„Ich will, dass auch meine kleine Tochter noch frei reisen kann“
Mosbach. (pm) Traditionell Anfang Mai begehen die europäischen Institutionen den Europatag. Am 04. Mai besuchte deshalb die Europaabgeordnete von Bündnis90/Die Grünen Franziska Brantner das Nicolaus-Kistner-Gymnasium (NKG) in Mosbach.
Vor den Schülerinnen und Schülern der Kursstufe 2 (Klassen 12 und 13) sprach Sie über die Arbeit des Europäischen Parlamentes, stellte sich den Fragen der Anwesenden und versuchte Interesse an europäischer Politik zu wecken. Angesichts der europäischen Krisen dem Anschein nach eine nicht ganz einfache Aufgabe.
Dabei zeigte sich auch Brantner selbst, nach ihrer Einschätzung der momentanen Situation der EU gefragt, eher pessimistisch: „Die Märkte werden so lange weiter spekulieren, bis wir als Politiker einen Schnitt machen“, führte sie hinsichtlich der europäischen Banken- und Finanzkrise aus. Gerade auf dieses Politikfeld konzentrierten sich verständlicherweise viele Fragen der Schülerinnen und Schüler.
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Dabei bewertete die Abgeordnete die aktuelle Krisenpolitik kritisch. Sie stellte dar, warum sie die starke Konzentration aufs Sparen für ungeeignet hält, und erläuterte ihre Ideen für Maßnahmen, die ihrer Meinung nach flankierend hinzutreten müssten, z.B. eine Kompetenzerweiterung der Europäischen Zentralbank, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, wirkungsvolle Kontrolle der Kapitalmärkte sowie eine weitergehende Integration der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa. In Bezug auf Griechenland stellte sie aber auch fest, dass der deutsche Steuerzahler bisher kein Geld verloren habe. Deutschland habe Kredite gegeben und profitiere momentan sogar von niedrigen Zinsen für die eigenen Staatsschulden.
Doch die Krise allein war nicht Thema der neunzigminütigen Veranstaltung. Franziska Brantner stellte auch die Schwerpunkte ihrer politischen Tätigkeit dar, die z.B. im Bereich der Gleichberechtigung liegen. Kritisch merkte sie hierzu an, dass Deutschland europaweit Schlusslicht sei, was die Einkommensgerechtigkeit zwischen Männern und Frauen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angehe. In diesem Zusammenhang erläuterte sie den Schülerinnen und Schülern z.B. die Idee des Mindestlohnes, von dem insbesondere Frauen im Niedriglohnsektor profitieren könnten, und begründete, weshalb sie ein bedingungsloses Grundeinkommen für einen falschen Ansatz halte.
Hinsichtlich europäischer Außenpolitik berichtete sie von ihrer Arbeit im Auswärtigen Ausschuss des Parlamentes, v.a. über Nordafrika, Syrien und den arabischen Frühling. Die EU leiste hier Unterstützung, z.B. bei m Aufbau demokratischer Strukturen und des Rechtsystems, es könnte aber mehr getan werden, beispielsweise bei der Öffnung der Märkte. Selbstkritisch müsse Europa eingestehen, dass es in den letzten Jahrzehnten eher mit nordafrikanischen Diktatoren zusammengearbeitet habe als mit der dortigen Opposition.
Sehr deutliche Worte wählte Brantner hinsichtlich der Politik der Regierung des EU-Mitgliedslandes Ungarn; die dort vorgenommenen Beschränkungen von Freiheitsrechten sollten ein Grund sein, das Stimmrecht des Landes in den europäischen Institutionen auszusetzen.
Nicht überraschend, dass auch ihre Äußerungen zum Umgang mit der ukrainischen Regierung im Zusammenhang mit der bevorstehenden Fußballeuropameisterschaft in dieselbe Richtung gingen: Es sei eine europäische Aufgabe den Menschen in der Ukraine zu zeigen, dass sich die EU nicht von ihnen abwendet, gleichzeitig müsse die Politik sich aber deutlich gegen dortige Menschenrechtsverletzungen wenden.
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Warum betreibe sie angesichts der Vielzahl an Problemen denn überhaupt Politik auf europäischer Ebene? Das begründet Brantner mit ihrer Überzeugung, dass es wichtig sei die europäische Integration voranzutreiben. Angesichts zahlreicher Krisenerscheinungen sei es der falsche Weg die EU abschaffen zu wollen. Es gehe vielmehr darum, die richtigen Wege aus der Krise heraus zu finden. Die Rückkehr zur Politik der Nationalstaaten sei für sie jedenfalls keine Lösung. Deutschland spiele als größtes EU-Land hierbei eine entscheidende Rolle.
Als deutsche Europapolitikerin sei es ihr wichtig, dass auch nachfolgende Generationen in den Genuss der Vorteile europäischer Einigungspolitik kämen: „Ich will zum Beispiel, dass auch meine kleine Tochter noch frei reisen kann“, beendete sie ihren Vortrag. Ein Wunsch, der dann doch auch den Schülerinnen und Schülern aus dem Herzen sprach, wie der Abschlussapplaus zeigte.
Europaabgeordnete Franziska Brantner am Nikolaus-Kistner-Gymnasium. (Foto: pm)