(Foto: pm)
EAN: Besuch des Nahwärmenetzes Heidersbach
Heidersbach. (pm) Der weltweite Klimawandel und die daraus resultierenden negativen Auswirkungen zeigen sich immer deutlicher. Dies ist nicht nur die „offizielle“ Aussage von Wissenschaftlern und Regierungen, sondern es ist vielmehr auch für jeden zu sehen. Leider auch für viele Anwohner in den entsprechenden Katastrophengebieten hautnah und zerstörerisch zu erleben.
Dem Klimawandel begegnen – dafür sind viele Schritte und Maßnahmen notwendig: Einer dieser wichtigen Schritte ist weg von fossilen Brennstoffen, also Erdöl und Erdgas. In unserer Gegend ist rund die Hälfte der emittierten Treibhausgase dem Wärmesektor zuzuordnen, etwa ein Drittel dem Strom- und ein Fünftel dem Verkehrssektor.
Daran ist klar zu sehen, dass der größte Effekt im Wärmesektor zu erreichen ist – und zwar einerseits durch Energieeinsparmaßnahmen und andererseits durch die gleichzeitige Wärmeerzeugung aus regenerativer Energie.
Nahwärmenetze, „befeuert“ von Biogasanlagen, Biomasseheizkesseln und Solarthermie können hier, insbesondere im „Altbestand“, eine gute Lösung sein. Wohnbau-Altbestände sind insbesondere aufgrund ihres höheren Wärmebedarfs interessant für Nahwärmenetze: Benötigt ein älteres Wohnhaus rund 2000 bis 3000 Liter Heizöl, würde ein neu gebautes Haus nur rund 600 Liter verbrauchen.
Im Neckar-Odenwald-Kreis werden aktuell drei Quartierskonzepte umgesetzt: Die Gemeinden Schwarzach, Neunkirchen und Limbach wollen in enger Zusammenarbeit mit der Energieagentur des Neckar-Odenwald-Kreises (EAN) unter Leitung von Uwe Ristl „Quartiere“ in den Gemeinden unter die Lupe nehmen, in denen ein solches Nahwärmenetz sinnvoll wäre.
Es gibt im Landkreis schon verschiedene Gemeinden, in denen ein solches Nahwärmenetz vorbildlich funktioniert. Vor diesem Hintergrund besuchte Uwe Ristl Wohngebäude in Heidersbach. Dieser Ortsteil darf seit 2018 das Prädikat „Bioenergiedorf“ tragen.
Bei einem Bioenergiedorf muss je 50 Prozent der Wärme und des Stroms regional und erneuerbar erzeugt werden. Beim Strom sorgen hier über 50 Photovoltaikanlagen sowie die Biogasanlage dafür, dass der Ort zwei- dreimal so viel Strom erzeugt, wie er selbst benötigen würde.
Die Abwärme der Biogasanlage wird einerseits für den landwirtschaftlichen Betrieb der Familie Hemberger selbst genutzt und zusätzlich über ein Nahwärmenetz (Länge ca. 2.000 m) an verschiedene Wohnhäuser transportiert. Bei erhöhtem Wärmebedarf, z. B. im Winter, sorgt ein Hackschnitzelheizkessel, betrieben mit Holz aus regionaler Herkunft, für klimaneutrale Wärme.
Einer der „mehr als zufriedenen“ Wärmekunden ist die Familie Riehl, angeschlossen mit zwei Wohnhäusern. Die Heizkosten seien nun geringer und man müsse sich „um nichts mehr kümmern“. Noch dazu habe man nun wegen des ausgebauten Öltanks mehr Platz im Keller.
Andreas Hemberger erläuterte, dass aktuell rund 40 Wohnhäuser angeschlossen seien. Durch viel Eigenleistung und intelligente Trassenführung durch Vorgärten habe man die Baukosten recht niedrig halten können. Auch könne man einen sehr attraktiven Wärmepreis anbieten.
Die Vorteile für die Hausbesitzer lägen auf der Hand: Eine sichere Wärmeversorgung, der Wegfall des Öltanks und den Wartungsaufwand auf ein Minimum reduziert, da es nun weder Reparaturen am Heizkessel, noch Wartungsarbeiten am Tank oder dem Kamin gäbe.
