„Ist Gott ein Fußballfan?“

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(Symbolbild – Pixabay)

von Diakon Manfred Leitheim

Die Europameisterschaft nimmt ihren Lauf. Heute spielt England und Spanien das Endspiel. Da stellt sich eine Frage: „Ist Gott ein Fußballfan?“ Wenn ja, was für einer? Ist er ein England-Fan, der Harry Kane beisteht? Oder ist er Spanier? Fußball und Religion bilden eine Glaubensgemeinschaft.

In der Kirche singen die Gläubigen: „Herr erbarme dich“, in den Fußball-Kathedrale klingt die Hymne: „You’ll never walk alone“. „Hosianna“ und „kreuzigt ihn“ heißt es hier und dort. Glück und Leid, Euphorie und Trauer: Nirgendwo werden sie so intensiv erlebt wie in der Kirche und auf dem Fußballplatz.

Selbstüberschätzung zahlt sich nicht aus, Größenwahn bestraft der Fußballgott sofort. Hertha BSC Berlin nützte es nichts, dass es im Olympiastadion eine Kapelle gibt. Nicht nur Größenwahn, auch Hybris ist dem Fußballspiel nicht fremd. „Niemand kommt an Gott vorbei, außer Stan Libuda“, hieß es in den sechziger Jahren in Gelsenkirchen. Der Übersteiger des Rechtsaußen war legendär, aber war der Vergleich mit Gott nicht doch ein bisschen zu viel?

Abstürzende Fußballgötter oder besser Fußballgötzen hat es schon viele gegeben. Maradona mit Koks, Paul Gascoigne in der Entzugsklinik, David Beckham in Hollywood. Dass der liebe Gott ein Fußballspiel beeinflussen kann, steht außer Frage: Er kann es regnen lassen und damit das Wunder von Bern ermöglichen.

Er kann Maradona seine Hand leihen und so Argentinien zum Weltmeister machen. Fußball bringt Helden hervor. Der Ausruf „Toni, du bist ein Fußballgott“ von Herbert Zimmermann 1954 bei der Weltmeisterschaft in der Schweiz ist legendär. Auch diese Europa-Meisterschaft wird ihre Helden haben, strahlende, aber auch tragische Helden.

Vor einigen Jahren saß ich im Zug als plötzlich in der Gegend von Sinsheim ein blau-weißer Fantrupp in den Zug einstieg, bewaffnet mit Schals und Bierflaschen, schwankend und lärmend immer wieder eine Liedstrophe grölte: „Und wir siegen 1:0, Halleluja …“ Ich war damals davor, die Angetrunkenen anzusprechen, sie zu fragen, ob ihnen bewusst ist, dass sie hier einen Gottesdienst feiern. Ich habe mich dann aber nicht getraut, ich war unsicher, wie sie reagieren würden.

Religiöse Symbolik, Lobgesänge der Fans, die Rede von Fußballtempeln, wenn man Stadien meint, und immer wieder der Fußballgott mit seinem siebten Fußballer-Himmel. Fußball und Gott, hat das irgendetwas miteinander zu tun? Passt das zusammen? Oder wird etwas unzulässig miteinander vermischt? Wie soll man die vielen Gesten von Fußballern deuten: nach einem Tor laufen sie mit verklärtem Blick und zum Himmel ausgereckten Armen durchs Stadion, als wollten sie sich dort bedanken, auf irgendetwas hinweisen oder wenn sie sich ihrer Einwechslung bekreuzigen?

Mutiert hier nicht der christliche Glaube zu einem Glücksbringer und Gott zum Talisman? Da wird Gottes Wirken an einem verschossenen Elfmeter fest gemacht. Gott als Schicksal, als Bedürfnis-Befriediger meiner Wünsche. Hier trifft uns der Vorwurf des Philosophen Ludwig Feuerbach, der den Christen des 19. Jahrhunderts vorwarf: „Euer Gott ist nicht mehr als die Projektion eurer menschlichen Wünsche und Gedanken?“ Haben wir uns mit dem Fußballgott einen Götzen geschaffen?

Das Reden vom Fußballgott entspringt einem Denken, das mit dem Stichwort der Volksfrömmigkeit umschrieben werden kann. Hier spiegelt sich das Volksempfinden: ein fiktiver Gott, der Gott unserer Wünsche, soll alles entsprechend richten. Wer den Fußballgott bemüht, zeigt, dass er keine Ahnung vom Fußball und schon gar keine Ahnung von Gott hat.

Unser Denken von Gott ist viel zu klein, wenn wir ihn in erster Linie als zuständig für Fußballtabellen, Wettbüros, TV-Rechte ansehen. Was Menschen als groß und wichtig empfinden, ist bei Gott oft nichtig und unbedeutend. Weshalb sollte sich der Schöpfer der Welt um ein Spiel kümmern? Weshalb gerade um Fußball? Könnte es dann nicht genauso gut Mikado oder Einrad-Fahren sein?

Gott bleibt souverän und lässt sich nicht vor den Karren menschlicher Wünsche spannen und das ist auch gut so. Ehre, Ruhm und Titel sind in den Augen Gottes Schall und Rauch. Durch die Beziehung zu ihm aber entsteht ewiges, unvergängliches Leben; etwas das bleibt unabhängig von Erfolg oder Misserfolg, etwas das ewige Bedeutung hat.

Ist also die EM aus Gottes Sicht ein Flop? Interessiert ihn das nicht die Bohne? Ich ahne, soweit ich etwas von ihm verstanden habe, dass Gott die Europa-Meisterschaft in Deutschland auf eine andere Weise wichtig ist als uns. Was sind Gottes Ziele mit dieser Europa-Meiterschaft: Vielleicht Veränderungen in der Wahrnehmung der Völker untereinander in Gang zu setzen, vielleicht alte Vorurteil zu überwinden. Der lebendige Gott, nicht irgendein Fußballgott, hat seine Ziele mit dieser Europa-Meisterschaft, aber diese Ziele umfassten eben eines nicht: dass Deutschland Europa-Mmeister werden soll. Tragen wir es mit Fassung.

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