60 Jahre Bundesmustersiedlung Amorbach

 „… dass diese Siedlung zur echten Heimat mit frohen Tagen in friedlicher Zeit werden möchte“Vor 60 Jahren wurde der neue Stadtteil Amorbach eingeweiht

Neckarsulm. (pm) „Amorbach“ entstand auf dem „Amorbacher Feld“ – ehemaligem Grundbesitz des Klosters Amorbach im Odenwald, das Jahrhunderte lang großen Einfluss in Neckarsulm hatte. 1805 wurden seine Besitzungen im Zuge der Säkularisierung enteignet und kamen so an das Königreich Württemberg.

Durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und den Zustrom von Vertriebenen und Flüchtlingen stieg die Wohnungsnot im Landkreis Heilbronn stark an. Dieser erkannte als einer der ersten in der Bundesrepublik die Notwendigkeit von Neubausiedlungen. Nach dem Scheitern des Bauprojektes Hipfelhof (Heilbronn-Frankenbach) regten Landrat Eduard Hirsch und Innenminister Fritz Ulrich eine Siedlung auf dem drei Kilometer vom Stadtzentrum entfernten Amorbacher Feld an. Der Neckarsulmer Gemeinderat stimmte dem Bauvorhaben zu – unter der Voraussetzung, dass neben Vertriebenen, Flüchtlingen und Berufspendlern besonders auch Neckarsulmer Wohnungssuchende berücksichtigt werden würden.

Nachdem Innenminister Fritz Ulrich den ersten Spatenstich für den bereits mit Straßen versehenen Stadtteil vorgenommen hatte, setzten zügig die Hochbauarbeiten ein – denn viele Familien erwarteten sehnlichst den Einzug in ihre Wohnungen.

Mit Unterstützung von Bund und Land, finanziert von der Stadt Neckarsulm entstand unter der Leitung von Architekt Helmut Erdle das damals größte Siedlungsbauvorhaben im Bundesgebiet. Beim Richtfest für 543 Wohnungen (1953) bezeichnete ein Sprecher des Bundeswohnungsministeriums Amorbach als Versuchsbauvorhaben des Bundes („Bundesmustersiedlung“). 1954 begann der zweite Bauabschnitt (nördlich der Eugen-Bolz-Straße) mit 239 Wohnungen in Doppel- und Reihenhäusern; zudem entstanden die Ladenzeile (Amorbacher Straße), die Amorbachschule, die katholische Pax-Christi-Kirche und der Kindergarten. Für rund 18 Millionen Mark war eine „Trabantenstadt“ im zeittypischen Stil der 1950er Jahre entstanden: nüchtern und klar gegliedert.

Bei schönstem Wetter wurde am Wochenende des 24./25. September 1955 der festlich geschmückte neue Stadtteil eingeweiht. Am Samstag um 14 Uhr übergaben die Siedlungsgesellschaften und die Architekten den von ihnen gestifteten Fontänenbrunnen beim Geschäftszentrum an der Amorbacher Straße/Ecke Lautenbacher Straße an die Stadt. Um 15 Uhr folgte der Festakt vor dem Kindergarten. Unter der großen Schar der Gäste waren hochrangige Vertreter von Bund und Land: Dr. Hermann Wandersleb (in Vertretung des kurzfristig verhinderten Bundeswohnungsbau-ministers), die baden-württembergischen Minister Fritz Ulrich, Eduard Fiedler und Wilhelm Simpfendörfer, Landtagsabgeordnete sowie Vertreter aller beteiligten Behörden und Betriebe. Zu Beginn sangen die Neckarsulmer Chöre, dann sprach Bürgermeister Dr. Hans Hoffmann, der betonte, es sei „tausenden vom Schicksal schwergeprüften Menschen eine neue Heimat, Glück und Zufriedenheit wieder gegeben worden“.

