Notfallpraxis Buchen bleibt geschlossen

(Symbolbild – Pixabay)

„KV hat nach Gründen gesucht“ – „Schließung verletzt Notfallversorgung“

Buchen. (pm) Die allgemeine Notfallpraxis in Buchen wird nicht mehr geöffnet, teilt die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) heute mit. Sie war bereits Ende Oktober letzten Jahres geschlossen worden (NZ berichtete). Die Notfallpraxis Mosbach steht für die Versorgung zur Verfügung.

Angesichts von mehr als 1.000 offenen Arztsitzen ist eine Überprüfung der Strukturen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes unumgänglich, um die Regelversorgung – also die wohnortnahe haus- und fachärztliche Versorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte – zu stabilisieren. Hier sind die Engpässe größer geworden.

Allein im Neckar-Odenwaldkreis sind heute bereits 22 Hausarztsitze nicht besetzt. Das hat auch Auswirkungen auf den Bereitschaftsdienst, da weniger Ärztinnen und Ärzte für die Dienste zur Verfügung stehen. Verstärkt wird diese Entwicklung noch durch den Trend zur Anstellung von Ärzten in einer Praxis, der stark zugenommen hat. Denn die Dienstverpflichtung liegt beim anstellenden Arzt, nicht beim angestellten Arzt.

Weiterhin steht unverändert die Bereitschaftspraxis in Mosbach für die Versorgung in den Abendstunden unter der Woche sowie an den Wochenenden und Feiertagen zur Verfügung. Aus den Erfahrungen der vergangenen Monate und nach einer gründlichen Überprüfung der Inanspruchnahme ist seit Oktober keine Überlastung der Bereitschaftspraxis in Mosbach zu verzeichnen gewesen.

Die Versorgung der Bevölkerung außerhalb der Sprechstundenzeiten im Neckar-Odenwaldkreis ist damit weiterhin gewährleistet, zumal der Fahrdienst, der die medizinisch notwendigen Hausbesuche übernimmt, auch unverändert weitergeführt wird. Der Fahrdienst ist über die 116117 zu erreichen.

Für die Patientinnen und Patienten in den Außenbezir-
ken des Landkreises stehen darüber hinaus die Bereitschaftspraxen in Sinsheim, Bad Friedrichshall, Bad Mergentheim und Eberbach sowie in Heidelberg zur Verfügung.

Die zuständige Vorständin der KVBW, Dr. Doris Reinhardt, sieht zudem ein großes Potenzial für telemedizinische Angebote im Rahmen des Bereitschaftsdienstes für die Patientinnen und Patienten: „Wir reden beim Bereitschaftsdienst ja nicht über medizinische Notfälle oder Notlagen.

Der Bereitschaftsdienst ist nur für eine Überbrückungsbehandlung zuständig, wie etwa bei leichteren Beschwerden, die aber dennoch so
akut sind, dass sie nicht bis zum nächsten Werktag warten können, an dem die Haus- oder Fachärzte wieder Sprechstunde haben.

Wir haben mit docdirekt schon heute unter der Woche tagsüber ein sehr gut funktionierendes telemedizinisches Angebot, das über die docdirekt-App oder die 116117 zu erreichen ist. Ebenso gibt es aktuell bereits an den Wochenenden ein entsprechendes Angebot, das wir nun ausbauen.

Viele Patientinnen und Patienten, die am Wochenende ärztliche Unterstützung benötigen, müssen damit nicht unbedingt in die Notfallpraxis kommen. Eine große Anzahl der Anfragen könnte auch durch eine Videositzung bzw. zunächst durch eine telemedizinische Beratung beantwortet werden.“ Die KVBW wolle hierzu in Kürze weitere Details nennen.

Abonnieren Sie kostenlos unseren  WhatsApp-Kanal.

Großen Wert legte Dr. Reinhardt darauf, dass die Patientinnen und Patienten nicht die Notaufnahmen der Krankenhäuser aufsuchen. „Die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind für die schwer erkrankten Patienten zuständig, bei denen eine stationäre Aufnahme im Raum steht. Wegen leichter Erkrankungen, die unter der Woche vom Haus- oder Facharzt behandelt werden, sollen die Patienten und Patientinnen bitte die Bereitschaftspraxis in Mosbach aufsuchen oder die 116117 anrufen.

Das ist besonders wichtig, um die Kapazitäten in den Notaufnahmen für die dort erforderlichen – oft auch lebensbedrohlichen – Behandlungen freizuhalten.“ Im Klinikum Buchen werde die KV daher ein entsprechendes Schild aufstellen, um die Patientinnen und Patienten auf die Zuständigkeit hinzuweisen.

Gleichzeitig wies Reinhardt darauf hin, dass die Patientinnen und Patienten für die Vermittlung eines Hausbesuchs im ärztlichen Bereitschaftsdienst die 116117 anrufen sollen, nicht die 112. Der Rettungsdienst ist ausschließlich bei lebensbedrohlichen Erkrankungen zu kontaktieren. Keine Veränderung gibt es im kinder- und augenärztlichen Dienst.