Uwe Ristl brachte noch weitere Vorteile ins Spiel: Eine deutlich höhere regionale Wertschöpfung (beim Heizöl geht man davon aus, dass rund 60% ins Ausland abfließen, lediglich 16 Prozent blieben in der Gemeinde; bei Holzhackschnitzel könnten dies 80 Prozent sein), bessere Fördermöglichkeiten bei späteren energetischen Modernisierungsmaßnahmen, wenn die Nahwärme mit erneuerbaren Energien gespeist wird und das gute Gefühl, klimaneutral zu heizen.
Nahwärmenetze könnten jedoch nur wirtschaftlich funktionieren, wenn auf den zu verlegenden Leitungstrassen auch möglichst viele Wärmeabnehmer angeschlossen werden.
Limbachs Bürgermeister Thorsten Weber erläutert: „Wie das Beispiel in unserem Bioenergiedorf Heidersbach zeigt, funktioniert ein Nahwärmenetz mit hoher Kundenzufriedenheit. Auch in Limbach selbst haben wir im Bereich Dorfgemeinschaftshaus, Feuerwehrhaus, Rathaus, Schule und Sporthalle bereits ein Nahwärmenetz. Dieses wollen wir, bei gleichzeitigem Abschied vom fossilen Energieträger Öl, möglichst auch für private Anschlussnehmer öffnen.
Dazu läuft aktuell eine Machbarkeitsstudie, die wir in diesem Jahr abschließen werden. Diese Machbarkeit und einen positiven Gemeinderatsbeschluss vorausgesetzt, soll sich die Umsetzung mit einem Förderantrag für die umfangreichen Investitionen unmittelbar anschließen. Ich bin aktuell optimistisch, dass wir eine Lösung finden, die für potentielle Anschlussnehmer in der finanziellen Gesamtbetrachtung sehr interessant sein wird.
Gleichzeitig könnten wir damit, zusammen mit unserer Bürgerschaft und Betrieben, einen weiteren, wenn auch in der weltweiten Gesamtwirkung sehr kleinen Beitrag zum Klimaschutz leisten.“
Auch in Neunkirchen sollen möglichst viele Bürgerinnen und Bürger für das Vorhaben „Nahwärme für Neunkirchen“ gewonnen werden. Bürgermeister Bernhard Knörzer betonte, dass durch die erfolgreiche Bewerbung seiner Gemeinde mit den Modellvorhaben „100 Prozent Neunkirchen“ die idealen Fördervoraussetzungen für die Gemeinde als Betreiber des Nahwärmenetzes und den zukünftigen Wärmekunden geschaffen werden konnten.
Mit der Wärmeproduktion durch Solarthermie und Holzhackschnitzel aus den eigenen Wäldern will Neunkirchen fast vollständig auf fossile Energieträger verzichten. „Ab Mitte September werden wir in die aktive Kundenwerbung einsteigen“, kündigte Knörzer an.
„In einer umfangreichen Informationsmappe werden dem interessierten Hausbesitzer alle wichtigen Unterlagen, Wärmelieferverträge und Förderanträge, aber auch die wichtigen „Basics“ gut illustriert vorgestellt.“ Offene Fragen könnten dann, so der Bürgermeister, durch weitere Beratungsgespräche eines Fachbüros vor Ort oder telefonisch über das Rathaus geklärt werden.
In beiden Gemeinden werden im Laufe des Herbstes weitere Informationsveranstaltungen stattfinden. Uwe Ristl von der EAN freut sich sehr darüber, dass sich bei den Fördermitteln einiges zum Positiven bewegt hat: Innerhalb der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) können die einmaligen Anschlusskosten an eine Nahwärmeversorgung mit einem Zuschuss oder innerhalb der Kreditförderung mit eine gleichgroßen Tilgungszuschuss gefördert werden. Die Förderquote ist 35 Prozent der anrechenbaren Kosten.
Entfällt eine alte Ölheizung, erhöht sich die Quote um 10 Prozent. Neben den Anschlusskosten können auch die sogenannten Sekundärkosten (z.B. Demontage und Entsorgung alter Kessel und Öltank, Anbindung an bestehende Leitungen oder solarthermische Anlagen u.a.) gefördert werden – somit also alles, was notwendig ist, damit die neue Heizung vorschriftengemäß läuft. Zusammen mit den weiteren Vorteilen ist ein Nahwärmeanschluss eine riesige Chance, sich heizungstechnisch auf eine nachhaltige Zukunft einzulassen.