10.02.10
Zwischen der Anordnung eines Flurneuordnungsverfahrens und der offiziellen Schlussfeststellung liegt viel Arbeit, Ideenreichtum, Vermittlungsgeschick und natürlich immer wieder das Studium der Pläne. Davon kann auch Wettersdorfs Ortsvorsteher Norbert Wörner (li.) ein Lied singen, hier gemeinsam mit dem Leiter des Fachdienstes Flurneuordnung und Landentwicklung, Dieter Ziesel (Mitte), und dem Leitenden Ingenieur Markus Hüblein. (Fotos/Grafiken: LRA).
Buchen. Kein Zweifel, Flurneuordner müssen von der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit, vom langfristigen Nutzen absolut überzeugt sein. Denn Herzblut ist schon vonnöten, um die äußerst komplexen Verfahren über Jahre, manchmal über Jahrzehnte von einem Verfahrensschritt zum nächsten und schließlich zum Abschluss zu bringen. Und dabei immer auch die oft gegensätzlich erscheinenden Interessen der beteiligten Eigentümer und Interessensgruppen in Einklang zu bringen. Dennoch, so Dieter Ziesel vom Fachdienst Flurneuordnung und Landentwicklung des Landratsamtes mit Sitz in Buchen: „Das ist eine spannende Arbeit, bei der wir selber agieren können und immer wieder neue Ideen entwickeln müssen. Wenn am Ende alle Beteiligten die Vorteile sehen, positive Impulse für eine weitere Entwicklung gesetzt wurden und Streitpunkte aus der Welt sind, dann fühlen wir uns immer auch ein bisschen als als Friedensstifter.“
Wie in Walldürn-Wettersdorf. Seit 1997 läuft hier das innerörtliche Flurneuordnungsverfahren. Mit Zielen wie „Neuordnung der rechtlichen Verhältnisse“, „Ausbau von Ortsstraßen, -wegen und Plätzen“ oder „Lösung von Nutzungskonflikten“. Davon kann Ortsvorsteher Norbert Wörner, Vorsitzender der Teilnehmergemeinschaft (TG) mit 49 Teilnehmern, dann auch ein Lied singen: „Früher gab´s wegen nicht öffentlich erschlossener Grundstücke und uralter Überfahrtsrechte quer über fremden Grund immer wieder Diskussionen.“ Der Blick auf die Karte und „Vorher-/Nachher-Bilder“ beweisen, dass sich viel getan hat. Jedes Grundstück kann jetzt über teils neue öffentliche Wege und Straßen erreicht werden, die Eigentümer haben im Zuge der Neuordnung in ihre Außenanlagen investiert und als „Nebenprodukt“ können künftig etliche Bauplätze ausgewiesen werden, oft Mangelware in kleinen Ortschaften, weil die Besitzer von Freiflächen diese nur selten verkaufen wollen. „Ohne Bauplätze ist die Zahl der jungen Leute, die abwandern, aber noch größer“, weiß der Ortsvorsteher. Der macht keinen Hehl daraus, dass das Verfahren ihn schon einige Nerven gekostet hat, sowohl als Schlichter bei zwischenmenschlichen Konflikten – schließlich ist das Eigentum der Leute betroffen – als auch bei der Sicherstellung der Finanzierung, speziell in Zeiten klammer kommunaler Kassen. Denn die Kommunen sitzen auch im Boot, zum Beispiel beim Thema Sanierung der Kanalisation, die sinnvoller weise mit „reingepackt“ wird. Dennoch ist er, der das Verfahren gemeinsam mit dem damaligen Bürgermeister Joseph ins Laufen gebracht hat, voll und ganz vom großen Nutzen der Flurneuordnung überzeugt: „Man muss halt vernünftig mit den Leuten reden, dann geht das.“
Obgleich durchaus Kompromisse eingegangen werden müssen bei der Neugestaltung von Grenzen, bei Grundstückstausch und Zusammenlegungen. „Natürlich haben wir die ganz akkuraten Grundstückswerte, aber eins zu eins geht´s bei einer Neueinteilung nie aus und bei unseren Verhandlungen kommen immer auch Emotionen mit ins Spiel. Da spielt dann schon mal ein Apfelbaum eine Rolle, der angeblich die besten Mostäpfel überhaupt hat und deshalb besonders wertvoll ist“, weiß Markus Hüblein, der das Verfahren leitet.