Stellungnahme von Landrat Dr. Brötel

(Foto: pm)

Zu der Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, die Notfallpraxis Buchen nicht wieder zu öffnen, sagte Landrat Dr. Achim Brötel heute:

„Mit dieser Entscheidung setzt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Baden-Württemberg ihren bisherigen Kurs zu Lasten der Menschen im ländlichen Raum leider nahtlos fort. 2013 die Bereitschaftsdienstpraxis in Adelsheim, 2024 jetzt die in Buchen. Was wird dann als nächstes geschlossen?

Nach ihrem gesetzlichen Auftrag sind die Kassenärztlichen Vereinigungen für die vertragsärztliche Versorgung zuständig. Dafür haben sie sogar explizit einen Sicherstellungsauftrag. Tatsächlich versteht die KV sich speziell in Baden-Württemberg aber schon seit langem nur noch als Interessenvertreter der Ärzteschaft.

Das wird auch jetzt wieder überdeutlich. In keinem anderen Bundesland findet nämlich ein ähnlicher Kahlschlag im ärztlichen Bereitschaftsdienst wie bei uns statt und das Sozialministerium in Stuttgart, das die Rechtsaufsicht über die KV führt, schaut wie immer tatenlos zu.

Man muss schon noch einmal daran erinnern, was der Auslöser für die jetzige landesweite Schließungswelle war. Es war nämlich die Klage eines Zahnarztes (= andere KV), nicht die eines Hausarztes zur Sozialversicherungspflicht von sog. „Poolärzten“.

Das Bundessozialgericht hat unmissverständlich klargestellt, dass seine Entscheidung lediglich einen singulären Einzelfall betrifft und gerade nicht verallgemeinert werden kann. Gleichwohl nutzt die KV Baden-Württemberg das jetzt für eine willkürliche „Notbremse“ im gesamten Land, um sich des schon lang als lästig empfundenen ärztlichen Bereitschaftsdienstes noch weiter zu entledigen. Patienten sind dabei inzwischen scheinbar egal. Da geht es nur noch um eigene Interessen. In meinen Augen ist das schlicht verantwortungslos.

Ja, wir haben in Deutschland ein Problem mit der haus- und fachärztlichen Versorgung. Immer mehr Arztsitze bleiben leider unbesetzt. Das stellt niemand in Abrede. Allerdings nehmen wir die KV bei Zulassungsfragen bisher auch nicht wirklich als hilfreich wahr. Manchmal wären wir sogar schon froh, wenn sie nicht auch noch schädlich wäre.

Abonnieren Sie kostenlos unseren  WhatsApp-Kanal.

Die Liste der Beispiele dafür wird inzwischen lang und länger. Bisweilen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der ungeliebte Sicherstellungsauftrag bloß noch auf dem Papier besteht. In anderen Bundesländern ist der Ärztemangel auch nicht kleiner als bei uns. Dort suchen die Kassenärztlichen Vereinigungen aber nach Lösungen, die für die Menschen noch verträglich sind.

In Baden-Württemberg hat die KV hingegen nur nach Gründen gesucht, um ein bereits vorher feststehendes Ergebnis nachträglich irgendwie zu legitimieren. Das ist jedenfalls mein Eindruck aus zwei Gesprächsrunden, die wir dazu hatten.

Was bleibt? Die Neckar-Odenwald-Kliniken in Buchen sind das einzige Krankenhaus in Baden-Württemberg, das (aus guten Gründen!) einen Sicherstellungszuschlag erhält. Ausgerechnet dort schließt die KV jetzt aber ihre Bereitschaftsdienstpraxis und verweist ihre Patientinnen und Patienten stattdessen nach Mosbach, Sinsheim, Bad Friedrichshall, Bad Mergentheim, Eberbach und Heidelberg. Das ist ein Armutszeugnis für eine Organisation, die sich in dieser Form in Wirklichkeit schon längst überlebt hat.“

Minister Peter Hauk zur Schließung

(Foto: Ministerium)
Auch Minister Peter Hauk ärgert sich über die Schließung der Praxis in seinem Wahlkreis.

„Die durch die Kassenärztliche Vereinigung geplante Schließung der Notfallpraxis in Buchen ist die Höhe vom Gipfel. Eine Schließung verletzt nicht nur den Sicherstellungsauftrag einer ärztlichen Notfallversorgung, sondern lässt Menschen in unserer ländlichen Region hilflos zurück. Als Landtagsabgeordneter und Minister für den ländlichen Raum ist mir die medizinische Notfallversorgung eine Herzensangelegenheit.

Ich habe deshalb den Sozialminister als oberste Aufsichtsbehörde der Kassenärztlichen Vereinigung direkt über deren verachtendes Handeln informiert und um Überprüfung des Vorgangs gebeten. Eine Schließung ist nicht weder duldbar noch zumutbar!“

Die allgemeine Bereitschaftspraxis in Mosbach hat folgende Öffnungszeiten:

  • Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag: 19 bis 22 Uhr
  • Mittwoch: 13 bis 22 Uhr
  • Wochenende und Feiertag 10 bis 20 Uhr

Umwelt

Von Interesse