Unabsehbare Folgen durch Krankenhausreform

Einblicke in die Neckar-Odenwald-Klinik Buchen
Einblicke in die Neckar-Odenwald-Klinik Buchen

Die Klinikreform aus dem Bundesgesundheitsministerium sorgt für hitzige Debatten. Während die Reform laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach kleine Krankenhäuser wie im Neckar-Odenwald-Kreis sichert, befürchtet Landrat Dr. Achim Brötel Standortschließungen im ländlichen Raum. (Archivbild: pm)

Bundesrat entscheidet über Vermittlungsverfahren

Walldürn. (pm) Die umstrittene Krankenhausstrukturreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, die trotz massiver Kritik im Oktober von der damaligen Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im Bundestag beschlossen wurde, sorgt weiterhin für hitzige Diskussionen. Am Freitag entscheidet der Bundesrat, ob das Gesetz in ein Vermittlungsverfahren geht oder unverändert in Kraft tritt.

Grünen-Antrag: Auswirkungen für Neckar-Odenwald-Kliniken klären

Bereits am 18. Oktober hatte die Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen beantragt, die konkreten Auswirkungen der Reform für die Neckar-Odenwald-Kliniken zu benennen und in den Kreisgremien zu erläutern. Landrat Dr. Achim Brötel, zugleich Präsident des Deutschen Landkreistags, erklärte, dass weder die Geschäftsführung der Kliniken noch die Landkreisverwaltung die notwendigen Berechnungen durchführen können. Grund sei das Fehlen eines zentralen Tools – des sogenannten „Groupers“ – zur Zuordnung von Behandlungsfällen zu den neuen Leistungsgruppen. Dieses Tool, das essenziell für eine Folgenabschätzung ist, wurde vom Bund bislang nicht bereitgestellt.

Sozialministerium bestätigt Kritik

Um die Situation zu klären, wandte sich Brötel an das Sozialministerium Baden-Württemberg. Dieses bestätigte seine Einschätzung in einer schriftlichen Stellungnahme, die Brötel am Montagabend im Kreistagsausschuss für Gesundheit und Soziales in Walldürn präsentierte. Darin heißt es: „Die Folgen und insbesondere die finanziellen Auswirkungen der Krankenhausvergütungsreform können bis zum heutigen Tage leider noch nicht seriös abgeschätzt und berechnet werden.“

Der Bund habe bisher kein geeignetes Tool zur Folgenabschätzung geliefert, und die Fallzuordnung zu den Leistungsgruppen sei weiterhin intransparent. Der „Grouper“ werde voraussichtlich erst im Jahr 2024 zur Verfügung stehen.

„Blindflug der Ampel-Parteien“

Brötel kritisierte die Reform erneut scharf: „Es ist mir völlig unbegreiflich, wie Bundestagsabgeordnete ein Gesetz beschließen können, von dem niemand auf der Welt weiß, was es später für Auswirkungen haben wird.“ Er bezeichnete das Vorgehen der Bundesregierung als „unverantwortlichen Blindflug“, der die Krankenhausversorgung, besonders im ländlichen Raum, gefährde. Der Gesetzesbeschluss erfolgte ohne belastbare Folgenabschätzung, während das zentrale Bewertungstool erst nach Inkrafttreten des Gesetzes bereitgestellt werden soll.

SPD, Grüne und FDP hätten „mit Ansage die ‚Katze im Sack‘ gekauft“, so Brötel weiter. Besonders für ländliche Krankenhäuser sei die Reform ein massiver Rückschlag, da die politisch gewollte Abschaffung bestimmter Behandlungsangebote ihre Existenz gefährde. „Wer während der Pandemie noch Beifall geklatscht hat, heute aber dieselben Krankenhäuser aufs Spiel setzt, muss sich fragen lassen, mit welchem Selbstverständnis sie oder er überhaupt in der Politik tätig ist.“

DKG: „Flächendeckende Versorgung in Gefahr“

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kommt in einer eigenen Analyse gemeinsam mit der Vebeto GmbH zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Reform gefährde die flächendeckende Gesundheitsversorgung in Deutschland massiv. Besonders betroffen seien Standorte in ohnehin unterversorgten Regionen. Anders als von Lauterbach behauptet, sichere die Reform nicht die Existenz ländlicher Krankenhäuser.

Stattdessen könnten kleinere und mittelgroßen Kliniken ihre Erlösverluste durch den Wegfall komplexerer Behandlungsangebote nicht ausgleichen. Die Vorhaltefinanzierung decke die dringend benötigten Strukturkosten nicht ab. Dies führe zu weiteren Abteilungs- und Standortschließungen.

„Bund plant ohne Länder und ignoriert Kritik“

„Dass alles das den Bund offenbar überhaupt nicht interessiert, ist extrem frustrierend“, erklärte Brötel angesichts der DKG-Studie. Zugleich kritisierte er, dass der Bund die Länder bei der Gesetzgebung bewusst umging, obwohl die Krankenhausplanung laut Grundgesetz in deren Kompetenzbereich fällt. Der Gesetzentwurf wurde so gestaltet, dass keine Zustimmungspflicht im Bundesrat besteht.

Für Brötel bleibt der Ausgang der Bundesratssitzung am Freitag ungewiss, da SPD-geführte Bundesländer trotz anfänglicher Kritik offenbar parteipolitisch unter Druck gesetzt werden, dem Gesetz zuzustimmen. Dennoch wolle man für die Neckar-Odenwald-Kliniken weiterkämpfen: „Da geht es um unsere Zukunft. Und: Diese Zukunft werden wir uns nicht von Menschen nehmen lassen, die vielleicht eine wissenschaftliche Expertise, aber von der Lebenswirklichkeit vor Ort schlicht keine Ahnung haben.“

Umwelt

Von Interesse