Michael Kochendörfer beim Race Around Austria: „Das härteste Radrennen in Europa“
Billigheim. Bereits zum zweiten Mal nahm der amtierende 24-Stunden-Europameister und Deutscher Meister, Michael Kochendörfer, aus Billigheim, das Race around Austria, als das Rennen rund um Österreich unter die Reifen seines Rennrads und absolvierte dabei insgesamt 2.200 Kilometer und 30.000 Höhenmeter. Köchendörfer umrundete die Alpenrepublik entlang der Grenze zu Deutschland, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Italien, Lichtenstein als Solostarter Nonstop und kam als insgesamt Sechstplatzierter Biker ins Ziel.
Die Vorbereitungen auf diese extreme körperliche und mentale, aber auch logistische Herausforderung, begannen für den Odenwälder bereits im November. Neben den vielen Trainingseinheiten, musste auch die Organisation gestemmt und ein siebenköpfiges Betreuerteam mit Ehefrau Anja, Tochter Chantal, Bruder Heiko und den Sportskameraden Heiko Dengel, Armin Lenz, Günter Hägele und Jörn Rosolski gewonnen und koordiniert werden. Dazu galt es, jede Menge Material, darunter drei Rennräder mit unterschiedlichen Übersetzungen, Ersatzteile, Lautsprecher, Blinklichter, Funkgeräte, Navigationsgeräte, Akkulampen für die Räder, mehrere Kisten Kleidung, spezielle Ernährung, Begleitfahrzeuge und ein Wohnmobil zu beschaffen und nach Österreich zu transportieren.
In mehreren Teamtreffen wurden die Aufgaben verteilt, bevor die Anreise zum Startort St. Georgien im Attergau erfolgte. Dort angekommen mussten weitere Vorbereitungen rledigt werden. So galt es die Startunterlagen zu beschaffen und Autos sowie Rennmaschinen zu montieren. Das Begleitfahrzeug musste mit mit Aufklebern, Warnlichtern und Lautsprecher ausgerüstet werden. Die drei Räder erhielten spezielle Leuchtaufklebern, sodass auch die Sicherheit in den Nachtstunden gewährleistet war. Außerdem musste ein Buch mit Regelwerk und Formularen., Haftungsausschlüssen gesichtet werden, weshalb das ganze Team schon vor dem Startschuss viel beschäftigt war, am Ende erfolgte noch die offizielle Abnahme durch die Rennjury.
Dienstagabend um 18:06 Uhr ging Michael Kochendörfer von der Startrampe und nahm die Herausforderung unter die Räder. Während die Starter im vergangenen Jahr mit Kälte und Regen zu kämpfen hatten, hatten die Fahrer in diesen Jahren mit tropischen Temperaturen zu kämpfen. Daher war es für Kochendörfer ein Vorteil, am Abend in die Nacht hinein zu starten.
Da der Radsportler ununterbrochen vom Begleitfahrzeug anhand des Routebooks navigiert werden musste, teilten sich die Unterstützer in zwei Teams, die abwechselnd verschiedene Aufgaben übernahmen, die Strecke abstimmten, Kochendörfer verpflegten, Kleidung reichten, Räder tauschten und warteten und vieles andere mehr.
Michael Kochendörfer kam sehr gut ins Rennen, das in Richtung Mühlenviertel führte, der Streckenabschnitt galt für die Alpenrepublik zwar als flacher Abschnitt, für deutsche Verhältnisse war es aber schon relativ bergig. Gut versorgt von seiner Crew ging es in die erste Nacht weiter in Richtung Slowakei. Bereits am dem Morgen hatten dann alle mit der Hitze zu tun, die an diesem Tag auf 38°C steigen sollte. Der Biker war permanent damit beschäftigt, sich mit Wasser abzukühlen und genügend zu trinken. Die Crew im Begleitfahrzeug gab alles, um den Biker bei Laune zu halten und um ihn optimal zu versorgen. Nach den ersten 24 Stunden hatte der Billigheimer bereits 630 Kilometer in den Beinen. Dennoch wollte Kochendörfer weitere sechs Stunden im Sattel bleiben, bevor nach einer warmen Suppe eine kurze Schlafpause von 60 Minuten bevorstand.
