Neckar-Odenwald-Kreis. (pm) Derzeit leben im Neckar-Odenwald-Kreis rund 100 Kinder vom Säuglings- bis zum Teenageralter nicht bei ihren Eltern, sondern in Pflegefamilien. Dort sollen bessere Bedingungen als in den jeweiligen Elternhäusern dafür sorgen, dass den Kindern die Chance auf eine kindgerechte Entwicklung geboten wird. Doch die Vermittlung von Kindern, die – fast immer nach zahlreichen, letztlich erfolglosen Hilfsangeboten – vom Jugendamt manchmal mit Hilfe des Familiengerichts aus den Herkunftsfamilien genommen werden müssen, wird landauf, landab und auch im Neckar-Odenwald-Kreis immer schwieriger. „Uns fehlt es an geeigneten Pflegefamilien“, klagt Elisabeth Gerhauser, gelernte Sozialarbeiterin. Sie ist im Landratsamt mit zwei Kollegen zuständig für die Vermittlung und die Betreuung der Kinder und Pflegefamilien.
Natürlich weiß auch die Fachfrau, dass in das sich immer mehr durchsetzende Modell einer modernen „Idealfamilie“ Pflegekinder eigentlich nicht passen: Frauen wollen und müssen möglichst durchgängig berufstätig sein, der eigene Nachwuchs wird genau geplant und beschränkt sich auf ein, höchsten zwei Kinder. Zeit, Muße und natürlich auch schlicht die Bereitschaft, sich zusätzlich um ein weiteres, sogar fremdes Kind zu kümmern, das aufgrund seiner Vergangenheit durchaus ein unterschiedlich ausgeprägtes „Päckchen“ an Verhaltensauffälligkeiten mitbringen kann, fehlen. Bis das Kind in die Familie integriert ist, sollte zudem ein Elternteil nicht berufstätig sein. Der „Pool“, aus dem im Vermittlungsfall geschöpft werden kann, wird immer kleiner, während die Zahl der Kinder, die manchmal über Nacht untergebracht werden, aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen und auch wegen der gestiegenen Sensibilität des Umfeldes tendenziell steigt.
Für akute Notfälle gibt es die „Bereitschaftspflege“: Das sind Familien, die sofort ein Kind aufnehmen können und es bis zu drei Monate betreuen, bis eine ständige Pflegefamilie gefunden wurde. „Bei kleineren Kindern versuchen wir einen Wechsel aber zu vermeiden und suchen deshalb Familien, die sich außer einer kurzzeitigen auch eine langfristige Betreuung eines Kindes vorstellen können. Wir legen viel Wert darauf, in jedem Fall, abhängig vom Alter, der Vorgeschichte und der Prägung des Kindes, individuell eine „passende“ Pflegefamilie zu finden“, betont Elisabeth Gerhauser. Denn dass das Kind in eine Familie passt, ist eine Grundvoraussetzung für ein gelingendes Pflegeverhältnis. Aber genau diese Individualität zu wahren wird immer schwieriger – mangels geeigneter Pflegefamilien.
Im Vorfeld werden sowohl der private als auch der wirtschaftliche Hintergrund geprüft. „Da verlangen wir nichts Unmögliches, künftige Pflegeeltern müssen weder reich sein noch in einer Waschmittelwerbungidylle leben. Aber wenn wir merken, dass ein Pflegekind in erster Linie zum Geldverdienen aufgenommen wird oder einen bestimmten Zweck – wie zum Beispiel ein Spielkamerad zu sein für das eigene Kind – erfüllen soll, müssen wir sehr vorsichtig sein. Das sind wir auch, wenn die Leute nicht kompromisswillig sind und andere Lebensverläufe nicht tolerieren können; der manchmal durchaus schwierige Kontakt zur Herkunftsfamilie und zum Vormund des Kindes muss nämlich gepflegt werden“, erklärt die Sozialarbeiterin. Oft sorgen und betreuen die Pflegeeltern vorbildlich, die unverrückbare Liebe des Kindes gilt aber der leiblichen Mutter. „Das muss man aushalten können. Die richtige Mischung zwischen „Herz und Hirn“ ist hier gefragt. Denn bei allem erforderlichen Engagement und aller Herzlichkeit ist eine gewisse Distanz immer hilfreich“, rät Elisabeth Gerhauser.
Trotz aller Schwierigkeiten ist sie überzeugt davon, dass Pflegefamilien für viele Kinder aus schwierigen Verhältnissen ein Segen sind und ihnen sehr viel gerechter werden können als größere Institutionen wie ein Kinderheim beispielsweise. Deshalb wirbt sie mit ihren Kollegen auch unermüdlich um „neue“ Pflegefamilien: „Wir suchen ganz normale Familien, bei denen die Eltern, das Alter betreffend, auch die leiblichen Eltern sein könnten. Eine pädagogische Ausbildung wird nicht verlangt, aber die Bereitschaft, sich auf ein neues Familienmitglied und alles, was es mitbringt, ohne Vorbehalte einzulassen. Dann kann ein Pflegeverhältnis zu einer Bereicherung für die gesamte Familie werden. Und die Kinder bekommen die Chance, psychisch und physisch gesund aufzuwachsen und sich zu einem vollwertigen Mitglied der Gesellschaft zu entwickeln.“
Wer Interesse daran hat, sich völlig unverbindlich über die Aufgaben und Voraussetzungen von Pflegeeltern zu informieren, kann Kontakt aufnehmen zu Elisabeth Gerhauser, Telefon 06261/842101, E-Mail el*****************@ne*******************.de
Hintergrund
Die Zahlen der in Pflegefamilien lebenden Kinder steigen auch im Neckar-Odenwald-Kreis tendenziell. Momentan leben rund 100 Kinder bei Familien, die nicht ihre Herkunftsfamilien sind. Die Kinder sind zum Zeitpunkt der Vermittlung maximal zwölf Jahre alt; tendenziell werden aber immer mehr kleine Kinder vermittelt, auch schon im Säuglingsalter.
Das Jugendamt zahlt den Pflegefamilien bestimmte Sätze, die den kompletten Lebensunterhalt des Kindes decken. Nach einer Überprüfung des privaten und wirtschaftlichen Hintergrundes wartet ein Vorbereitungsseminar auf die künftigen Pflegeeltern, in dem sie mit ihren Aufgaben vertraut gemacht werden. Zusätzlich werden sie ständig betreut und haben ihre festen Ansprechpartner im Jugendamt. In aller Regel handelt es sich um Langzeitpflegen; grundsätzlich muss eine Rückführung in die Herkunftsfamilie aber jederzeit möglich sein. Der Kontakt zu den leiblichen Eltern und dem Vormund des Kindes ist zu halten.