Schweres Eisenbahnunglück vor 100 Jahren

von Hans Slama

Mudau/Mosbach. So titelte der Mudauer Volksbote am Donnerstag 11. April 1912, also vor 100 Jahren mit einem Foto vom entgleisten „Bähnle“ in der Nähe des Mosbacher Stadtgartens. Um es vorwegzunehmen die Geschichte, dass man sich mit der Staatsbahn ein Wettrennen geliefert und so wegen zu hoher Geschwindigkeit das Unglück herbeigeführt habe ist widerlegt. Auch nach den abschließenden technischen Untersuchungen lag ein Schienenbruch vor und kein Verschulden des Personals. Weitere schwere Unfälle ereigneten sich bei der seinerzeit zwischen Mosbach und Eberbach stark umkämpften und für den Mudauer Raum wichtigen Bahnlinie bis zum Aus im Jahre 1973 nicht mehr.

„Ein schweres Eisenbahnunglück hat sich gestern Mittag auf unserer Nebenbahn ereignet. Der um 12.53 Uhr hier fällige Zug, der mit etwa 40-50 Personen, also sehr stark besetzt war, entgleiste in der Nähe der Stadt bei den Eisweihern gegenüber der Zuckermühle. Die Lokomotive kippte um, wobei der Führer herausgeschleudert wurde und schwere Verletzungen davontrug. Der Heizer Otto Egolf, der auf der anderen Seite stand, war in die Maschinenteile eingezwängt und durch den ausströmenden Dampf sofort getötet worden; außerdem war ihm ein Fuß gebrochen und eine Hand vollständig abgeschnitten, der Führer Bender aus Baden-Baden gebürtig, konnte sich noch mit viel Mühe nach dem nahen Lackenmaierschen Bahnwärterhäuschen schleppen, wo ihm die erste Hilfe zu teil wurde. Der Packwagen, sowie der folgende dicht besetzte Personenwagen kamen auf den Damm der Staatsbahn zu liegen.
Von den Insassen dieses Wagens wurde einer schwer und fünf Personen leicht verletzt, darunter Schaffner Hagedorn. Schwerverletzt ist Bahnwart Kniehl aus Diedenhofen, der über die Osterfeiertage mit Frau und Kind in seiner Heimatgemeinde Fahrenbach weilte. Kniehl, der auf der Plattform des Wagens stand, hat ein Auge verloren und auch sonstige schwere Verletzungen davongetragen; er befindet sich in der Heidelberger Klinik. Die Reisenden des letzten Wagens blieben unversehrt, da dieser auf dem Gleise stehen blieb. Sie konnten im Verein mit dem gerade in der Nähe vorbeigehenden Feldwebel Reibel aus Mannheim den Verletzten und Eingeschlossenen die erste Hilfe bringen, bis ein Notzug der Staatsbahn eintraf und diese zur Station Mosbach brachte.

Auch die Ärzte waren alsbald zur Stelle. Im Wartesaal 2. Klasse erhielt Führer Bender, der schreckliche Schmerzen auszustehen hatte, die hl. Sterbesakramente und wurde mit dem Zug 3.42 Uhr über Meckesheim in die Klinik nach Heidelberg verbracht. Er ist verheiratet und in Mudau wohnhaft. Der getötete Heizer Egolf wird morgen vormittag 10 Uhr in Sulzbach beerdigt. Man bringt der Familie des jungen Mannes, der in nächster Zeit heiraten wollte, allgemeine Teilnahme entgegen.

Die Strecke ist auf etwa zwei Tage gesperrt, doch bleibt der Verkehr aufrecht erhalten. Die Reisenden werden vom Bahnhof aus per Wagen an die Unfallstelle gebracht, wo sie vom Zug aufgenommen werden. Gestern Abend wurde mit den Aufräumungsarbeiten begonnen und die ganze Nacht hindurch gearbeitet. Die Maschine muss vollständig abmontiert werden.

Die Gerichtsbehörde machte gestern Abend die Aufnahme. Zu derselben waren auch die Bahninspektoren von Lauda und Heidelberg, sowie der Maschineninspektor von Eberbach erschienen. Die Untersuchung stellte Entgleisung und Schienenbruch fest, ein Verschulden des Personals liegt nicht vor. Man giebt auch dem allzu leicht und schwach gebauten Bahnkörper schuld an dem Unglück. Jedenfalls aber wird es Aufgabe der staatlichen Aufsichtsbehörde sein, hier gründlich nach dem Rechten zu sehen, zumal es im vergangenen Winter schon zweimal vorgekommen sein soll, dass in der Nähe des Hasbachtales Wagen entgleist sind. Das gestrige Unglück, das noch viel schlimmer hätte ausfallen können, wird wohl zu denken geben.

Wie wir soeben hören, soll Aussicht vorhanden sein, den FührerBender am Leben zu erhalten und ihn einer baldigen Genesung entgegenzuführen“. Das war leider nicht der Fall Bender verstarb noch an diesem Tag.

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