Teilnehmer mit Schildern „Gegen rechte Ideologien“. (Foto: pm)
Ethik in der Arbeitswelt – wie aktuelle Krisen die Arbeitswelt beeinflussen
Tauberbischofsheim. (pm) Seit über 40 Jahren führen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und die Katholische Betriebsseelsorge im Main-Tauber-Kreis ein gemeinsames Seminar zu einem aktuellen sozial- oder gesellschaftspolitischen Thema durch. Erstmals beteiligte sich die Evangelische Prälatur Heilbronn am Tagesseminar im Hotel St. Michael in Tauberbischofsheim.
Silke Ortwein, DGB Regionssekretärin, und Uwe Terhorst, Referent für Betriebsseelsorge, hatten dieses Seminar zum wiederholten Mal gemeinsam vorbereitet. Mit dem Prälaten (Regionalbischof von Heilbronn) der evangelischen Landeskirche Württemberg, Ralf Albrecht konnte ein profunder Kenner ethischer Fragen gewonnen werden. Steht er doch der Ethikommission der Landeskirche Württemberg vor.
Aus den Reihen der Gewerkschaften sprach Dr. Rudolf Luz ehemals Leiter des Funktionsbereichs Betriebspolitik beim IG Metall Hauptvorstand und 1. Bevollmächtigter der IG Metall Heilbronn. Er war langjähriger stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Rüstungskonzerns Rheinmetall AG. Zu den genannten sprach der KAB Diözesanpräses der Erzdiözese Freiburg, Pfarrer Friedbert Böser, zum gestellten Thema: „Ethik in der Arbeitswelt“ – wie die aktuellen Krisen die Arbeitswelt beeinflussen.
Abonnieren Sie kostenlos unseren WhatsApp-Kanal
Um den rund 30 Teilnehmenden einen Überblick über das weit gefasste Thema zu verschaffen, gab DGB Regionsgeschäftsführerin Silke Ortwein einen Überblick über die Thematik des Tages. Große Umbrüche begleiten die Beschäftigten in der Arbeitswelt – zunächst die Corona Pandemie, dann der Krieg in der Ukraine.
Aber auch die Fragestellungen und Unsicherheiten bei Klimawandel und Transformation der Arbeitswelt lösen Fragen, ja auch Ängste aus. Dies hinterlässt nicht nur gesellschaftliche Spuren, sondern wirft neue und alte ethische Fragen auf, die längst überwunden schienen, betonte Silke Ortwein.
Wer hätte gedacht, dass wir einmal über Triage im Krankenhaus oder über die Frage nachdenken müssen, ob das Produkt an dem ich mitarbeite für Rüstungszwecke benutzt wird und ich damit indirekt am Töten und dem Leid, welches der Krieg bringt, Anteil habe? Mit diesen Gedanken rüttelte Silke Ortwein die Teilnehmenden auf und leitete zugleich zum ersten Referenten, Prälat Ralf Albrecht über.
Wert der Arbeit
Anhand der Bücher Mose aus dem Alten Testament spürte Albrecht dem Begriff der Arbeit nach. Im 1. Buch Mose geht es um drei große Themenbereiche des Menschlichen Tuns, die Herr Prälat Albrecht entfaltete: Er beschäftigte sich zunächst mit dem Sinn der Arbeit. Er setzte mich mit der Frage der Arbeit als Menschenrecht auseinander, schlug hier den Bogen von Kain und Abel in die heutige Zeit. Abel wurde Schäfer und Kain Ackermann.
Dann zeigte er unter der Überschrift: „Arbeit ist Kunst“ auf, dass Arbeit Verwirklichung von Kunst und Handwerk ist. Seinen dritten Schwerpunkt legte er auf die Erkenntnis, dass Arbeit beides ist: Segen und Mühe – im Schweiß unseres Angesichts tun wir die Arbeit, die uns im Gegenzug Segen werden kann. Unter diesem Stichwort entfaltete der Referent den Aspekt der Erfüllung, der Teilhabe und der sozialen Integration.
Abonnieren Sie kostenlos unseren WhatsApp-Kanal
Den Wert der Arbeit arbeitete Prälat Albrecht, anhand des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg aus dem neuen Testament heraus: Der Wert der Arbeit ist, dass sie geschieht und das sie sich lohnt. Mit Blick auf das Gleichnis der Weinbergarbeiter betonte er, dass alle am Ende des Tages, egal wie lange sie die Chance hatten und vom Besitzer zur Arbeit geholt wurden genug zum Leben hatten. Damit warf er einen ganz anderen Blick auf die aktuelle Diskussion um das Bürgergeld.
