Zum Wahlkampf-Schlussspurt reist Ministerpräsident Stefan Mappus nach Nordbaden – 300 Zuhörer in und 100 Protestanten vor der Odenwaldhalle in Mosbach-Lohrbach
Von wegen sichere CDU-Bastion: Vor Mappus’ Auftritt in der Odenwaldhalle (kl. Bild) wird ordentlich Radau für den Atomausstieg gemacht. (Foto: Brauch-Dylla)
Lohrbach. (bru) Ein enormer Vollmond hängt über Lohrbach. Wo’s denn hier zu der CDU-Veranstaltung mit dem Ministerpräsidenten gehe, will ein Paar in einem Auto mit fremdem Kennzeichen wissen. Am Kreisel irritiert ein Durchfahrt-verboten-Schild.Verstärkte Polizeipräsenz im Odenwalddorf. Aus dem Unterdorf tönen Trommelschläge von Blechfässern.
Dort, in der Odenwaldhalle, wird Stefan Mappus erwartet, CDU-Ministerpräsident seit gut einem Jahr. Nun im Wahlkampf-Endspurt unterwegs in der Provinz. Vor der Halle warten in dieser Vollmondnacht an die 100 Prostestierer auf Stefan Mappus. Viele sind in weiße Maleranzüge gekleidet, weiß wie die Farbe der Trauer in Japan. Plakate und Banner fordern: „Umdenken“, „Ausstieg jetzt“ oder „Endzeit in Sicht“. Die Demonstranten, darunter einige grüne Lokalprominenz, skandieren eine Stunde lang „Ab-schal-ten“ und „Aus-stei-gen“. Auf der anderen Seite entgegnet einer ebenso lauthals: „Panikmache!“. Die abendliche Flashmob-Aktion stößt bei den Lohrbachern auf geteilte Resonanz.
Remmidemmi auch in der Halle, auch hier wird getrommelt. Und gepfiffen. Der Spielmannszug Lohrbach macht mit dem Badener-Lied ordentlich Stimmung im Saal. Das Orange ihrer Polohemden ähnelt dem Orange der Christdemokraten. Orangene Luftballontrauben und orangene Tischdecken mit CDU-Streifen, Plakate, Fähnchen, Werbeartikel von Düngestäbchen bis zu Notizzetteln – die örtlichen CDU-Helfer haben ganze Arbeit geleistet. Dazu die Fahnen vom Dorf, der Stadt, dem Kreis, dem Land. Politprominenz aus dem Dorf, der Stadt, dem Kreis, dem Land, Europa trifft nach und nach ein. Rund 300 Menschen wollen Mappus hören. Der Neckar-Odenwald-Kreis sei traditionell eine sichere CDU-Bastion, hatte am selben Tag Karl Heinz Neser, CDU-Fraktionsvorsitzender im NOK, analysiert. Der Radau als Empfang passt nicht dazu.
Dieser Artikel ist mir was wert: [flattr btn=“compact“ tle=“Ministerpräsident Mappus in Lohrbach“ url=“https://www.nokzeit.de/?p=10442„] Der „Mapbus“ kommt kurz nach acht. Um zwanzig vor neun tritt der Ministerpräsident ans Pult, rechts neben sich ein Banner mit dem eigenen Portait, so groß wie der ganze Mann. Zuvor hat Oberbürgermeister Michael Jann Mappus – zum zweiten Mal – das Goldene Buch der Stadt Mosbach vorgelegt und Dr. Thomas Ulmer den Wahlkampf als einen mit „unvorhergesehen Ereignissen“ bezeichnet. Ob er die Spaliersteher vor dem Eingang oder die Auswirkungen des japanischen Reaktorunglücks auf die deutsche sowie die baden-württembergische Atompolitik meint, ist nicht klar. Stefan Mappus aber geht gleich zu Beginn seiner einstündigen Rede auf die Ausstiegsdebatte ein und versucht eine Erklärung für das, was ihm auf einem Plakat draußen als „Vogel-Wendehals“-Politik vorgeworfen wird. Keine Wende in der Energiepolitk zu vollziehen, das würde bei den Menschen wohl kaum gut ankommen. Kein Weiter-so also. Deshalb das Moratorium von einem Vierteljahr, deshalb das Abschalten der alten Meiler, deshalb keine völlige Ausnutzung der Laufzeiten. Die schwierige Situation allerdings parteipolitisch auszunutzen, wie das etwa ein Herr Beck tue, das mache man nicht. „Missbrauch“ und „unanständig“ greift der Pforzheimer den Pfälzer (und damit die SPD) an, der sich zeitgleich am Sonntag zur Wiederwahl stellt.
