
(Foto: Max Damm)
Sexualität im Alter: Zwischen Tabu und Aufbruch
(pm) Am Dienstag, den 10. Juni, um 22:15 Uhr, zeigt das ZDF, im Rahmen der Sendereihe 37° den Film „Weiblich, Ü50, viele Liebhaber“, von Regisseur Max Damm, der in Eberbach geboren und aufgewachsen ist.
In dem Film werden ältere Frauen und deren offen gelebte Sexualität thematisiert – für viele bleibt das ein gesellschaftliches Tabu. Doch genau hier findet derzeit ein Wandel statt: Noch nie zuvor konnte eine Generation von Frauen über 50 in so großer Zahl ihre Sexualität selbstbestimmt, offen und finanziell unabhängig leben. Was wir gerade erleben, ist ein historischer Präzedenzfall. Dennoch ruft weibliche Lust, besonders im Alter, weiterhin Irritation hervor. Wenn ältere Frauen offen mit ihrer Sexualität umgehen, scheint das Tabu umso größer zu sein.
Lustvoll gegen die Norm
Der Film „Weiblich, Ü50, viele Liebhaber“ von Max Damm, der in Eberbach aufgewachsen ist, begleitet drei Frauen, die genau diesen gesellschaftlichen Normen trotzen. Sie leben ihre Sexualität mit wechselnden Partnern – und sprechen offen darüber. Was viele provoziert, ist für sie ganz selbstverständlich. Warum auch nicht? Was bewegt diese Frauen? Was bedeutet dieser Bruch mit Konventionen für ihr Leben? Und beginnt das Leben vielleicht wirklich erst mit Mitte fünfzig?
Christiane: Ärztin, Mutter, Swingerin
Christiane ist 62, Ärztin und besucht regelmäßig Swingerclubs. Auf die Frage, was sie sich von einem solchen Abend erhofft, antwortet sie lachend: „Viele Männer.“ Der Film begleitet sie hautnah bei einem Clubbesuch, aber auch darüber hinaus – bei einem Hotel-Date, im privaten Umfeld und im Gespräch mit ihrer Familie. Wie gehen ihre Kinder damit um, dass ihre Mutter so offen über Sexualität spricht? Und was sagt eigentlich ihr Mann dazu?
Dabei kratzt der Film nicht an der Oberfläche, sondern blickt tiefer: Was gibt ihr diese Form der Sexualität? Was bedeutet es für eine Frau ihres Alters, sich so frei zu erleben? Und warum löst genau das bei anderen so viel Irritation aus?
Lio: Selbstfindung in der sex-positiven Szene
Auch Lio, 58, lebt heute offen und vielfältig. Das war nicht immer so – ihre Reise war lang und nicht ohne innere Kämpfe. Heute ist sie Single, datet Männer und Frauen, hat mehrere Affären und ist fester Teil der sex-positiven Szene Berlins.
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Abonnieren Sie kostenlos unserenDer Film begleitet sie in den KitKatClub, beim Styling fürs nächste Kinky-Event und im Gespräch mit ihrer Tochter Johanna, die über den Wandel ihrer Mutter staunt. „Du hättest auch eine richtig gute Muddi werden können“, sagt sie lachend beim Blick auf alte Fotos.
Lio hat gelernt, sich selbst zu erlauben, was früher undenkbar schien. Heute ist sie angekommen – nicht als Provokation, sondern als Frau, die ihre Wahrheit lebt.
Sandra: Lust als Selbsterkenntnis
Für Sandra war der Weg zur selbstbestimmten Sexualität ein Prozess der Selbsterkenntnis. Nach einschneidenden Lebensereignissen stellte sie sich die Frage: Was will ich wirklich? Offen spricht sie über ihre Ängste, über gesellschaftliche Reaktionen und darüber, wie es ist, sich in einem Film zu zeigen, der ihre Sexualität thematisiert. Der Film begleitet sie zu einem „Wunschberührungsabend“ und bei einem intimen Date – stets sensibel und respektvoll.
„Es geht mir nicht darum, möglichst viele Männer zu haben“, sagt sie. „Es geht darum, mich selbst kennenzulernen.“ Und doch stellt sie sich ganz realen Fragen: Wie wird ihr Umfeld reagieren? Was passiert, wenn sie beim nächsten Mal im Supermarkt erkannt wird?
Der Perspektivwechsel
Max Damms Film ist mehr als eine Dokumentation über gelebte Sexualität im Alter. Er hinterfragt Rollenbilder, Normen und das weibliche Lustnarrativ in einer jugendfixierten Gesellschaft. Dabei wird auch reflektiert, dass ein Mann diesen Film gemacht hat – und was das bedeutet.
Es geht um mehr als um Sex. Es geht um Selbstbestimmung, um Sichtbarkeit, um Schamgrenzen und gesellschaftliche Doppelmoral. Der Film zeigt: Weibliche Lust ist immer noch politisch – besonders, wenn sie aus dem Mund einer älteren Frau kommt.
Lust kennt kein Verfallsdatum
Was bleibt? Vielleicht die Erkenntnis, dass es nie zu spät ist, sich selbst neu zu entdecken. Und dass unsere Vorstellung von Weiblichkeit, Lust und Normalität längst ein Update braucht.