
(Symbolbild – 5598375/Pixabay)
von Diakon Manfred Leitheim (Pfarrgemeinde MOSE)
Jetzt hatten ich mit NOKZEIT abgemacht, dass wir versuchen, ob zwischen oft atemlosen aktuellen Mitteilungen auch Platz ist, um mit Gedanken zu kirchlichen Themen Luft zu holen. Und schon beim ersten Beitrag bewahrheitet sich wieder die Aussage eines Notfall-Seelsorgers: „Weißt du, wie du Gott zum Lachen bringen kannst? – Erzähle ihm einfach, was du morgen vorhast.“ – Zugegeben, das Lachen bleibt mir im Halse stecken.
Die Gedanken zum Advent mussten von meinem PC selbständig versandt werden, ich liege im Krankenhaus. Die Auskunft des Arztes in der Universitätsklinik in Heidelberg war unbarmherzig: „eine Woche Krankenhausaufenthalt nach der Operation“. Nach meiner Augenoperation warte ich auf die Entlassung. Die stimmungsvollen Messen bei Kerzenlicht zum Beginn des Advents kann ich mir erst mal abschminken. Ich hadere noch ein bisschen mit meinem Schicksal, aber das hilft ja alles nichts, so ist es nun einmal.
Ein erster Gedanke, der mir in diesen Tagen kommt: Der Körper holt sich das, was er braucht. Ich kam aus dem Trubel des Totenmonats November ins Krankenhaus. Ich denke an die Erkenntnis nomadischer Indianer: „Der Körper braucht Ruhe, die Seele will nachkommen.“ Beides ist in diesen erzwungenen Tagen der Ruhe möglich und sie tun mir auch gut.
Ich schlafe und denke viel nach und spüre, dass ich mich dem öffnen kann, was mein Weg mir sein will. Ob das so möglich gewesen wäre, wenn ich einfach hätte weiter machen können? In diesen Tagen aber wird mir dann noch etwas anderes wichtig: als Diakon habe ich meist mit verletzten und verwundeten Menschen zu tun.
Wie kann ich mich mit ihnen zusammen auf einen Weg machen, der vielleicht zur Heilung führt, wenn ich selbst nicht weiß, was Gebrochenheit heißt, was Verletzung bedeuten kann? Ich erlebe im wahrsten Sinn des Wortes hautnah, was es heißt, behindert zu sein, nicht richtig sehen zu können, in der Bewegung und im Wollen eingeschränkt zu sein. „Helfer“, die nicht um ihre eigene Verwundung wissen, die können nicht heilen. Sie können von oben herab Ratschläge erteilen, aber das hilft nicht.
Verwundete Menschen brauchen Menschen, die mit ihnen gehen, die an ihren eigenen Verwundungen leiden, die wissen, wie sich das anfühlt, wenn es wehtut. Manchmal ist das Leben eben so: ich nehme mir einen bestimmten Weg vor, aber es klappt nicht. Die Umstände verschworen sich gegen mich oder ich komme an meine eigenen Grenzen.
Und es könnte wichtig sein, trotzdem das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren oder gegebenenfalls einen anderen Weg einzuschlagen. Unterwegs bleiben, auf das Ziel ausgerichtet sein die Frage nach dem genauen Weg ist dann erst die zweite Frage.
Es kann sein, dass dies die wichtigste Woche des Jahres für mich wird, in dem der Körper sein Recht fordert, ich mich mit Grenzen und Verletzungen auseinandersetzte muss. Und es kann gut sein, dass ich in der Woche lerne, dass es sehr unterschiedliche Wege durch den Advent geben kann.
Für viele Menschen ist der Advent einfach die Zeit vor Weihnachten, eine Zeit mit Plätzchen und einkaufen und Stress und Adventskranz und „Wir sagen euch an“ und und und. – Stimmt, und doch ist der Advent mehr als eine Zeit, mehr als die dunklen Wochen vor Weihnachten. Er erinnert daran, Gott nimmt uns das Dunkel nicht – und jeder Religion, jeder Guru, der das verspricht, lügt.
Wir Menschen sind ohnmächtig und schwach und wir kommen an unsere Grenzen und wir leiden und sterben. Gott nimmt uns unser Dinkel nicht, aber er kommt zu uns in unser Dunkel, er kommt zu uns in unserer Nacht. Und in diesen Tagen geht es darum, diesem Geheimnis entgegen zu leben. Weihnachten –das ist das Unfassbare, dass Gott zu uns Menschen kommt.
Er liebt uns so sehr, dass er uns entgegen kommt, dass er zum Gekreuzigten wird. Und wir sind eingeladen Antwort zu geben, wie Maria, die „Ja“ sagt, wie die Hirten auf dem Feld der Botschaft des Engels glauben und wie die Heiligen Drei Könige dem Licht des Engels glauben – lasst uns aufbrechen und ihm entgegen gehen.
Ich wünsche eine gesegnete und besinnliche Zeit des Advents.