Wertheim: „Nicht aus Moskau gesteuert““

„Ein gutes soziales Klima haben wir selbst in der Hand“ – OB ermuntert Bürger zu Mitarbeit, Kontakt und Begegnung
 

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 Wertheim. (pm) Das gestörte Sicherheitsempfinden in der Nachbarschaft der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (LEA) stand am Donnerstabend Im Mittelpunkt der gemeinsamen Sitzung der Stadtteilbeiräte Reinhardshof und Wartberg. Rund 120 Interessierte waren dazu in das Begegnungscafé gekommen. „Ich möchte, dass Sie sich sicher fühlen“, unterstrich Oberbürgermeister Stefan Mikulicz zu Beginn. „Deshalb wollen wir den Dingen heute Abend gemeinsam auf den Grund gehen.“
 
 Im Gegensatz zu einer Gesprächsrunde Anfang Februar im Rathaus folgten nun auch viele der Einladung, die bei der Kundgebung Ende Januar dabei gewesen waren. So entwickelte sich ein guter Austausch, dem weitere folgen sollen.
 
 Die Kundgebung habe sich im Übrigen nicht gegen Flüchtlinge gerichtet, beteuerte ein Redner. „Wir wollten unsere Ängste und Bedenken deutlich machen.“ Es sei „absoluter Unfug, dass wir aus Moskau gelenkt wären. Wir leben hier in Wertheim, wir sind Deutsche“.
 
 OB Mikulicz machte deutlich: „Für ein gutes soziales Klima in Wertheim sind wir als Bürgerschaft selbst verantwortlich“. Es gebe diffuse Ängste und Sorgen, die wollen man ernst nehmen. „Ich will wissen, was Sie bewegt, wie Ihre Erfahrungen sind“. Dem Austausch mit der Bürgerschaft vorangestellt wurden aber zunächst Sachstandsberichte von Lea-Leiter Mirco Göbel und Polizeichef Olaf Bamberger.
 
 Die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes (LEA) habe eine Kapazität für etwa 1.200 Menschen und sei bisher mit höchstens rund 1.100 Flüchtlingen belegt gewesen, so Mirco Göbel. Derzeit lebten etwas mehr als 300 Personen dort, davon – wie immer seit der Eröffnung – etwa ein Drittel Kinder. „Es gab Vorfälle, die sich aber fast alle auf dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung abgespielt haben“, so Göbel. Er erinnerte an eine „Tumultlage“ mit knapp 250 Beteiligten im Dezember, an die kurzzeitige Verlegung von rund 60 Nordafrikanern, überwiegend Algeriern, im Januar. Er erinnerte aber auch daran, dass vor wenigen Wochen ein sogenannter „Rauchtopf“ von zwei Personen, die dafür eigens über den Zaun geklettert seien, an ein Haus geworfen wurde. „Die wollten Angst und Schrecken verbreiten.“ Der Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung rief die Besucher der Veranstaltung auf, „nur wenn Sie ganz klar formulieren, was Sie bedrückt, können wir gemeinsam etwas dagegen tun“. Später sagte er, sein von ihm selbst gestellter Auftrag laute, „dass wir das in Wertheim so gut wie möglich hinkriegen“.
 
 Der Leiter des Polizeireviers, Erster Polizeihauptkommissar Olaf Bamberger, bestätigte, wie schon bei anderen Gelegenheiten, dass man vor allem mit Ereignissen innerhalb der Lea beschäftigt sei. „Wir dramatisieren nicht, wir verharmlosen aber auch nicht“, machte er geltend. Außerhalb der Einrichtung habe man es bislang vor allem mit Diebstählen zu tun. „Es wurden bei uns keine Gewalttaten zum Nachteil Wertheimer Bürger angezeigt.“ Bamberger bekräftigte seine schon im Gemeinderat getroffene Aussage: „In Wertheim kann man gut und sicher leben.“
 
 Über die Aktivitäten der Gemeinwesenarbeit von Caritas und Diakonie informierte Alex Schuck. Im Hinblick auf Bedenken wegen Gruppen erwachsener oder jugendlicher Flüchtlinge auf Spielplätzen habe man zum Beispiel seit kurzem eine „WhatsApp-Gruppe“ eingerichtet, über die man ihn und andere Mitstreiter kontaktieren könne. Man werde sich dann darum kümmern. Gerade für die jüngeren LEA-Bewohner gebe es eine ganze Reihe von Projekten, die bereits laufen oder in Vorbereitung sind. Wichtig seien regelmäßige Sportangebote, „damit die jungen Leute sich auspowern können.“ Wer sich hier einbringen wolle, beispielsweise als Leiter einer Laufgruppe, sei herzlich willkommen. Das Begegnungscafé, so kündigte Alex Schuck noch an, sei ab März regelmäßig an zwei Nachmittagen pro Woche geöffnet.
 


(Foto: pm)
 
 „Die Erstaufnahmeeinrichtung ist für viele Flüchtlinge die erste Station in Deutschland“, verdeutlichte Mirco Göbel. Man könne nicht erwarten, dass alle auf Anhieb wüssten, wie sie sich zu verhalten hätten. Deshalb erhalte auch jeder Ankommende ein Informationsblatt mit entsprechenden Hinweisen. Möglichkeiten, auf die LEA-Bewohner einzuwirken, sie wenn nötig zu disziplinieren, gebe es schließlich über den gewählten Flüchtlingsrat, mit dem er sich regelmäßig treffe.
 
 Über die Aufgaben der vom Regierungspräsidium eingesetzten Ombudsleute informierte Susanne Löffler. Vorsitzender Walter Ploch lud zum Besuch der nächsten Sitzung des Stadtteilbeirates Reinhardshof am 15. März an gleicher Stelle.
 
 OB Mikulicz appellierte schließlich „nicht im Hintergrund zu meckern, sondern im Vordergrund tätig zu werden“. Er verwies auf eine schriftliche Zusammenstellung der wichtigsten Ansprechpartner zur Lea, die in der Bürgerversammlung verteilt wurde. „Nutzen Sie diese Kontakte, wenn Sie Fragen haben oder Hinweise geben wollen. Und helfen Sie mit, dass wir hier in Wertheim ein verträgliches Miteinander hinkriegen.“

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