Weiter ging durch die Südsteirische Weinstraße in Richtung Lavamünd Soboth bis zur Passhöhe auf 1361 Meter. Für die steilen Rampen hatte Kochendörfer ein spezielles Bergrad dabei, damit er die Anstiege mit einer anderen Übersetzung fahren konnte, während für die langen, steilen Abfahrten Scheibenbremsen installiert waren. Um den Sportler bei Laune zu halten, gab das Team über Lautsprecher Botschaften an Kochendörfer weiter, die über dessen Facebookseite aus der Heimat eingegangen waren. Trotz dieser zusätzlichen Motivation machten sich nach 1.208 Kilometern und 53 Stunden im Sattel erste Sitzbeschwerden bemerkbar. Auch Bein- und Armmuskulatur machten sich nun bemerkbar. So galt es den zweiten Stopp und die nächste Schlafpause zur Regeneration zu nutzen.
Frisch verpflegt und umgezogen ging das Rennen anschließend erst richtig los. Es folgte die Auffahrt zum Großglockner, über den Iselsberg (1.201m), dann nach Heiligenblut. Von dort aus musste ein 14 Kilometer langer Anstieg zum Hochtor auf 2.500 Metern über dem Meer bewältigt werden. Hier setzte Kochendörfer auf ein spezielles Storck-Bergrad. Angetrieben von seinen Begleitern kletterte der Odenwälder Meter um Meter nach oben. Endlich oben angekommen, ging es dann ein paar Kilometer bergab, bevor der Anstieg zum nächsten Pass Fuschertörl anstand. Es folgte eine lange Abfahrt, die dem Biker aufgrund des Schlafentzugs einige Probleme bereitete. „In dieser Phase hatte ich zu kämpfen und musste immer wieder aufpassen, nicht in den Sekundenschlaf zu fallen“, beschreibt Kochendörfer diesen Rennabschnitt.
(Foto: privat)
Kaum unten angekommen ging es weiter Richtung Mittersill, wo wieder Tag geworden, der nächste Pass auf dem Gerloßpass (1.626m) folgte. Im Aufstieg versammelten sich sehr viele Zuschauer, welche die Biker frenetisch anfeuerten. Weiter ging es durch Innsbruck weiter zum Kühtai, wo nach 22,3 Kilometer Anstieg auf 2.020 Höhenmetern, der Kühtaisattel überquert werden musste. Hier hatte Kochendörfer auf den letzten Kilometern zu kämpfen, war die Strecke in diesem Abschnitt doch sehr steil. Motiviert aus dem Begleitfahrzeug heraus und durch Sprints der Unterstützer neben her, wurde diese Herausforderung bewältigt. Nach 1.5000 Kilometern war die Passhöhe erreicht.
Nach einer kurzen Stärkung und neuer Kleidung ging es mit gelockerten Beinen weiter in Richtung Bregenz auf der Silvretta-Hochalpenstraße. Nun wollte der Billigheimer noch einen Pass überqueren und dann die nächste Schlafpause einlegen. Doch ein Gewitter machte dem Athleten einen Strich durch die Rechnung, sodass Michael Kochendörfer die Unterbrechung vorzog und nach 78 Stunden die dritte einstündige Schlafpause einlegte.
Das Gewitter brachte merklich kühlere Temperaturen mit sich, sodass der Anstieg zu Passhöhe auf dem Galtür (2.041m) nicht mehr ganz so warm war. Weiter ging es mit dem Anstieg hoch zum Faschinajoch auf 1.483m. Auch in dieser Abfahrt drohte wieder der Sekundenschlaf, sodass höchste Konzentration gefragt war. Nach der Passage des Hochtannbergs (1.418m), musste der Fernpass absolviert werden. Hier hatte Michael Kochendörfer nicht nur mit der Müdigkeit, sondern auch mit dichtem Autoverkehr zu kämpfen. Die vielen Fahrzeuge führten auch dazu, dass es mit der Abschirmung durch das Teamfahrzeug nicht immer klappte. Dennoch waren nach diesem Abschnitt 1.800 Kilometer geschafft.
