Neue Unterkunft in Tauberbischofsheim wird sofort nahezu voll belegt sein – Ehemalige Klinik in Bad Mergentheim erstmals komplett ausgelastet
Landrat Reinhard Frank ließ sich jetzt die neue Gemeinschaftsunterkunft in Tauberbischofsheim zeigen und über die bevorstehende Belegung informieren (von links): Landrat Frank, Eingliederungsamtsleiter Peter Bernhardt, Sozialdezernentin Elisabeth Krug und Eigenbetriebsleiter Benjamin Schneider, der für die Immobilien des Landkreises verantwortlich zeichnet. (Foto: pm)
Tauberbischofsheim. (pm) Das Landratsamt Main-Tauber-Kreis hat eine neue Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Tauberbischofsheim fertig gestellt. Im kreiseigenen Gebäude Museumstraße 1 wurden 40 Plätze eingerichtet. Gleichwohl steht die Landkreisverwaltung unter hohem Druck, weitere Unterkünfte bereitzustellen. Die Landkreisverwaltung brauche nun dringend schnelle Lösungen, erklärt Landrat Reinhard Frank.
In dem Gebäude in der Museumstraße war bisher das Jugendamt untergebracht. Allerdings war das Gebäude inzwischen zu klein für das Amt und zudem sanierungsbedürftig. Das Jugendamt, eine Abteilung des Landratsamtes, ist deshalb vorübergehend in ein früheres Kasernengebäude auf dem Tauberbischofsheimer Laurentiusberg gezogen. Damit konnte das Jugendamtsgebäude in den vergangenen Monaten soweit hergerichtet werden, dass es als Gemeinschaftsunterkunft genutzt werden kann. Unter anderem wurden Duschen und Küchen eingebaut sowie ein Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss und ein Büro für die zuständigen Mitarbeiter der Kreisverwaltung eingerichtet. Aus den bisherigen Büroräumen des Jugendamtes wurden Schlafräume. Hier werden ab dem 31. März zunächst 38 Menschen aus dem Kosovo (sieben Personen) und Albanien (zwei) sowie aus den afrikanischen Staaten Nigeria (acht Personen), Kamerun (sieben Personen), Togo, Gambia (jeweils sechs Personen) und Somalia (zwei Personen) untergebracht.
Gleichzeitig laufen in der Albert-Schweizer-Straße in Tauberbischofsheim die Vorbereitungen, um auch das Gebäude der ehemaligen Standortverwaltung der Bundeswehr als Gemeinschaftsunterkunft zu nutzen. Hier werden 63 Plätze eingerichtet. Die Fertigstellung ist für 1. Juli geplant. Damit stehen künftig im Stadtgebiet von Tauberbischofsheim dauerhaft 100 Plätze zur Verfügung, die dezentral auf zwei mittelgroße Einrichtungen verteilt sind. „Damit werden wir sowohl den Vorstellungen von Gemeinderat und Stadtverwaltung als auch den Vorgaben des Flüchtlingsaufnahmegesetzes gerecht“, sagt Landrat Reinhard Frank. Das Gesetz sieht vor, dass in fußläufiger Entfernung zu den Gemeinschaftsunterkünften die notwendigen Infrastruktureinrichtungen wie Einkaufsmöglichkeiten, Arztpraxen und ÖPNV-Anschluss verfügbar sein müssen. Aktuell betreibt der Landkreis zudem noch eine Gemeinschaftsunterkunft in der ehemaligen Kaserne in Tauberbischofsheim mit 54 Plätzen.
Die Entwicklung der Flüchtlingsströme spitzt sich derweil weiter dramatisch zu. Aufgrund zahlreicher Konflikte, Notsituationen und bürgerkriegsähnlicher Zustände in ihren Heimatländern streben so viele Flüchtlinge in die Europäische Union und nach Deutschland wie seit Mitte der 1990-er Jahre nicht mehr. In Baden-Württemberg sind alle Land- und Stadtkreise gesetzlich verpflichtet, nach einem Berechnungsschlüssel Menschen aufzunehmen und in Gemeinschaftsunterkünften zu versorgen. In den Jahren 2005 bis 2011 wurden dem Main-Tauber-Kreis jeweils zwischen 32 und 68 Menschen zugewiesen. Danach stiegen die Zahlen sprunghaft an: 2012 wies das Land Baden-Württemberg dem Main-Tauber-Kreis 90 Flüchtlinge zu, 2013 bereits 154. 2014 stieg die Zahl im Vorjahresvergleich um mehr als das Doppelte auf 354. Für 2015 geht die Kreisverwaltung nach neuesten Prognosen davon aus, dass mindestens 500 Menschen aufgenommen werden müssen. Das sind noch einmal 100 Personen mehr als bisher erwartet.