Gegen rechte Ideologien
KAB Diözesanpräses Pfarrer Friedbert Böser aus Moosbronn beleuchtete die Lebensgeschichte des seligen Widerstandskämpfers Nikolaus Groß. Dieser könne uns in der Jetzt-Zeit gegen rechte Parteien ein Vorbild sein.
Groß wurde am 30. September 1898 in Niederwenigern an der Ruhr geboren. Und am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee von den Nazis ermordet. Sein Vater war Zechenschmied – und so arbeitete auch Nikolaus nach der Volksschule zunächst als Schlepper und Kohlenhauer in einem Bergwerk unter Tage.
Er wurde Mitglied im ‚Gewerkverein christlicher Bergleute‘ und dann bald Jugendsekretär beim ‚Gewerkverein christlicher Bergarbeiter‘ in Oberhausen. 1923 heiratet er Elisabeth Koch. Aus dieser Ehe gingen 7 Kinder hervor. 1927 wurde er Hilfsredakteur, dann Schriftleiter der ‚Westdeutschen Arbeiterzeitung‘ (Offizielles Organ der KAB).
Schon vor der ‚Machtergreifung‘ durch Adolf Hitler hat Nikolaus Groß den Nationalsozialismus aus religiösen Gründen als Hauptgegner bekämpft. Groß hat ein klares Urteil über den heraufziehen Nationalsozialismus geschrieben. Er betitelte damals die Nazis als ‚Todfeinde des heutigen Staates‘. Als Redakteur der KAB Zeitung schreibt er 1930: ‚Wir lehnen als katholische Arbeiter den Nationalsozialismus nicht nur aus politischen und wirtschaftlichen Gründen, sondern entscheidend auch aus unserer religiösen und kulturellen Haltung entschieden und eindeutig ab‘.
Abonnieren Sie kostenlos unseren WhatsApp-Kanal
Wie sich die Zeiten ähneln stellen die Teilnehmenden fest. Auch heute lehnen wir als Mitglieder von Gewerkschaften und KAB entschieden antisemitische Äußerungen von politischen Akteuren grundsätzlich ab. Auch heute sind wir als Christinnen und Christen, klar Position zu beziehen gegen rechte Parteien, gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit.
Papst Johannes Paul II betonte bei der Seligsprechung von Nikolaus Groß am 7. Oktober 2001 den Scharfsinn von Nikolaus Groß, der früh erkannte, dass sich die nationalsozialistische Ideologie nicht mit dem christlichen Glauben verbinden lässt: ‚Mutig griff er zur Feder, um ein Plädoyer für die Würde des Menschen abzulegen‘.
Im August 1944 wurde Nikolaus Groß wegen seiner Kontakte zur Widerstandgruppe des 20. Juli von der Gestapo verhaftet. Am 15. Januar wurde er vom Volksgerichtshof unter dem Vorsitzenden Roland Freisler zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Obwohl er wusste, dass er mit seinen gegen die Nazis gerichteten Veröffentlichungen nicht nur sich selbst, sondern auch seine Familie in höchste Gefahr brachte, hat er nicht geschwiegen.
Ethik in der Arbeitswelt wichtiger denn je
Rudolf Luz war Erster Kriegsdienstverweigerer in seinem Geburtsort und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei Rheinmetall – in einem Rüstungsunternehmen.
Luz betonte gleich zu Beginn seiner Präsentation, dass Ethik in der Arbeitswelt wichtiger denn je sei! In den 1970er Jahren fand ein Richtungswechsel statt: Die Wirtschaft hatte sich aus gesellschaftlicher Verantwortung entzogen. „Shareholder Value“ – Was ist das Unternehmen wert? –
Das bestimmte das Handeln! Luz weiter, Milton Friedman (1976) – (Wirtschaftsnobelpreisträger) formulierte zu einer entfesselten Wirtschaft: Es gibt nur eine Verantwortung in einem freien Wirtschaftssystem für alle Beteiligten: Alle verfügbaren Mittel möglichst gewinnbringend einzusetzen damit sie zu größtmöglicher Profitabilität geführt werden.
Die Katastrophale Entwicklung war, dass dieses Prinzip der Profitabilität in die Gesellschaft übertragen wurde. Die Englische Premierministerin Margret Thatcher betonte 1987: „So etwas wie Gesellschaft gibt es nicht“. Was hat Thatcher damit gemeint? Dass es keine Ansprüche ohne Pflichten gebe.
