
(Foto: Brauch-Dylla)
Demokratie zum Anfassen – Schülerprojekte beeindrucken beim GEW-Forum
Mosbach. (bd) Wenn man unter optimaler Schulbildung versteht, dass sich Schüler:innen ein Thema intensiv erarbeiten, es durchdringen und anschließend mit Engagement und Begeisterung präsentieren, dann war diese Doppelstunde im Nikolaus-Kistner-Gymnasium sehr nah am Optimum. Wobei es für die Vortragenden offenkundig nicht darum ging, Noten und Punkte einzuheimsen.
Das beeindruckte Fachpublikum – zahlreiche Mitglieder des Kreisverbands der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie rund zehn Vertreter aus der Politik – spürte, wie überzeugt die Kinder und Jugendlichen von ihren Projekten und ihrer Botschaft waren. Dass der Unterrichtstag längst vorbei war, spielte keine Rolle.
Begrüßung durch Schulleitung und GEW-Kreisverband
Schulleiter Jochen Herkert begrüßte die Gäste, darunter die Landtagskandidaten Arno Meuter (Grüne), Patrick Haag (SPD), Christian Ritter (FDP) sowie als Vertreter des BSW Daniel Weimer. Auch Binaus Bürgermeister Dominik Kircher und der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci waren der Einladung gefolgt.
Neben Herkert hieß auch der GEW-Kreisvorsitzende Bernhard Edin die rund 50 Mitglieder und weiteren Gäste willkommen. Er dankte dem NKG für die Bereitstellung der Räume und sprach den Kolleginnen Simone Schaupp, Christiane Mächnich-Hidri und Christine Eggers sowie der stellvertretenden Schulleiterin Elvira Horvath besonderen Dank für die lokale Organisation aus.
Demokratiebildung als schulischer Auftrag
Demokratiebildung sei kein „wokes Gedöns“, sondern schulischer Verfassungsauftrag, führte Edin in das Thema ein. Schule solle erziehen für eine inklusive, soziale und europäische Demokratie. Demokratie lebe vom Mitmachen – und wie dieses Engagement schon in jungen Jahren aussehen kann, zeigten sodann die Schülerinnen und Schüler verschiedener Schulen, von der Grundschule bis zum Gymnasium.
Schüler führen durch das Programm
Durch das Programm führten die beiden NKG-Schülerinnen Alyssa Ikkert und Lara Avdispahić, die souverän und lebendig moderierten. Sie kündigten als ersten Beitrag den Rückblick auf den Anne-Frank-Tag 2024 an, an den Leonie Metz und Leni Wendt erinnerten. In deren Rücken befanden sich gestaltete Kisten, die im Rahmen des schulübergreifenden Projekts als Steine der „Brandmauer der Demokratie“ entstanden waren. Jede Kiste setzte sich kreativ mit Demokratie und Menschenrechten auseinander – ein eindrückliches Zeichen gegen Hass und Hetze.
Begegnung mit Zeitgeschichte
Im folgenden Beitrag berichtete Lisa Weber aus der Kursstufe 1 über die Begegnung mit dem ehemaligen Neonazi Manuel Bauer, der regelmäßig vor Zehntklässlern am NKG berichtet. Bauer schildert seine persönliche Geschichte und erklärt, wie rechtsextreme Gruppen Jugendliche heute ansprechen. Für Weber und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler war dies ein „wachrüttelndes Erlebnis, das uns bewusst gemacht hat, warum wir unsere demokratischen Werte aktiv verteidigen müssen“.
Demokratie schon in der Grundschule
Dass erfolgreiche Demokratiebildung schon bei den Jüngsten ansetzt, zeigten Malea und Andre, zwei Viertklässler der Albert-Schneider-Grundschule Binau, gemeinsam mit ihrer Lehrerin Katrin Reuther und Rektorin Beate Schnirch. Sie stellten das Europa-Projekt ihrer „Europa-Schule“ vor, das sich in Café-Abenden, Sommerfesten und im Austausch mit Partnerschulen in anderen Ländern widerspiegelt. Mit Begeisterung berichteten die Kinder von ihrem „European Decoration Exchange“, bei dem Weihnachtsschmuck mit 22 Schulen in Europa ausgetauscht wird – und davon, wie viel Spaß es macht, Europa in den Schulalltag zu holen.
Safe-Space-AG: Räume der Vielfalt
Eine Zukunftsvision präsentierte anschließend die Safe-Space-AG des NKG. Hannah Schneider und Sophie Müller erklärten, dass Demokratie Teilhabe für alle bedeute – denn noch immer gebe es Menschen, die Diskriminierung oder Ausgrenzung erleben. Ihr Ziel sei es, Bewusstsein zu schaffen und Räume zu gestalten, in denen sich jede und jeder sicher und respektiert fühlen könne. „Wir wollen, dass unsere Schule ein Ort wird, an dem Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern gefeiert wird“, so die Schülerinnen.
Kontroverse Erfahrungen in Obrigheim
Ein eindrucksvolles Beispiel für intensive, teils frustrierende Demokratieerfahrungen präsentierte die Geschichte-AG der Realschule Obrigheim. Devon Drescher, Leonie Metz und Leni Wendt schilderten, wie sie für eine Umbenennung ihrer Schule in „Vinzenz-Rose-Schule“ eingetreten waren und eine viel beachtete Ausstellung zur Person organisiert hatten.
Der Namensvorschlag nach dem im KZ Neckarelz inhaftierten Widerstandskämpfer stieß vor Ort auf Widerstände, für die Schülerinnen nach wie vor unverständlich blieb, ebenso wie die Diskussionsverweigerung lokaler politischer Akteure. „Wir haben erlebt, wie kontrovers Politik sein kann – und dass man auch mit Rückschlägen umgehen lernen muss“, so die Jugendlichen. „Eigentlich sind wir gescheitert, vor Ort – aber unsere Ausstellung wird an vielen Orten gezeigt“, zogen sie eine ambivalente Bilanz.
Engagement gegen Rassismus
Zum Abschluss stellten Kalina Tsoneva, Su Yolgecen und Till Neemann die Arbeit der SMV des Auguste-Pattberg-Gymnasiums Neckarelz vor. Seit 2020 gehört ihre Schule dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ an, wie rund 4.800 weitere Schulen. In Workshops, Plakataktionen und Projektwochen wie „Beauty has no skin tone“, bei denen Schlümpfe aller Hautfarben gestaltet wurden, setzen sie Zeichen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. „Wir wollen, dass niemand in unserer Schule das Gefühl hat, alleine zu sein, wenn er oder sie Ausgrenzung erfährt“, erklärte das Trio.
Austausch und Appell zum Schluss
Im Anschluss an die Präsentationen nutzten Gäste und Schülerinnen die Gelegenheit zu einer offenen Diskussion. Landtagskandidaten und Abgeordnete hörten aufmerksam zu, stellten Fragen und kamen mit den Jugendlichen ins Gespräch.
Den Schlusspunkt setzte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein mit einem eindringlichen Appell: „Demokratiebildung ist keine Nebensache, sondern Kernaufgabe unserer Schulen!“ Die Veranstaltung habe gezeigt, wie lebendig und kraftvoll sie sein kann, wenn Schülerinnen und Schüler selbst zu Wort kämen.
Sie dankte den Kolleginnen für die Begleitung der Kinder und Jugendlichen: „Ihr habt die bestmögliche Bildung verdient!“ An die Obrigheimer Realschülerinnen gerichtet, sagte sie: „Ihr habt nicht verloren – mein Anschlusstermin ist die Eröffnung eurer Ausstellung in Heidelberg.“