Dialog vor Ort: Wildtierbeauftragter Hans-Peter Scheifele (r.) erläuterte gemeinsam mit weiteren Kollegen dem Ersten Landesbeamten Florian Busch (3.v.r.) und den Amtsleiterinnen Jasmin Kaibel (Rechts- und Ordnungsamt, Bildmitte) sowie Dr. Monique Müller (Umweltschutzamt) die Abläufe des Projektes. (Foto: pm)
Külsheim. (pm) Im Rahmen seiner Waldstrategie hat das Land Baden-Württemberg mit dem Projekt „Genetische Diversität der Wildkatze“ eine Wildkatzenerfassung in fünf Untersuchungsgebieten mit einer Gesamtgröße von rund 100 Quadratkilometer vorgenommen. Eines dieser Gebiete befand sich im Main-Tauber-Kreis im Einzugsgebiet rund um Wertheim, Freudenberg und Külsheim. Die Monitoringergebnisse zeigen, dass eine Gefährdung der streng geschützten Europäischen Wildkatze durch Hybridisierungsereignisse mit der Hauskatze besteht.
„Dieses Projekt ist ein Beleg für den aktiven Artenschutz, den das Land und wir als Landkreis betreiben. Das Engagement unserer Mitarbeitenden bildet die Grundlage für einwandfreie Ergebnisse, denn nur wenn die Auswertung nicht verfälscht ist, können die richtigen Maßnahmen abgeleitet werden, um die Wildkatze in unserer Region zu schützen. Mein Dank gilt allen Beteiligten, die sich in dieses Projekt eingebracht haben“, betonte Erster Landesbeamter Florian Busch.
Um die Wildkatzen zu erfassen, wurden 50 Lockstöcke (angeraute Holzlatten) im Untersuchungsgebiet in einem Raster von zehn Quadratkilometern aufgestellt und mit Baldrian besprüht. Die dadurch angelockten Katzen rieben sich am Lockstock sodass Haare daran hängen blieben. Die Funde wurden wöchentlich eingesammelt und der Baldrian auf den Lockstöcken erneuert. Die Lockstöcke wurden von dem Wildtierbeauftragten des Main-Tauber-Kreises, Hans-Peter Scheifele, aufgestellt und kontrolliert. Die genetischen Analysen der Haarfunde übernahm das Senckenberg-Zentrum für Wildtiergenetik in Gelnhausen. Die Artbestimmung erfolgte mittels PCR-Test.
Die Auswertung in der Übersicht
Insgesamt wurden 70 Haarfunde gesammelt, davon konnten 61 genetisch als Katzenhaare identifiziert werden. 36 Haarfunde wurden acht männlichen und zwei weiblichen Wildkatzen zugeordnet. Die Wildkatzen wurden größtenteils innerhalb des Waldes oder am Waldrand nachgewiesen. Zwei männliche Wildkatzen konnten an bis zu fünf verschiedenen Lockstöcken nachgewiesen werden. Der größte Abstand zwischen zwei Lockstöcken mit demselben Individuum betrug knapp sieben Kilometer und dieses Tier besuchte Lockstöcke im Schenkenwald, am Tannenberg und rund um Wertheim. Weitere neun Haarfunde konnten zwei Hybriden zugeordnet werden. Die Hybride wurden als Wildkatzen-Rückkreuzungen klassifiziert, das heißt deren Elterntiere waren Hybride, die sich wiederum mit Wildkatzen gepaart haben. Die Wildkatzenrückkreuzungen kamen sowohl an den Waldrändern als auch an Gehölzinseln im Offenland vor.
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Eine männliche Wildkatzen-Rückkreuzung wurde an fünf Lockstöcken, unter anderem im Hofgarten, bei Reichholzheim sowie auf der westlichen Tauberseite bei der Teilbacher Mühle nachgewiesen. 15 Haarfunde konnten insgesamt fünf Hauskatzenindividuen zugeordnet werden. Die Hauskatzen besuchten ausschließlich die im Offenland oder an Waldrändern aufgestellten Lockstöcke, es wurden keine Hauskatzen im Wald nachgewiesen. Die Hauskatzen besuchten jeweils nur einen Lockstock, nur ein Individuum konnte an zwei benachbarten Lockstöcken nachgewiesen werden. An 23 Lockstöcken wurden während des Untersuchungszeitraumes keine Haare gefunden.
Das Ergebnis und die Schlussfolgerungen
Im Untersuchungsgebiet konnten per Lockstockmethode mehrere Wildkatzen nachgewiesen werden. Das bestätigt die bisherigen Erkenntnisse aus dem Wildtiermonitoring der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg, dass die Wildkatze mittlerweile erfolgreich den Norden Baden-Württemberg besiedelt. „Wir vermuten, dass sie sich vom hessischen Odenwald und bayrischen Spessart nach Baden- Württemberg ausbreitet. Die Gefährdung der Wildkatzenpopulation in Baden-Württemberg durch Hybridisierung wurde mit Hilfe der systematischen Erfassung mittels Lockstöcken erneut bestätigt“, erklärte Wildtierbeauftragter Hans-Peter Scheifele. Der Anteil an Hybriden scheint im Main-Tauber-Kreis im Vergleich zum restlichen Land Baden-Württemberg verhältnismäßig gering. „Mit einer Fortführung und Intensivierung des Monitorings muss die Entwicklung der Hybridisierung mit Hauskatzen dringend weiter beobachtet werden. Entdeckte Hybridvorkommen sollten durch Kastration der beteiligten Hauskatzen minimiert werden“, ergänzt Scheifele. Lra
Projekt Genetische Diversität der Wildkatze
Die aktuellen Monitoringergebnisse aus Baden-Württemberg zeigen, dass eine Gefährdung der streng geschützten Europäischen Wildkatze durch Hybridisierungsereignisse mit der Hauskatze besteht. Die in Baden-Württemberg festgestellten, sehr hohen Hybridisierungsraten von mehr als 50 Prozent sind im deutschlandweiten Vergleich nach derzeitigem Kenntnisstand überdurchschnittlich hoch. Dieser Themenbereich wurde zwischen 2021 und 2024 in insgesamt fünf Untersuchungsgebieten im ganzen Land untersucht. Eines dieser Gebiete liegt im Main-Tauber-Kreis im Gebiet der Städte Wertheim, Freudenberg und Külsheim.
