eingerichtet werden? Wie hoch sind die Kosten einer solchen Interimsunterbringung? Und vor allem: Warum erhält man den Hochschulbetrieb in Wertheim nicht bis zur endgültigen Fertigstellung des Neubaus in Böblingen aufrecht?
Aus Sicht von OB Mikulicz drängt sich der Verdacht auf, dass das Innenministerium rechtzeitig vor der Landtagswahl 2016 vollendete Tatsachen schaffen will. „Soll die Schließung der Akademie in Wertheim eingetütet und damit vor einem eventuellen Regierungswechsel unumkehrbar gemacht werden?“
Erste Reaktionen auf das OB-Schreiben aus Reihen der Landtagsabgeordneten liegen bereits vor. Es steht zu erwarten, dass das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Plenarsitzung Anfang Februar kommt. „Ich habe kaum Hoffnung, dass beim Land Vernunft einkehrt. Aber wir kämpfen weiter“, so OB Mikulicz zu seiner politischen Initiative.
Nachfolgenutzung nicht geklärt
Die Verärgerung in Wertheim ist auch deshalb groß, weil das Land zur Folgenutzung des Akademiegeländes bisher keinen Vorschlag gemacht hat. Zwar war nach einem Besuch von Innenminister Gall im Juli 2012 in Wertheim eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, die ein Konzept zur Nachnutzung entwickeln sollte. Diese Arbeitsgruppe hat aber nur zweimal getagt (September 2012, April 2013) – jeweils ohne verwertbaren Ansatz. „Das Land bemüht sich nicht,“ so OB Mikulicz.
Nach der Devise „Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner“ hat die Stadt Wertheim deshalb selbst die Initiative ergriffen. Eine verwaltungseigene Analyse der Eignung Wertheims als Standort einer Dualen Hochschule im Dreiländereck Baden-Württemberg, Bayern, Hessen lag seit April 2013 vor. Damit trat OB Mikulicz ab Mai 2013 in Kontakt und in Korrespondenz mit verschiedenen Landesministerien sowie mit Hochschulverantwortlichen – allerdings ohne Erfolg.
Im nächsten Schritt recherchierte die Verwaltung die private Hochschullandschaft in Süddeutschland. Dieser Tage verschickte sie eine über 60 Adressaten umfassende Aussendung. Ziel dieser Werbekampagne ist, eine private Hochschule für die Ansiedlung am Standort Wertheim zu gewinnen. Die vorhandene Infrastruktur ist dafür ideal geeignet, wie ein eigens zusammen gestelltes Exposé „Der attraktive Hochschulstandort Wertheim-Reinhardshof“ beweist. Die Stärke Wertheims als Wirtschaftsstandort, die Lebensqualität in der Region und die vielen Standortvorteile sind zusätzliche Argumente, mit denen OB Mikulicz für Wertheim als Standort einer privaten Hochschule wirbt.
Zur Vorgeschichte
1992 hat die damalige Landesregierung entschieden, in Wertheim eine Außenstelle der Landespolizeischule Freiburg anzusiedeln (später Außenstelle der Akademie der Polizei Baden-Württemberg). Gezielt wollte die Landesregierung damit zum einen den ländlichen Raum stärken und zum anderen die Stadt Wertheim bei Konversion der ehemaligen US-Kaserne Peden Barracks unterstützen.
Im Januar 2012 legte das Innenministerium der 2011 neu gewählten Landesregierung Eckpunkte für eine umfassende Landespolizeireform vor. Darin angekündigt wurde auch die Schließung des Akademiestandorts Wertheim. Gegen diesen massiven Eingriff setzten sich Stadt, Landkreis und Region mit allen Mitteln und vielen guten Argumenten zur Wehr – letztlich vergeblich. Von der öffentlichen Diskussion und allen politischen Bemühungen unbeeindruckt gab das Innenministerium am 27. März 2012 die Entscheidung gegen den Fortbestand der Polizeiakademie in Wertheim bekannt.
Seit Inkrafttreten der Landespolizeireform am 1. Januar 2014 firmiert die ehemalige Akademie der Polizei in Wertheim als Außenstelle des Instituts für Fortbildung der Hochschule der Polizei Baden-Württemberg.