Vortrag von Sandra Wallenhorst über Spitzensport und Familienmanagement
(Foto: DHBW)
Mosbach. (ds) Während des Sports hatte sie gemerkt, dass etwas anders ist. Sie fühlte sich nicht krank, nicht unwohl, auch nicht schlapp, nur irgendwie komisch – wenig später erfuhr sie, dass sie schwanger war. Sandra Wallenhorst, Spitzensportlerin, erfolgreiche Triathletin, fand damals, dass „dieses Glück in einem sehr ungünstigen Augenblick gekommen ist“. Heute würde sie so etwas nicht mehr denken. Heute hat der fast fünfjährige Sohn Philipp absolute Priorität, und heute kann die zweifache Europameisterin ganz cool auch mal ihr Training für ein paar Stunden verschieben, um erst mal gemeinsam Plätzchen zu backen. Aber bis hierhin war es ein weiter, anstrengender Weg, auf dem solche Berge wie der der „Besessenheit“, des „Siegeswillens“ und des „sich selbst etwas beweisen Wollens“, der Doppelbelastung, und schließlich des Burnouts und der Verletzungen überwunden werden mussten. Alles zu seiner Zeit, könnte man denken, wenn man dem sehr offenen Vortrag von Sandra Wallenhorst an der DHBW Mosbach lauschte.
Wie jede Mutter musste sie erst mal lernen, dass man eine hohe Verantwortung für das kleine Bündel im Arm trägt. „Wenn du im Leistungssport groß geworden bist, kommst Du da so schnell nicht raus“, sagte Sandra Wallenhorst. „Also nahm ich meinen Sohn mit rein.“ Vier Monate nach der Geburt begann ihr „Rollentraining“ in doppelter Hinsicht: auf dem Bike und als Mutter. „Ich habe mich im Sport wieder zu Hause, in meiner Familie gefühlt, und mein Kind war meine Energiequelle, es hat mich gepusht.“
„Wie besessen“ habe sie trainiert, sie schwamm, als die anderen noch schliefen, brachte auf dem Rückweg Brötchen mit, joggte mit Philipp zur Tagesmutter und dann weiter. Immer schneller, weil sie ihn nicht so lange alleine lassen wollte …. „Ich habe Glück mit ihm gehabt. Er war zufrieden und ausgeglichen. Mit einem Schreikind wäre vielleicht alles anders gewesen. Aber so war er ihre „Antriebsfeder“, und 2008 „sollte es so richtig knallen“. Das tat es auch: Sandra Wallenhorst „knackte“ nach 14 Jahren beim Ironman Austria in Klagenfurt am Wörthersee den Weltrekord der achtfachen Weltmeisterin Paula Newby-Fraser über die Langdistanz von 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42 Kilometer Laufen mit einer Zeit von 8:47:25 Stunden.
„Ich kann, weil ich will, was ich muss“ – dieses Zitat von Immanuel Kant war ihr Leitsatz. Allerdings schließt er Parallelwelten nicht aus, und so war Sandra Wallenhorst einerseits der sportbesessene Steinbock, der mit viel Power auf sein Ziel zu rennt, und nach dem Training eine Mama voller Leidenschaft. „Sportler haben keine Wochenenden, keine Ferien, sie sind immer unterwegs und suchen nach Möglichkeiten, wo sie trainieren können“, sagte sie. 24 Stunden lang drehte sich ihr Leben dann doch nur um den Sport. Sie sagt, sie sei „besessen“ gewesen, wollte immer besser und noch schneller werden. Mit Philipp habe sie keine Geduld mehr gehabt, „da hätte ich eigentlich merken müssen, dass etwas nicht stimmt“. Aber erst der verletzte Körper zwang sie zur Pause, eine Entzündung im Knie, später auch noch in der Schulter.
Die „Zwangspause“ ließ sie zur Besinnung kommen: „Ich war plötzlich eine ganz normale Mutter. Zum ersten Mal war ich mit meinem Kind für mehr als 24 Stunden ganz alleine. Das hatte ich früher nicht gehabt“, erzählte sie. „Vielleicht hatte ich bisher verdrängt, dass er mich brauchte? Ich dachte, etwas wieder gutmachen zu müssen, aber er hatte sich ja gar nicht beklagt und schien ganz zufrieden.“ Dieses „schlechte Gewissen“ kennen sicher viele Eltern. Mit fast fünf Jahren will Philipp seine Mutter jetzt an seiner Seite haben. Er fordert ihre Aufmerksamkeit und Zuwendung regelrecht ein, und sie sieht das ganz gelassen. Auch wenn sie wieder mit dem Training angefangen hat, ist das zurzeit viel entspannter. Das alles klingt ein bisschen nach Rückzug, aber vielleicht nur, weil sich die 39 jährige Triathletin nicht wieder so sehr unter Druck setzen will wie bisher. Zudem macht sie auch im niedersächsischen Ministerium einen guten Job: Dort macht sie sich stark für eine duale Ausbildung für Leistungssportler. Und wer weiß, vielleicht ist die DHBW als erste duale Hochschule in Deutschland auch in dieser Hinsicht als erste auf der Zielgeraden.