Städetetagsdezernent Norbert Brugger. (Foto: Liane Merkle)
Adelsheim. (lm) „Zwei Anmerkungen habe ich vor meinem Referat: Erstens habe ich keine Mission der Überzeugung für oder gegen unechte Teilortswahl (UTW), sondern nur die Aufgabe der Aufklärung. Und zweitens ist heute Abend nur wichtig, wie Sie weiter verfahren möchten, und nicht, ob die UTW in der Vergangenheit gut oder schlecht war“, so Städetetagsdezernent Norbert Brugger zu Beginn seiner Ausführungen in der Adelsheimer Martin-von-Adelsheim-Schule zu dem Thema, das derzeit nahezu alle Gemeinden im Neckar-Odenwald-Kreis in Vorbereitung der Kommunalwahlen 2024 beschäftigt.
Zur Historie dieser in Baden-Württemberg einmaligen Regelung, die im Zuge der Gemeindereform in den 70-er Jahren festgelegt wurde, merkte er an, dass sie damals durchaus ihre Berechtigung hatte und bei Übernahme in die Gemeindesatzung auch für mindestens zehn Jahre Bestand haben musste. Schließlich wurden damals rund 3.300 Gemeinden auf ein Drittel geschrumpft und zwei Drittel verloren ihre Selbstständigkeit und sollten so zunächst ihre Vertretung im Gemeinderat garantiert haben.
Jedoch sollte heute, weitere 40 Jahre später, das Zusammenwachsen der Gemeinden – wie dies nachweislich auch in Adelsheim und seinen Ortsteilen Leibenstadt und Sennfeld der Fall ist – gelungen sein und jeder Gemeinderat sich für die ganze Stadt verantwortlich fühlt – wie es auch seine Aufgabe ist.
Leider war dieses besondere Angebot der Aufklärung nur etwa 20 Bürgerinnen und Bürgern wichtig, doch Bürgermeister Wolfram Bernhardt nahm dies gelassen und freute sich über die Anwesenheit jedes Einzelnen, schließlich sei auch die Einwohnerversammlung zum gleichen Thema im viel größeren Tauberbischofsheim – trotz derer aktuellen Krise – mit 70 Interessierten bei nur 0,5 Prozent der Einwohner gewesen.
Er sei stolz, dass mit Nobert Brugger ein verständlicher Referent zur Erklärung des Themas vom Städtetag geschickt worden sei. Und verstanden wurden die Ausführungen sehr schnell wie die lebhafte und ausschließlich sachbezogene Diskussion – schon während des Referats – zeigte.
Zunächst erläuterte Brugger die Wahlmöglichkeiten, denn bei der unechten Teilortswahl geben alle Wahlberechtigten ihre Stimmen für Bewerber in allen Teilorten ab, wobei es möglicherweise noch Ausgleichssitze aufgrund von Differenzen zwischen Wohnbezirksergebnissen und Gesamtergebnis der Gemeinde gibt. So könnte die Anzahl der Gemeinderäte sich nahezu verdoppeln. Außerdem sollte die Relation von Sitzen und Einwohnerzahl vor jeder Kommunalwahl geprüft und falls nötig, in der Hauptsatzung korrigiert werden, um zu vermeiden, dass die Wahl – wie in Tauberbischofsheim geschehen – für ungültig erklärt wird.
Alternativ könnte man eine Wahl ohne Wahlbezirke durchführen, bei der alle Wahlberechtigten ihre Stimmen für alle Bewerber abgeben könnten, was er selbst als einfachste, Fehler minimierendste und demokratischste Variante ansah.
Und schließlich gäbe es noch die echte Teilortswahl, wie sie zum Beispiel bei Kreistagswahlen praktiziert werde und wobei in Wahlbezirke aufgeteilt, die Wahlberechtigten eines Wahlbezirks nur unter den BewerberInnen dieses Wahlbezirks wählen können.
2019 standen der Kernstadt neun, Sennfeld vier und Leibenstadt zwei Sitze im Gremium zu. Dazu kommen aufgrund des komplizierten Wahlsystems viele Ausgleichssitze. Adelsheim ist mit 60 Prozent deutlich unterrepräsentiert, da 70,7 Prozent der Einwohner aus der Kernstadt kommen. Sennfeld war minimal mit 1,1 Prozent etwas stärker vertreten und in Leibenstadt stimmte das Verhältnis um 6,6 Prozent nicht.
Norbert Brugger sprach zu diesem Thema auch die Wahlbeteiligung an, die erfahrungsgemäß größer ist, je kleiner der Ortsteil. So auch in Adelsheim wo 2019 Leibenstadt auf 64 Prozent stolz sein konnte, Sennfeld auf 55 Prozent und Adelsheim auf etwas über 40.
Bei Abschaffung der unechten Teilortswahl würde sich diese Statistik nicht nur positiv auf die Vertretung der kleineren Ortsteile auswirken, sondern das Wahlrecht auch weniger einschränken und um eine nicht unerhebliche Zahl an ungültigen Stimmzetteln reduzieren. Denn das Wahlverfahren wird durch die UTW deutlich komplizierter, was zu vielen ungültigen Stimmzetteln führt.
Laut einer Erfassung des Städtetags wählen immer weniger Kommunen unecht. Nutzten 1989 noch 680 Gemeinden dieses Wahlverfahren, hatten sich bis 2019 fast 300 Kommunen von der unechten Teilortswahl verabschiedet.
Sollten sich die Adelsheimer für diesen „Abschied“ entscheiden, wäre die Kernstadt bei der Gemeinderatswahl 2019 von 15 Politiker vertreten, während es aktuell neun Sitze gibt. Sennfeld würde sieben, statt viet und Leibenstadt fünf anstelle der zwei Sitze.
Was jedoch 2024 je nach verfügbaren Bewerbern ganz anders aussehen könnte, da es aufgefallen der UTW immer viele Ausgleichssitze gibt.
Bürgermeister Wolfram Bernhardt outete sich in seinem Schlussplädoyer klar für die Abschaffung der unechten Teilortswahl: „Ich unterstütze die Abschaffung der unechten Teilortswahl aus mehreren Gründen. Zum einen, weil es das Wahlverfahren erleichtert und so hoffentlich die Wahlbeteiligung erhöht und auch die Zahl der ungültigen Stimmzettel reduziert wird. Zum anderen, weil ein Ortsteildenken im Adelsheimer Gemeinderat ohnehin nicht existiert, sondern das Wohl der Gesamtgemeinde im Vordergrund steht.
Wenn die Mitglieder des Gemeinderats von allen Bewohnern aller Ortsteile gewählt werden können, wird diese Verpflichtung allen Einwohnern gegenüber noch weiter zum Ausdruck gebracht.“
Das Stadtoberhaupt erläuterte weiter, dass man in den nächsten Sitzungen im Ortschaftsrat Leibenstadt sowie in den Ausschüssen Sennfeld und Adelsheim das Gehörte ausführlich diskutieren werde und hoffte auf eine gute und finale Entscheidung des Gemeinderatsgremiums in der Juli-Sitzung.
