Großer Informationsbedarf zur Aufnahme von Flüchtlingen
Wertheim. (pm) Der Informationsbedarf zur künftigen Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (LEA) in Wertheim ist groß. Das machte die Gemeinderatssitzung am vergangenen Donnerstag deutlich. Rund 250 Bürgerinnen und Bürger nahmen an der rund dreistündigen Veranstaltung in der Aula Alte Steige teil, viele meldeten sich in der Bürgerfragestunde zu Wort. Der Ablauf war geordnet, die Atmosphäre sachlich. Oberbürgermeister Stefan Mikulicz konstatierte am Ende den Willen von Gemeinderat, Verwaltung und Bürgerschaft, „diese humanitäre Herausforderung gemeinsam anzugehen.“ Im gleichen Atemzug forderte er aber auch „die schützende Hand des Landes“ ein.
Für das Land Baden-Württemberg nahmen Vertreter verschiedener Behörden an der Sitzung teil und standen Rede und Antwort: Regierungsvizepräsident Dr. Christian Schneider, Ministerialdirektor Prof. Dr. Wolf-Dieter Hammann vom Integrationsministerium und Thomas Lüdecke vom Polizeipräsidium Heilbronn.
Dass die Stadt den Verlust der Akademie der Polizei noch nicht verwunden hat, machte OB Mikulizc zu Beginn der Sitzung deutlich. Deutliche Worte fand er auch zur „Unfähigkeit der Politik im Umgang mit dem Flüchtlingszustrom“, die auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen würde. Wenn sich Wertheim gleichwohl der neuen Herausforderung als LEA-Standort stelle, dann verbinde sie damit konkrete Erwartungen. Wörtlich sprach er von der „schützenden Hand des Landes.“ Der Betrieb der Einrichtung ab Mitte Oktober brauche ausgereifte Vorarbeit und eine gut geplante Infrastruktur. Die Kapazität müsse begrenzt, das Konzept der Einrichtung für den Standort angemessen sein: „Der Stadtteil Reinhardshof darf nicht überfrachtet werden.“ Und Kommune, Bürgerschaft und Ehrenamtliche müssten eingebunden sein.
Lauf Regierungsvizepräsident Dr. Schneider können im Akademieareal „problemlos ohne bauliche Veränderungen“ bei einer Vierfachbelegung der 155 Zimmer rund 600 Personen untergebracht werden. Eine Erhöhung der Kapazität auf 1.000 Plätze nach geringfügigen Umbauten konnte er zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen. Eine Überbelegung wie in Ellwangen wolle man vermeiden. „Aber wir sind oft kurzfristig gefordert, um Obdachlosigkeit zu vermeiden.“ Das Land arbeite mit Hochdruck an der Vorbereitung weiterer LEA-Standorte und bedarfsorientierter Notaufnahmeeinrichtungen.
Zuversichtlich beurteilte Schneider die Aussicht, bis Mitte Oktober eine gute Infrastruktur für die LEA Wertheim aufzubauen. „Wir schaffen das, und wir wollen es gut machen in Wertheim“, zumal man aus den Erfahrungen an anderen LEA-Standorten gelernt habe. Die Fäden der Vorbereitung laufen in einer Arbeitsgruppe unter Federführung des Regierungspräsidiums zusammen, die sich in zehntägigem Turnus trifft. Derzeit arbeite man an der Belegungsplanung, verhandele mit privaten Dienstleistern, die für den Unterkunftsbetrieb zuständig sein werden, und wähle geeignetes Personal für die Verwaltung der LEA aus.
Auch das Sicherheitskonzept nehme Form an: Ein privater Sicherheitsdienst wird rund um die Uhr in der LEA präsent sein. Das Polizeirevier Wertheim werde verstärkt und in der LEA ein Polizeiposten eingerichtet. Befürchtungen, dass die Landeserstaufnahmeeinrichtung steigende Kriminalitätszahlen nach sich ziehen werde, widersprach Ministerialdirektor Hammann. Er verwies auf konkrete Erfahrungen an anderen LEA-Standorten. Dort habe es Diebstähle innerhalb der Einrichtung gegeben, „aber draußen war kein Bürger betroffen.“
Die soziale Betreuung werden gemeinsam der Caritasverband im Tauberkreis und das Diakonische Werk übernehmen. Der Personalschlüssel liegt bei einer Betreuerstelle pro 100 Flüchtlinge. Auch Streetworker als Bindeglied zwischen LEA und Wohnumfeld sollen zum Einsatz kommen. „Es ist wichtig, den Flüchtlingen eine Tagesstruktur zu geben“, so Dr. Schneider. Dazu hoffe man auch auf Unterstützung von Ehrenamtlichen, die beispielsweise erste Deutschkenntnisse vermitteln, Sportangebote machen oder bei der Kinderbetreuung mithelfen.
Auch die Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge wird sichergestellt. Eine Untersuchung auf ansteckende Krankheiten ist Bestandteil des Aufnahmeverfahrens. Wolf-Dietrich Hammann: „Mir ist kein Fall bekannt, in dem eine ansteckende Krankheit nach außen getragen wurde.“ Außerdem wird in der LEA ein ärztlicher Dienst eingerichtet, der rund um die Uhr präsent ist.
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Die Aufenthaltsdauer der Flüchtlinge in einer Landeserstaufnahmeeinrichtung liege aktuell bei sechs Wochen. Diese Frist wolle man auf etwa zwei Wochen verkürzen. Laut Wolf-Dietrich Hammann sollen Flüchtlinge, die nur geringe Chancen auf Anerkennung haben, künftig von Beginn auf die Rückkehr in ihre Heimat vorbereitet werden. Sie sollen nicht in die Anschlussunterbringung weitergeleitet werden. Dazu zählen vor allem Flüchtlinge vom Westbalkan. Auch wenn die Asylanträge der so genannten Wirtschaftsflüchtlinge keine Erfolgsaussichten haben, warb der Ministerialdirektor um Akzeptanz: „Kein Mensch verlässt ohne Not seine Heimat.“
Am Ende der dreistündigen Veranstaltung bedankte sich Ministerialdirektor Hammann für die Aufgeschlossenheit und den sachlichen Austausch. „Ich werde einen sehr positiven Eindruck von Wertheim mitnehmen.“ Regierungsvizepräsident Dr. Schneider hatte eine positive Grundstimmung wahrgenommen und betonte nochmals: „Wir wollen das gemeinsam schaffen.“ Und Oberbürgermeister Mikulicz war sich sicher: „Unsere Bürgergemeinschaft ist stark. Wir gehen die Dinge mit Wohlwollen an.“
Die nächste Bürgerinformation zur LEA Wertheim ist bereits terminiert. Am 29. September um 19 Uhr findet in der SH1 in Bestenheid eine Informationsveranstaltung statt. Dazu wird auch Integrationsministerin Öney erwartet.
(Foto: pm)