
Bei einem Fliegerangriff gegen Ende des zweiten Weltkriegs wurde Neckargerach am 22. März 1945 schwer getroffen. (Foto: pm)
Neckargerach. (pm) Zum Gedenken am 80. Jahrestag der verheerenden Fliegerangriffe auf die kleine Neckartalgemeinde fand am Samstag, 22. März eine Gedenkfeier in der Kirche St. Afra in Neckargerach statt. Bürger und Gäste gedachten bei einem ökumenischen Gottesdienst den Opfern des Bombardements.
Wie jedes Jahr läuteten die Glocken der evangelischen und der katholischen Kirche sowie die Rathausglocke zum Zeitpunkt des damaligen Fliegerangriffes gemeinsam. Im Gedenken an jenen schicksalhaften Tag für Neckargerach, an dem es Bomben regnete, jenen Tag, an dem 220 Menschen ihr Leben verloren, das Dorf in Schutt und Asche lag. Parallel fand ein Kindergottesdienst statt.
Anschließend trafen sich die Teilnehmer auf dem Ehrenfriedhof in Neckargerach, wo,für die Opfer der verheerenden Fliegerangriffe gebetet wurde.
In Vorbereitung der Gedenkfeier hatte man sich in Neckargerach viele Gedanken über das Programm und natürlich auch die Geschehnisse von einst und in der Folgezeit gemacht. So berichtete Alt-Bürgermeister Peter Kirchesch, dass das Birkenkreuz schon 1945 auf dem Ehrenfriedhof zum Gedenken errichtet worden war. 1979/1980 habe man den Gedenkfriedhof mit Gedenksteinen (Sandsteine) neugestaltet. Bürgermeister Norman Link erwähnte, dass die Gedenksteine restauriert wurden.
(Foto: pm)
Zeitzeuge Linus Fuchs, der im vergangenen Jahr verstarb, erlebte dem Angriff am 22. März 1945 als Zehnjähriger. Nach seinen Erinnerrungen fiel „die erste Bombe im Kirchgartenweg“ in der Nähe des Neckars.
Linus Fuchs: „Ich war unmittelbar nach dem Mittagessen mit meiner Schwester Wilma zum Spielen vors Haus gegangen. Ein Bombengeschwader kam in Formation aus Richtung Guttenbach angeflogen, wir zählten die Flieger. Plötzlich löste sich aus den Flugzeugen etwas Tropfenförmiges – es waren Bomben.“ Die Mutter habe ihn und seine Schwester dann schnell in den Keller geholt.
Die erste Bombe sei dann etwa 35 Meter entfernt in einen stattlichen Kirschbaum geflogen, von dem außer einem großen Bombentrichter nichts mehr übrigblieb. Die Hauptmasse der Bomben zerstörte Linus Fuchs zufolge etwa 300 Meter weiter einen großen Teil des Dorfes.
Weitere Bombenangriffe folgten etwa 20 Minuten später und machten den Ort fast dem Erdboden gleich. Es gab mehr als 200 Tote. „Den zweiten Fliegerangriff überlebten wir in einem nahe gelegenen Kriegsbunker“, schildert Zeitzeuge Fuchs. Insgesamt sechs Kriegsbunker habe es in Neckargerach gegeben.
Das Elternhaus von Linus Fuchs gibt es auch 80 Jahre nach den Angriffen noch. Heute lebt sein Neffe Franz Fuchs in diesem Haus. In unmittelbarer Nähe hatte die erste Fliegerbombe eingeschlagen, im Nachbargrundstück von Kilian Link hinterließ sie einen großen Krater.
(Foto: pm)
Nach den Recherchen von Ludwig Herbold flogen damals zwei Staffeln mit je 16 Flugzeugen des Typs B-26 „Marauder“ mit einem Führungsflugzeug als Zielmarkierer auf Neckargerach zu, um ihre tödliche Bombenlast abzuwerfen. Franz Fuchs berichtete aus Erzählungen, wonach ein Bombensplitter direkt am Kopf seiner Großmutter vorbeigeflogen sein soll, den man später auch auf dem Grundstück im Kirchgartenweg gefunden hat.
Peter Kirchesch „erlebte“ den Angriff im Mutterleib. In unmittelbarer Nähe seines Elternhauses schlugen zwei Bomben ein, die die beiden Bäckereien Bernhard und Lorenz, in der Nähe des Neckargeracher Rathaues, dem Erdboden gleich machten und das Dach der evangelischen Kirche sowie Teile des Kirchenschiffes zerstörten.
„Meine Familie und ich können uns wirklich überglücklich schätzen, dass die Bomben nicht 50 Meter zuvor auf der Erde landeten. Sonst hätten sie unser Elternhaus ausgelöscht“, so Kirchesch (79) anlässlich des Gedenktags.
Nach dem 22. März 1945 war in Neckargerach nichts mehr war wie zuvor. Es war der Tag, an dem wenige Meter oder Zentimeter über Leben und Tod entschieden hatten.