
(Foto: Brauch-Dylla)
Ein bewegender Besuch in der JVA Adelsheim
Adelsheim. (kbd) In der Justizvollzugsanstalt Adelsheim herrschte konzentrierte Stille, als Ex-Profi Uli Borowka vor rund 30 jugendlichen Strafgefangenen seinen „Lebensbericht“ vortrug. Der frühere Bundesliga-Spieler las das erste Kapitel seiner Autobiografie „Volle Pulle“ und konfrontierte die Zuhörer mit den tiefsten Abgründen seiner Vergangenheit. Der Satz „Mein Name ist Uli Borowka, und ich werde mir jetzt das Leben nehmen“ markierte den emotionalen Höhepunkt einer schonungslosen Beichte.
Der Besuch fand im Rahmen der Initiative „Anstoß für ein neues Leben“ der DFB-Stiftung Sepp Herberger statt, bei der Borowka seit zwei Jahren als Präventionsberater tätig ist. Dr. Nikolas Blanke begrüßte den Gast im Namen der JVA-Leitung und dankte Freizeitpädagogin Tamara Scherer sowie dem Sportteam für die Organisation.
Vom Titelhelden zum Suchtopfer
Uli Borowka, 1962 im Sauerland geboren, spielte 16 Jahre in der Bundesliga für Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen, gewann Meisterschaften und Pokale und trug sechsmal das Nationaltrikot. Hinter der glanzvollen Karriere jedoch führte er ein Leben im Alkoholrausch. Offen gestand er: „Ich habe meine gesamte Karriere durchgesoffen.“ Bier, Wodka, Whisky, Schmerztabletten – täglich, jahrelang. Trainer und Funktionäre schauten weg, solange er Leistung brachte.
Der Absturz kam unerbittlich: Nach Erfolgen in Europa stürzte Borowka in Alkohol, Gewalt und Verzweiflung. Scheidung, Schulden, völliger Zusammenbruch. Erst die Hilfe alter Weggefährten brachte ihn in eine Suchtklinik. Der Entzug wurde zum Wendepunkt. Seit März 2000 ist er trocken. „Jeder Tag in Nüchternheit ist mir mehr wert als jeder Titel.“
Vom Süchtigen zum Botschafter
Heute arbeitet Borowka als ausgebildeter Suchtberater und Präventionsbotschafter der Sepp-Herberger-Stiftung. Mit Lesungen und Vorträgen ermutigt er andere, Hilfe anzunehmen. „Manche haben mir geschrieben, dass sie nach meinem Buch den Mut zur Therapie gefunden haben“, sagte er.
Auch in Adelsheim sprach er offen über seine Abstürze. Seine Ehrlichkeit beeindruckte die jungen Gefangenen, die ihm aufmerksam zuhörten und Fragen über Fußball und Karriere stellten. „Ich war selbst vor Gericht und habe Verantwortung übernommen. Ihr habt es in der Hand, euer Leben zu ändern“, gab er ihnen mit.
Kritik an Glücksspiel und Show-Business
Neben seiner Alkoholabhängigkeit sprach Borowka auch über seine frühere Spielsucht. Werbung für Wettanbieter kritisierte er scharf: „Wenn ehemalige Profis wie Oliver Kahn dafür werben, verharmlost das die Gefahr.“ Ein Angebot für TV-Formate à la „Dschungel-Camp“ lehnt er entschieden ab: „Lieber Prävention im Knast als Dschungel-Camp! Das können Sie ruhig so schreiben!“ Nur bei „Prominent und obdachlos“ machte er mit – aus Überzeugung, weil es zu seinem Weg passte.
Erkenntnis eines Lebens
Uli Borowka sprach nicht von oben herab, sondern als einer, der gefallen und wieder aufgestanden ist. „Ich habe heute weniger Geld, aber ein sinnvolleres Leben.“ Sein Kontakt zu den Kindern gilt ihm mehr als jeder Pokal. Der Nachmittag in Adelsheim zeigte: Prävention wirkt, wenn sie ehrlich ist und aus Erfahrung spricht.
Uli Borowka
- Geboren: 19. Mai 1962 in Menden (Sauerland)
- Karriere: 388 Bundesligaspiele (Gladbach, Bremen), 80 Europapokalspiele, 6 Länderspiele
- Erfolge: 2× Deutscher Meister, 2× DFB-Pokalsieger, 1× Europapokalsieger der Pokalsieger, Tor des Monats (1990)
- Buch: „Volle Pulle“ (2012, Spiegel-Bestseller)
- Seit 2000: trocken nach Alkohol- und Spielsucht
- Heute: Suchtberater, Präventionsbotschafter, verheiratet, drei Kinder