Dementsprechend fieberhaft sucht die Landkreisverwaltung nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten. In Bad Mergentheim wurden die Kapazitäten auf dem kreiseigenen Areal Zwischen den Bächen/Wachbacher Straße von 135 auf 165 Plätze erhöht, die voll belegt sind. Zudem wurde eine ehemalige Klinik in Bad Mergentheim angemietet, die 120 Plätze bietet. Ende November 2014 eröffnet, ist diese inzwischen fast komplett ausgelastet. Hier leben 112 Menschen aus dem Kosovo (53 Personen), Syrien (19), Gambia (acht), Somalia (sieben), Serbien (sechs), Mazedonien (vier), Georgien (drei), Afghanistan, Kamerun, dem Libanon, Nigeria, der Russischen Föderation (jeweils zwei), Togo sowie ohne Herkunftsangabe (jeweils eine Person). Voll belegt sind auch die Einrichtungen in Külsheim (60 Plätze), in Lauda-Königshofen (28 Plätze) und die Interims-Unterkunft auf dem Tauberbischofsheimer Laurentiusberg (54 Plätze).
Die neue Unterkunft in der Tauberbischofsheimer Museumsstraße wird nun ab dem Tag der Eröffnung nahezu voll belegt sein, so dass schnellstmöglich das Gebäude der Standortverwaltung für das nächste Flüchtlingskontingent fertig gestellt werden muss. Gleichzeitig laufen in Lauda-Königshofen und Wertheim die Vorbereitungen zur Einrichtung neuer Gemeinschaftsunterkünfte. „Wir sind nun dringend auf schnelle Lösungen angewiesen“, sagt Landrat Reinhard Frank. „Es ist absehbar, dass bereits im Sommer bis im Herbst dieses Jahres kreisweit mindestens 100 Plätze für die Gemeinschaftsunterbringung fehlen werden. Derzeit ist nicht auszuschließen, dass Flüchtlinge interimsweise in Turnhallen oder Zelten untergebracht werden müssen, wie es in anderen Kreisen leider bereits der Fall ist.“ Besonders wichtig sei es, dass in Wertheim, der wirtschaftsstärksten und zweitgrößten Stadt im Landkreis, entsprechende Kontingente geschaffen werden können. Der erste Schritt sei der schnellstmögliche Neubau einer Gemeinschaftsunterkunft auf dem Reinhardshof. Die Stadtverwaltung Wertheim hatte dem Kreis das städtische Grundstück für diesen Zweck angeboten.
Die nackten Zahlen zeigen, dass in den 1990-er Jahren noch mehr Menschen als aktuell im Main-Tauber-Kreis untergebracht wurden. „Allerdings bestanden damals ganz andere gesetzliche Voraussetzungen“, sagt der Landrat. Zum einen würden heute – wie überall – viel schärfere Anforderungen an den Brandschutz gestellt. Zum anderen stellt das neue Flüchtlingsaufnahmegesetz viel höhere Anforderungen an eine integrationsfreundliche Infrastruktur im Umfeld der Gemeinschaftsunterkunft. „Das leer stehende Gasthaus in einem kleinen Ortsteil, das nur über ein Holztreppenhaus verfügt, scheidet heute kategorisch aus, während man solche Objekte vor 20 Jahren noch problemlos und im Einklang mit allen damals geltenden Vorschriften nutzen konnte“, machte der Landrat deutlich. Es seien nicht nur die hohen Flüchtlingszahlen, sondern vor allem die gestiegenen Anforderungen, welche die Unterkunftssuche so schwierig machten.
In diesem Zusammenhang appelliert der Landrat nochmals an alle Bürgermeister im Kreisgebiet, an die Kirchen und generell an alle Immobilieneigentümer, dem Landratsamt möglicherweise geeignete Objekte anzubieten. Insbesondere die Städte und Gemeinden seien nun auch gefordert, in eigener Verantwortung Plätze für die kommunale Anschlussunterbringung zu schaffen. Die Unterbringung in den Gemeinschaftseinrichtungen des Landkreises ist für jeden Flüchtling gesetzlich auf die Verfahrensdauer, aber maximal 24 Monate begrenzt. Danach werden die Flüchtlinge gemäß dem Anteil der jeweiligen Kommunen an der Landkreisbevölkerung auf die Städte und Gemeinden verteilt. Diese müssen entsprechende Einzelwohnungen zur Verfügung stellen. Voraussichtlich werden im Jahr 2015 insgesamt 150 Menschen in die kommunale Anschlussunterbringung wechseln, womit die Städte und Gemeinden zwischen zwei (Assamstadt) und 26 (Bad Mergentheim, Wertheim) Personen aufnehmen müssen. Mit der kommunalen Anschlussunterbringung will das Gesetz die zeitlich befristete oder auch langfristige Integration und Lebensperspektive sicherstellen. Landrat Frank hat jetzt allen Bürgermeistern und Oberbürgermeistern das für ihre jeweilige Kommune verpflichtend vorgesehene Kontingent mitgeteilt. „Damit kommt die Herausforderung Flüchtlingsstrom zwar mit zeitlicher Verzögerung, aber dennoch unausweichlich bei allen Städten und Gemeinden an“, sagt der Landrat. Die Kommunen könnten für den Bau geeigneter Wohnungen auch das Förderprogramm des Landes Baden-Württemberg nutzen.