Auf ihn folgte Landrat Eduard Hirsch, der den Einweihungstag als Tag „der Erfüllung und des Danks“ bezeichnete. Die am selben Tag erfolgende Grundsteinlegung der Evangelischen Kirche sowie die Einweihung von Schule und Kindergarten zeige, „daß man das Werk nicht nur als Summe einer Reihe von Häusern, sondern als Wohnstätte für den Menschen und des erst das eigentliche Leben formenden Geistes ansehe“. Er wünschte den Bewohnern, dass diese ihnen „zur echten Heimat mit frohen Tagen in friedlicher Zeit werden möchte“.

Danach sprach Architekt Helmut Erdle über Aufbau und künstlerische Gestaltung Amorbachs. Es sei dort nichts zufällig geworden und man habe „das Nachkriegsproblem so zu lösen versucht, daß eine spätere, schönere Zukunft erahnt werden könne“. Den Reden des Innenministers Fritz Ulrich und von Dr. Hermann Wandersleb folgten die Grundsteinlegung für die Heilig-Geist-Kirche sowie die Einweihung von Kindergarten und Schule. Im Rahmen der Feier überreichten nach altem Brauch die beiden ältesten Amorbacher Bürgermeister Dr. Hoffmann Brot, Salz und Wein. Nach der ökumenischen Dankesfeier in der Pax-Christi-Kirche schließlich erlebten die rund 3000 Gäste in der Turnhalle und im Festzelt einen Unterhaltungsabend mit Künstlern des Süddeutschen Rundfunks, der Stadtkapelle und einer ungarndeutschen Tanzgruppe. Ein Feuerwerk bildete den krönenden Abschluss. Tags darauf schloss sich – nach dem sonntäglichen Festgottesdienst in der Pax-Christi-Kirche – ein Volksfest an.

Amorbach bot Ende 1955 rund 3100 Menschen eine neue Heimat, davon waren über 40 Prozent unter 20 Jahre alt, und auch die Bevölkerungsstruktur wies Besonderheiten auf: 47,1 Prozent kamen aus der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, mehr als 50 Prozent aber waren Neubürger, darunter die Mehrheit Deutsche aus den südosteuropäischen Vertreibungsgebieten. Sie stammten vor allem aus Ungarn und Tschechien (Sudetenland), aber auch aus Bessarabien und der Dobrudscha (Moldavien), Schlesien, Ostpreußen, Jugoslawien, Wolhynien und der Ukraine, einige auch aus Österreich und Italien. Doch nach und nach entstand ein vertrauensvolles Zusammenleben, die Bewohner des von den Stadtbewohnern „Schuldenbuckel“ genannten neuen Stadtteils entwickelten – auch bedingt durch die gemeinsame Not der Nachkriegszeit – bald ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl.

Seit Baubeginn bestand ein provisorischer Busverkehr zwischen Amorbach und der Innenstadt. Vom 1. Oktober 1955 an aber verband der Stadtrundverkehr der Firma Eugen Zartmann den neuen Stadtteil mit der Innenstadt. Mit der Anlage der Kleingärten, der Einweihung der Gaststätte „Amorbacher Hof“ (1957) und der Gründung eines eigenen Sportvereins (1958) wurde die Infrastruktur weiter verbessert.

Ende der 1950er und Ende der 1960er Jahre wurde die Siedlung erweitert; ihre Blütezeit vor dem Beginn der Bebauung von Amorbach II (1991) lag in den 1960er Jahren: 1967 lebten dort 3700 Menschen, jedoch zogen immer mehr junge Menschen fort, bis die Einwohnerzahl 1989 mit 2485 einen Tiefstand erreichte. Nach der Fertigstellung von Amorbach II stieg sie an und erreichte am 30. Juni 1995 mit der Einwohnerzahl von 3118 den Stand von 1955. Derzeit leben in Amorbach mit mehr als 5600 Menschen rund 22 Prozent der Neckarsulmer Bevölkerung. (Barbara Löslein)

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Blick auf den neuen Stadtteil Amokbach. (Foto: Stadt Neckarsulm)

Umwelt

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