
In Buchen und im Neckar-Odenwald-Kreis wächst die Besorgnis, dass große Mengen radioaktiver Müll in der Region gelagert werden soll. (Foto: Felix König/Wikipedia/CC BY 3.0)
Obrigheim/Buchen. (pm) Bei der Frage „Wohin mit dem Müll aus dem AKW Obrigheim (KWO)?“ zeigt sich einmal mehr, dass niemand die Hinterlassenschaften der Atomanlagen haben will, wie die Diskussionen um die Deponierung von „Bauschutt“ auf der Deponie Sansenhecken in Buchen zeigt (NZ berichtete). Auch nicht das „freigemesse“ Abbaumaterial, das immer noch radioaktiv belastet ist. Diese Belastung liegt zwar unterhalb bestimmter Grenzen, die von der Strahlenschutzverordnung vorgegeben sind, aber wie inzwischen bekannt ist, sind diese Grenzwerte keine Garantie für Unschädlichkeit.
Bevor weiteres Material aus dem KWO irgendwohin gebracht wird, sind aus Sicht der Initiative AtomErbe Obrigheim noch einige Fragen zu beantworten.
In den letzten zehn Jahren wurden vom baden-württembergischen Umweltministerium insgesamt sieben Genehmigungen für die „Freimessung“ und Freigabe von Material aus dem AKW Obrigheim erteilt, die alle noch gelten. Sie wurden zum größeren Teil bereits vor Beginn des Rückbaus erteilt und lassen dem Betreiber EnBW weitgehend freie Hand, wie aus einer Antwort des Umweltministerium vom 4.06.2013 an die Initiative hervorgeht:
„Die Bescheide regeln Standardverfahren zur uneingeschränkten Freigabe für die Stoffströme Metalle, Flüssigkeiten, Schüttgüter, sonstige feste Stoffe, Bauschutt, Elektronikteile und Mischungen aus diesen Materialgruppen, die Freigabe von Gebäuden sowie das Verfahren der Freigabe zur Beseitigung auf Deponien und zur Verbrennung. Diese Bescheide sind weder befristet noch auf bestimmte Materialmengen oder Volumina beschränkt. Der Betreiber kann immer dann Gebrauch davon machen, wenn Material, das unter gleich bleibenden Bedingungen wiederkehrend angefallen ist, unter den jeweiligen Freigabebescheid subsumiert werden kann.“
Bei der „Freimessung“ werden nach Informationen der Initiative zwar die Gammastrahlen gemessen, die Belastung mit Alpha- und Betastrahlern wird aber nur rechnerisch daraus abgeleitet, d. h. nicht untersucht. Die Belastung mit hochgefährlichen Stoffen wie Plutonium oder Strontium wird also nicht gemessen. Wie hoch ist die jeweilige Belastung mit Alpha- und Beta- und Gammastrahlern?
Im Mai 2013 wurde die 3. Abbaugenehmigung erteilt, mit der der Abbau der innersten, am stärksten radioaktiv verstrahlten Teile des AKW erlaubt wurde: Reaktordruckbehälter mit Einbauten und Biologischem Schild. Warum gibt es nicht einmal dafür eine neue Genehmigung, die die „Freimessung“ der zum Abbau anstehenden hochbelasteten Materialien sicherheitsorientiert regelt?
Eine Übersicht und Festlegung, wo die insgesamt rund 130.000 Tonnen Abbaumaterial verbleiben werden, fehlt komplett in den Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen. Bekommt das Umweltministerium als Aufsichtsbehörde wenigstens während des Rückbaus entsprechende Informationen vom Betreiber EnBW?
Der im Jahr 2007 nach Buchen gebrachte Müll kann nicht aus dem Abbau stammen, da erst im August 2008 die 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung erteilt wurde. Vorher durfte nichts abgebaut werden. Was wurde damals nach Buchen geliefert?
Im Mai 2005 wurde das AKW Obrigheim abgeschaltet. Wo wurde der „freigemessene“ Müll vor der Abschaltung hingebracht?
Die Initiative AtomErbe Obrigheim fordert, dass „Freimessung“ und Freigabe von Abbaumaterial aus Atomanlagen in den Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen geregelt wird und damit sowohl für die Atomaufsicht im baden-württembergischen Umweltministerium als auch für die betroffene Bevölkerung transparent ist, wo der Müll bleibt.
Immerhin stehen in den nächsten Jahren weitere Stilllegungen in Baden-Württemberg an (Neckarwestheim und Philippsburg) oder sind bereits im Gang (Obrigheim und Karlsruhe). Eine weitergehende Forderung ist, alles Material aus Atomanlagen an bekannten, gesicherten Orten zu lagern wie es z. B. in Frankreich vorgeschrieben ist, anstatt es in die Umwelt zu „entsorgen“.
