„Das geht uns alle etwas an“
Gerlinde Kretschmann zu Gast beim Frühstücksgespräch „Frauen auf und nach der Flucht“
Mosbach. (pm) Zwei Sunden hat Gerlinde Kretschmann, Ehefrau des baden-württembergischen Ministerpräsidenten, am Samstag im Neckar-Odenwald-Kreis verbracht. Beim Frühstücksgespräch zum Thema „Frauen auf und nach der Flucht“ bestimmten Erfahrungen vor allem aus der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit die Diskussion. Entsprechend der aktuellen Lage ist die Situation der Frauen in Sammelunterkünften oder in speziellen Unterbringungsformen besonders, weil sie in der Minderheit sind. Obwohl Frauen und Kinder besonders schutzbedürftig gelten, sei dieser gesetzlich formulierte Anspruch in den Gemeinschaftsunterkünften oft nicht erfüllt, unterstützten mehrere Frauen aus der Flüchtlingshilfe das Anliegen von Moderatorin Christine Denz, hier Missstände zu benennen. Auf dem weiten Feld des Ehrenamts ist auch die First Lady aus dem Südwesten daheim, die sich selbst lieber als Mitstreiterin von Freiwilligen denn als „Schmuckfrau“ sieht. Anteilnehmend und kundig zeigte sie sich in der Runde aus Mitgliedern von Flüchtlingsarbeitskreisen und -initiativen. Eingeladen hatte der Grüne Kreisverband gemeinsam mit der Mosbacher Mahnwache für Frauenrechte weltweit sowie dem örtlichen Asyl-Arbeitskreis.
Die Zuwanderungssituation sieht Kretschmann in Baden-Württemberg in einer langen Tradition, in der aktuellen Dimension aber als Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Sie lebens- und liebenswert zu erhalten, sei eine Gemeinschaftsaufgabe: „Das geht uns alle etwas an.“ Dem Ehrenamt hat sich die ehemalige Lehrerin selbst verschrieben, seit sie im Ruhestand ist. Aus eigener Anschauung wisse sie deshalb, wie wichtig dabei Vernetzung ist. Dazu rief sie die Anwesenden auf, mahnte dazu, sich nicht ausnutzen zu lassen und bekannte: „Das Ehrenamt ist schön – aber nicht immer.“
Bestechend fanden viele der über 30 Frühstücksgäste im ess werk der Abenteuergolfanlage Inputt, wie die „Landesmutter“ selbstverständlich alle Anwesenden per Handschlag, mit freundlichen Worten und offenem Blick begrüßte. „Eine ganz normale Frau“, registrierten viele, und sprachen im geschützten Rahmen vor allem Alltagsprobleme in bestehenden Flüchtlingsunterkünften an; andere, die sich in künftigen Einrichtungen engagierten wollen, hörten aufmerksam hin.
Vor allem, als Barbra Klein, Geschäftsführerin des Inputt, schilderte, wie sie mit ihren MitarbeiterInnen am Projekt „Über den Tellerrand“ arbeitet, mit dem sie in Kooperation mit allen Verantwortlichen Flüchtlinge unterstützen will, die bald im Elzpark Unterkunft finden sollen.
Davon, wie und wo auch im Neckar-Odenwald-Kreis Freiwilligenarbeit an Grenzen stößt, berichteten Helferinnen aus Hardheim oder Schefflenz. Jeanette Bell vom Diakonisches Werk benannte Probleme, die durch das Ungleichgewicht von Männern und Frauen in Gemeinschaftsunterkünften entstehen. Bell wünscht sich mehr männliche Freiwillige in den Hilfe- Kreisen und sieht für die Überwindung kultureller Barrieren im Umgang miteinander einen Schulungsbedarf: „Wer mit Flüchtlingsfrauen ins Gespräch kommen will, muss Männer und Kinder mitdenken“, verdeutlichte sie, dass man erst ein Gefühl für fremde kulturelle Kontexte entwickeln muss, um in Kontakt zu kommen.
Gerade wo Missstände sich zeigen, sieht Charlotte Schneidewind-Hartnagel, Sprecherin für Frauenpolitik im Landtag und Betreuungsabgeordnete der NOK-Grünen, die Asylarbeitskreise als Mittler zwischen Behörden, Betreiberfirmen von Unterkünften und Hilfsorganisationen. Sie berichtete, dass Häuser speziell für schwangere Frauen oder solchen mit Säuglingen eingerichtet werden, um Müttern und Kindern geschützte Räume zu geben. Bei der Verteilung auf Einzelunterkünfte und in der Betreuung unbegleiteter Minderjähriger waren sich viele der Anwesenden einig, dass Organisationsstrukturen und Richtlinien verbessert werden müssen, um Familien nicht auseinander zu reißen – und dass die Orientierung an den Menschen in der Zusammenarbeit aller mit Flüchtlingen Befassten vor verwaltungstechnischen Dingen stehen müsse. Simone Heitz, Grüne Landtagskandidatin im, konnte dies nur unterstreichen, würden doch auf lange Sicht Klimawandel und ungleiche Ressourcenverteilung als weitere Fluchtgründe neben Kriegen sich verschärfen.
Unser Bild zeigt von links: Charlotte Schneidewind-Hartnagel (MdL), Grünen-Landtagskandidatin Simone Heitz und Gerlinde Kretschmann (Foto: pm)