Nun wurden Sitzprobleme, und Schmerzen in Händen und Armen immer stärker bemerkbar. Und noch immer lagen 400 Kilometer vor dem Athleten. Nun waren die Begleiter noch mehr gefragtn, um den Sportler zu motivieren und bei Laune zu halten. Da auf dieser Streckenabschnitt relativ monoton war, drohte erneut der Sekundenschlaf. Doch weitere aufmunternde Facebook-Kommentare und Freunde und Bekannte, die immer häufiger am Streckenrand auftauchten, machten die Strapazen leichter.
Mittlerweile war es Samstagnachmittag und es begnn leicht zu regnen. Für Michael Kochendörfer ging es nun in die letzte Nacht. Noch einmal wurden Lichter montiert und Kleider gewechselt, bevor die finalen 250 Kilometer unter die Räder genommen wurden. Auf eine weitere Schlafpause wollte der Extrembiker verzichten.
Bei Kilometer 2.000, um ca. 1 Uhr nachts, ging es zwei sehr steile Pässe hoch. Bereits im ersten Aufstieg war der Odenwälder mit den Kräften so am Ende, dass er nur noch Schlangenlinie fahren konnte. Auf Anraten seiner Begleiter stieg Kochendörfer für zehn Minuten vom Rad. Durch ein Nickerchen – neudeutsch Powernap – sollten neue Kräfte gesammelt werden. Anschließend ging es auch tatsächlich leicht erholt weiter, sodass beide Pässe bewältigt wurden.
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Trotz aller Strapazen, vergaß Michael Kochendörfer nicht, seinem Team zu danken, das sich ganz für das gemeinsame Ziel aufgeopfert habe. Alle Betreuer mussten auf jeglichen Komfort verzichten, konnten nur stundenweise im Auto schlafen, sich nur sporadisch waschen, wenig essen.
In einem ersten Fazit hob Kochendörfer darüber hinaus hervor, dass ihm besonders die Hitze und der Schlafentzug zu schaffen gemacht hätten. Nachts erkenne man die einfachen Dinge nicht mehr am Straßenrand oder habe mit dem Sekundenschlaf zu kämpfen.
Um die Strapazen zu meistern war eine ausgeglichene Energiebilanz entscheidend. So mussten pro Tag ca. 10.000 Kalorien aufgenommen werden. Hierfür hatte Michael Kochendörfer eine spezielle Flüssignahrung dabei. Auch Bananen, Äpfel, selbst gemachten Energieriegel sorgten ebenfalls für Kohlenhydratzufuhr. Hier verließ sich der Billigheimer auf spezielle Mischungen der Mühle Geßmann.
Da der Extrem-Radsport als Randsportart keine großen Sponsorengelder akquiriert, galt ein Dank des Athleten vielen Unterstützern, die Material beigesteuert hatte. So war auf Armins Radhaus in Aglasterhausen Verlass, als wenige Tage vor dem Startschuss das Bergrad noch montiert werden musste. Storck Bicycle stellte die Räder bereit, während Schwalbe die Reifen spendierten. Supernova machte mit Akkulampen die Nacht auf dem Rad zum Tag, und die Sinner Optik half mit speziellen Kontaktlinsen aus. Die Team-Shirts wurden von der Firma CSP produziert.
Nach einer ausgiebigen Dusche und einigen Stunden Schlaf ging es nach einem gemeinsamen Abendessen in Österreich nach Hause nach Billigheim, wo der Extrembiker und sein Team begeistert empfangen und gefeiert wurde.
(Foto: privat)