Abonnieren Sie kostenlos unseren WhatsApp-Kanal
Routiniert spielte sie Verlierer am Arbeitsmarkt gegen die noch Ärmeren aus: Wer soziale Leistung fordere, ohne zu arbeiten, nehme den tatsächlich Bedürftigen die Zuwendung, erläuterte der Referent die Haltung der damaligen britischen Premierministerin.
Wendepunkt für einen Paradigmenwechsel und Krise des neoliberalen Paradigmas waren die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009; Staatenkrise und Verschuldung, Euro-Krise 2012 (Aufkommen des Rechtspopulismus und Nationalismus); die Klimakrise 2015 (Pariser Abkommen). Nun stellt sich die Frage, was wir aus den derzeitigen Krisen machen, so der IG-Metaller. Luz kritisiert, das sich in den vergangenen Jahren alles an der Profitabilität ausgerichtet habe.
In den Krisen mussten viele Firmen durch hunderte Milliarden Euro gestützt werden, damit die Wirtschaft nicht zusammenbricht. Deshalb ist für Lutz eine Erkenntnis klar: „Es dürfe in Zukunft kein unreguliertes Handeln in der Wirtschaft mehr geben“. Rechtextreme Parteien in Europa und die AfD in Deutschland sind, so seine Einschätzung. die Kinder der Wirtschaftskrise in Europa.
Ist Ethik in der Arbeitswelt von Relevanz?
In Fragen der künftigen Ausrichtung der Wirtschaft und der Arbeitswelt können wir auf praktische Ethik nicht verzichten, so Luz. Wir müssen uns die Frage stellen, welche Technologien in die Zukunft führen. Die Herausforderungen seien auch für die Betriebsräte aktuell riesig. „Ich sichere die Zukunft nur mit Veränderung“ ist Luz der Überzeugung.
Abonnieren Sie kostenlos unseren WhatsApp-Kanal
Für Gewerkschaften und Betriebsräte stelle sich die Frage, wie man sich im Konflikt um die Zukunft der Arbeitsplätze verhält? Wie sieht die Transformation der jeweiligen Firma aus? – Wie können die Arbeitsplätze auch langfristig gesichert werden?
Zeitenwende in Rüstungs- und Verteidigungspolitik
„Auf der Unternehmensebene ist Rheinmetall an der Börse notiert und muss Gewinn erwirtschaften. Rheinmetall gehört zu 70 Prozent Investoren aus dem englischen oder amerikanischen Raum.
Seine Arbeit im Aufsichtsrat der Rüstungsfirma beschrieb der ehemalige Friedensaktivist so: Alle Genehmigungsverfahren im Rüstungsbereich erfolgen im Bundeswirtschaftsministerium – dort entscheidet die Politik. Ich kann im Aufsichtsrat nur darauf hinwirken, die Kontrollmechanismen auf- und auszubauen.
Die Welt hat sich verändert. Ich als überzeugter Kriegsdienstverweigerer hatte meine Entscheidung getroffen. „Wir brauchen eine (demokratisch kontrollierte) Verteidigungsindustrie – in Europa / in Deutschland um uns verteidigen zu können. Ich bin deshalb vehementer Verfechter eines demokratischen Europa!“ so Rudolf Luz zum Ende seines beeindruckenden Vortrags.
Aktionstag zur betrieblichen Mitbestimmung
Nach einer engagierten Diskussion steht fest, dass das Ethik in der Arbeitswelt uns auch in Zukunft begleiten wird, betonten die Initiatoren der Tagung Silke Ortwein und Uwe Terhorst. „Wir erleben bei unseren Begegnungen in Betrieben einen massiven Umbau in der Wirtschaft und Arbeitswelt. Dies habe Auswirkungen auf die Beschäftigten und die Gesellschaft. Wir erleben aber auch das es sich lohnt für gute Arbeitsbedingungen einzusetzen.“
Deshalb wollen wir Werbung für tarifgebundene Arbeit und Mitbestimmung in Betrieben machen. So wie in der Schule ein Klassensprecher oder Schulsprecher im Alltag mitwirkt und mitspricht, ist es wichtig, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Mitsprache am Tun und Handeln im betrieblichen Umfeld haben. Die tarifliche bezahlte Arbeit sichert nicht nur höhere Löhne sondern auch bessere Arbeitsbedingungen und sichererer Arbeitsplätze.
Über die Vorteile tarifgebundener Arbeit und betrieblicher Mitbestimmung wollen Vertreter von DGB, KAB und Betriebsseelsorge am 01. März 2024 mit einer gemeinsamen Aktion von 9.00-13.00 Uhr auf dem Tauberbischofsheimer Marktplatz aufmerksam machen.