Ähnliche Erfahrungen haben auch Hermann Scheufler und Wilhelm Blum aus Adelsheim- Sennfeld gemacht, Vorsitzender der dortigen TG samt Stellvertreter. Dieses Verfahren betrifft nicht den Ortskern, sondern den Außenbereich mit den landwirtschaftlich genutzten Flächen. Weitere Projekte, die dem Hochwasser- oder dem Naturschutz im Fischbachtal dienen, wurden „draufgesattelt“ – einer von vielen Gründen für die außergewöhnlich lange Verfahrensdauer von bald 27 Jahren. Doch auch hier sehen Scheufler und insbesondere Blum, der selber Landwirt ist, nur Vorteile: die früher viel zu kleinen, weit verstreuten Grundstücke wurden zusammengefasst, die Landwirte können mit ihren großen Maschinen ohne viel Zeit- und Kraftstoffverbrauch oft ganze „Blöcke“ bewirtschaften. Und auch das Feldwegenetz genügt jetzt den Ansprüchen. „Natürlich war hier viel Freiwilligkeit und guter Wille der Eigentümer nötig“, erinnert sich der Leitende Ingenieur Friedrich Bopp, der mit seinen Leuten immer wieder moderiert und vermittelt hat. Und auch das jetzt nahende Ende des Verfahrens, dokumentiert mit der endgültigen Grundbuchberichtigung hinsichtlich der neuen Eigentumsverhältnisse, bedeutet nicht das Ende der Diskussionen. Denn die Pachtverträge laufen irgendwann ab, Grundstücke werden verkauft oder vererbt, neue Handelnde treten auf den Plan. Es bleibt also spannend. Aber eine gute Basis und vielleicht auch eine tragfähige Verhandlungskultur wurden geschaffen, glauben Scheufler und Blum. Sie danken unisono den „Herren vom Amt“: „Die waren für uns immer ganz wichtige Ansprechpartner und neutrale Vermittler.“ Und Bürgermeister Klaus Gramlich ergänzt: „Die Arbeit der Flurneuordner ist Dienstleistung im besten Sinn.“
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Die Bilder sagen mehr als tausend Worte: Ein ländliches Areal vor und nach einem Flurneuordnungsverfahren. (Zum Vergrößern anklicken)
Hintergrund:
Flurneuordnung und Landentwicklung: Was läuft da?
Rund 30 Verfahren aus dem gesamten Landkreis – allerdings mit deutlichen Schwerpunkten im Bauland und Neckartal – beschäftigen derzeit die vier Teams des Fachdienstes für Flurneuordnung und Landentwicklung des Landratsamtes samt einem „Querschnitteam“, das vor allem die Qualitätssicherung der meist jahrelangen Verfahren – da ändern sich schon mal Gesetze, Richtlinien oder Interessen – im Auge hat. Was genau aber ist die Zielsetzung der „Flurbereinigung“, wie die Verfahren früher genannt wurden?
Laut einer Definition dient die beabsichtigte „Neuordnung des ländlichen Grundbesitzes der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft unter Berücksichtigung und Förderung des Natur- und Landschaftsschutzes.“ Diese Ziele werden erreicht durch Flächenzusammenlegungen der oft durch die Realteilung entstandenen kleinen Grundstücke, den Bau von Wegen und die sinnvolle Einbindung und Anlage von Landschaftselementen. Weitere Schwerpunkte sind Flächenbereitstellungen und Interessensausgleiche bei öffentlichen Baumaßnahmen wie Straßen-, Schienen- und Hochwasserschutzprojekten sowie die Unterstützung von Dorfentwicklungen.
Je nach Zielsetzung stehen der Flurneuordnung unterschiedliche Instrumentarien zur Verfügung. Der Anregung eines Verfahrens – aus der Gemeinde oder der Ortschaft direkt – folgen eine erste Bestandsaufnahme und ein Aufklärungstermin, an dem die Grundstückseigentümer über das geplante Verfahren und die entstehenden Kosten informiert werden. Denn trotz relativ großzügiger Förderung verbleibt immer auch ein Eigenanteil bei den Eigentümern. Ausgehend vom tatsächlichen Interesse am Verfahren entscheidet sich, ob die Flurneuordnung auch wirklich angeordnet wird und damit einen rechtsverbindlichen Charakter erhält. Damit sind, wie mit dem gesamten Verfahren, zahlreiche Verwaltungsakte, öffentliche Bekanntmachungen und entsprechende Fristen verbunden – mit den zu bearbeitenden Widersprüchen ein Grund für die lange Dauer derartiger Verfahren. Die Teilnehmergemeinschaft samt Vorstand und Vorsitzendem wird gebildet bzw. gewählt und nach dem „Wertermittlungsverfahren“ (die beteiligten Grundstücke betreffend) geht es an die Vermessung und den Entwurf der „neuen“ Flureinteilung. Natürlich immer in Absprache mit anderen Interessensgruppen und Verbänden wie dem Naturschutz, dem Hochwasserschutz , aber auch der Kommune. Dann folgen die „Planwunschverhandlungen“, also die Diskussionen mit allen Teilnehmern über ihre neuen Grundstücke.
Am Ende, an dem die durchaus „bereinigende“ Grundbuchberichtigung und die Schlussfeststellung stehen, sollen möglichst alle Interessen berücksichtigt worden sein. Kompromisse und Teillösungen sind aufgrund der Komplexität unumgänglich; aber besser eine Teillösung als völliger Stillstand, ist die Devise der Flurneuordner, die ihren Sitz in Buchen haben und die sich großteils aus Ingenieuren und Vermessungstechnikern sowie sieben Vermessungstechnikerazubis zusammensetzen.