„Weiter so“ ist nach seinem Dafürhalten auf anderen Politikfeldern jedoch durchaus eine Marschroute. Die Erfolge baden-württembergischer – und das heißt seit fast sechs Jahrzehnten CDU-bestimmter – Politik aufzuzählen, gehört nicht erst seit Samstag zum guten Ton. Ändern möchte der fast 45-jährige Familienvater allerdings etwas an der Rolle Baden-Württembergs als Geberland im Reigen der Bundesländer. „Drei zahlen, 13 nehmen“ ist seine Beschreibung des Länderfinanzausgleichs, gegen den man vors Verfassungsgericht ziehen wolle. „Die Pfälzer können machen was sie wollen – keine Studiengebühren, keine Kindergartenkosten – aber nicht mit unserem Geld“, wettert Mappus. An Klaus Wowereit (der SPD-Bürgermeister von Berlin, der erst vor wenigen Tagen den Odenwälder Sozialdemokraten Wahlkampfhilfe gegeben hatte) adressiert Stefan Mappus: „Der hätte ohne den Länderfinanzausgleich nicht mal das Geld für die Fahrkarte nach Baden-Württemberg.“
Der ländliche Raum, in den Mappus gereist ist und der eigentlich in Lohrbach Thema sein sollte, er kommt auf den beiden Themenfeldern zum Zuge, die der Regierungschef als die wichtigsten Zukunftsthemen erachtet: Infrastruktur und Bildung. Die rot-grüne Idee längeren gemeinsamen Lernens tituliert Mappus als „Einheitsschule“, die zudem dazu führe, dass einzügige Schulen im ländlichen Raum geschlossen würden. Die CDU dagegen stehe für die Maxime: „Kurze Beine, kurze Wege.“ Der ländliche Raum in der Odenwaldhalle applaudiert lang.
Die Lanze für den ländlichen Raum, die bricht auch Peter Hauk, der den CDU-Fraktionsvorsitz von Mappus übernommen hat. Hauk konnte im Wahlkreis Neckar-Odenwald bei den Landtagswahlen jeweils über 50 Prozent der Stimmen holen. Er lobt das Landvolk und teilt dabei in Richtung Metropolregion aus: „Wir sind die Vorbildgesellschaft für die Städte. Engagement und Ehrenamt zeichnen die wahre Bürgergesellschaft aus.“ Kämpferisch zeigen sich beide. Die letzten Tage vor der „Volksabstimmung“ will man rausgehen und „noch mal alles geben“ “ (Mappus). Den Appell „Kämpfen Sie mit!“ rufen auch Dr.Alexander Ganter als CDU-Stadtverbandsvorsitzender und Ariane Spitzer als seine Stellvertreterin in den Saal. Angesichts der aktuell prognostizierten Wahlergenisse ein nur allzu verständlicher Aufruf.
Und Birgit Dietrich, die als Solo-MOSkito in Keyboard-Begleitung in Lohrbach tapfer gegen das Geraune in der Halle ansingt, wen würde sie wohl wählen? Zur Auswahl stehen: „Ein Neandertaler…“ oder: „Nehmen S’e ’nen Alten!“
In Lohrbach wurde Ministerpräsident Stefan Mappus von zahlreichen Parteifreunden herzlich begrüßt. Darunter MdEP Dr. Thomas Ulmer und MdL Peter Hauk. (Foto: Jan Inhoff)