Neckarsulm. (snp) Der drastische Gewerbesteuerrückgang zwingt die Stadt Neckarsulm zu einem strikten Sparkurs. Als Sofortmaßnahme hat der Gemeinderat einen Einstellungsstopp und eine Wiederbesetzungssperre für alle frei werdenden Stellen beschlossen. Die Stadträte stimmten einer entsprechenden Verfügung von Oberbürgermeister Joachim Scholz zu und legten darüber hinaus die Eckpunkte für einen umfassenden Haushalts-Konsolidierungsprozess fest. „Gemeinderat und Verwaltung schaffen gemeinsam die Grundlagen, um die Stadt Neckarsulm auch mit weniger Mitteln weiter zu entwickeln“, betonte Oberbürgermeister Joachim Scholz. „Vor uns liegt eine Herausforderung, die in dieser Tragweite eine ernstzunehmende Dimension annimmt. Wir müssen einen steinigen Weg zurücklegen. Uns stehen deutliche Einschnitte bevor, deren Auswirkungen auch die Bürgerschaft spüren wird“, kündigte Joachim Scholz an.
Der Wegfall der Gewerbesteuerzahlungen des VW-Konzerns infolge des Abgas-Skandals trifft die Stadt bereits in diesem Haushaltsjahr in vollem Umfang. Die Folge ist eine Deckungslücke im Verwaltungshaushalt von rund acht Millionen Euro. Diese Summe muss die Stadt pro Jahr im laufenden Betrieb einsparen, um sicherzustellen, dass der Verwaltungshaushalt auch über das Jahr 2017 hinaus ausgeglichen werden kann. Darüber hinaus verliert die Stadt durch die angekündigte Standortverlagerung von Lidl Deutschland von 2019 an pro Jahr zusätzlich Gewerbesteuer-zahlungen in zweistelliger Millionenhöhe.
Um den flächendeckenden Konsolidierungsprozess zu steuern, richtet die Stadt eine Haushalts-Konsolidierungskommission ein. Als vorbereitende Arbeitsgruppe wird ein verwaltungsinternes Haushalts-Konsolidierungsteam gebildet. Dieses Team sammelt sämtliche Sparvorschläge aus der Verwaltung und dem Gemeinderat, überprüft die finanziellen, personellen und organisatorischen Folgen und beurteilt die Umsetzbarkeit. Die Konsolidierungskommission berät die so aufbereiteten Vorschläge vor und empfiehlt sie dem Gemeinderat oder dem zuständigen Ausschuss zur Beschlussfassung. Die Kommission sorgt auch dafür, dass die Fraktionen im Vorfeld alle zur Diskussion notwendigen Informationen erhalten. Umgekehrt kann auch der Gemeinderat die Kommission nutzen, um eigene Sparvorschläge einzubringen und vorzubereiten. So wird der Entscheidungsprozess beschleunigt und der Konsolidierungsprozess offen und transparent gestaltet.
Kommissionsmitglieder sind OB Joachim Scholz, Bürgermeisterin Dr. Suzanne Mösel, Hauptamtsleiter Andreas Eschbach, Stadtkämmerer Jürgen Kaufmann, die Persönliche Referentin des OB, Tanja Seiler, und der Personalratsvorsitzende Guido Oetzmann. Die Gemeinderatsfraktionen von CDU und SPD entsenden jeweils zwei, die Freien Wähler, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP jeweils einen Vertreter in die Kommission.
„Die Haushaltskonsolidierung hat allerhöchste Priorität“, unterstrich OB Scholz. „Vor diesem Hintergrund muss die Stadt konsequent zwischen Pflicht- und freiwilligen Aufgaben unterscheiden. Wir müssen abwägen, welche Aufgaben uns wichtig sind, welche Standards wir erhalten wollen und inwieweit wir Aufgaben kostengünstiger erledigen können. Alles muss auf den Prüfstand.“ Die Verwaltung prüft bereits Einsparmöglichkeiten, die im Bereich der freiwilligen Aufgaben sofort umsetzbar sind.
Im Rahmen der finanzwirtschaftlichen Trendumkehr hat die Stadt bereits damit begonnen, alle freiwilligen Aufgaben im Zuge einer umfassenden Aufgabenkritik auf den Prüfstand zu stellen. Erste Vorschläge für Einsparungen und Leistungsreduzierungen wurden im Rahmen der Haushaltsplanung für das laufende Jahr umgesetzt. Die geforderte Aufgabenkritik wird jetzt durch die verfügte Wiederbesetzungssperre verstärkt. Neue Stellen werden grundsätzlich nicht mehr geschaffen. Dies gilt sowohl für die Stadtverwaltung als auch für die Eigenbetriebe Stadtwerke und Freizeitbad „Aquatoll“. Für alle frei werdenden Stellen gilt eine Wiederbesetzungssperre von sechs Monaten. Nach dieser Frist kann die betreffende Stelle nur nach einem Stellenfreigabeverfahren wiederbesetzt werden. Von der sechsmonatigen Sperrfrist ausgenommen sind Stellen, die zum Beispiel aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung zwingend wiederbesetzt werden müssen.
Das Stellenfreigabeverfahren zwingt die Fachämter, sich mit den Stelleninhalten auseinanderzusetzen und die Aufgaben kritisch zu hinterfragen. Ziel ist es, erst alle internen Möglichkeiten zu prüfen, bevor eine Stelle extern neu ausgeschrieben wird. Eine zur Wiederbesetzung freigegebene Stelle soll vorrangig mit einem internen Bewerber besetzt werden. Erst wenn kein geeigneter interner Bewerber zur Verfügung steht, kommt die externe Besetzung als letzte Variante zum Tragen.
Als weitere Sofortmaßnahme neben Einstellungsstopp und Wiederbesetzungssperre löst die Stadt jetzt Haushaltsausgabereste auf, soweit sie nicht für bereits laufende Investitionsmaßnahmen benötigt werden. Diese nicht verwendeten Haushaltsmittel verbessern das Rechnungsergebnis 2015.
Als kurzfristige Maßnahme werden die Mittelanmeldungen für den Haushalt 2016 überprüft und reduziert. Vorgesehene Projekte werden auf Maßnahmen beschränkt, die dringend notwendig sind. Über die Priorität von neuen Investitionen entscheidet der Gemeinderat im Zuge der Haushaltsvorberatungen. Als Beratungsgrundlage legt die Verwaltung dem Gemeinderat eine Streichliste vor, die eine Priorisierung der Investitionsvorhaben vorschlägt. Stuft der Gemeinderat bestimmte Investitionen als vorrangig ein, sind Darlehen zur Finanzierung nicht ausgeschlossen.
Der Prozess zur wirtschaftlichen Konsolidierung wird auch mittelfristig fortgesetzt. Von diesem eingeschlagenen Weg wollen sich Gemeinderat und Verwaltung nicht abbringen lassen – auch nicht durch eine womöglich unerwartete Gewerbesteuernachzahlung. „Wir haben es nicht mit einem einmaligen Einbruch der Gewerbesteuer zu tun, sondern wir müssen eine langfristige Niveauabsenkung kompensieren“, erläuterte OB Scholz. „Dies ist nur mit einem langfristig wirkenden Konsolidierungsprozess zu bewerkstelligen. Das Sparziel von acht Millionen Euro im laufenden Betrieb bis 2017 hat absolute Priorität. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir Investitionen nachhaltiger und folgekostenorientierter planen und die Betriebs- und Unterhaltungskosten reduzieren. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Haushaltskonsolidierung bis auf weiteres bei allen Entscheidungen an erster Stelle steht.“