Dr. Dorothee Schlegel will nach der 2004 verstorbenen Brigitte Adler, die bis 2002 im Bundestag saß, die erste Sozialdemokratin sein, die den Wahlkreis in Berlin vertritt. (Foto: pm)
Odenwald-Tauber. Im Vorfeld der Bundestagswahl am 22.09.13, stellen wir unseren Leser_innen die Direktkandidaten im Wahlkreis Odenwald-Tauber vor. Von neun Bewerber_innen haben wir acht angeschrieben und um Vorstellung auf NOKZEIT/Katzenpfad gebeten. Lediglich der Kandidat der NPD erhielt keine Anfrage, steht diese Partei unserer Meinung nach doch für eine Politik der Ausgrenzung, weshalb wir solchen „Meinungen“ keinen Raum geben wollen.
Die Texte, Fotos und Videos der Kandidat_innen, die geantwortet haben, werden wir täglich einen weiteren vorstellen. Dabei gehen wir nach der Reihenfolge des Eingangs. Es gibt auch Politiker_innen, die bis zum Stichtag, am 21. August, nicht geantwortet haben. Deren Texte werden wir dennoch veröffentlichen, sofern sie sich nicht an den Texten der Mitbewerber_innen abarbeiten.
Nachdem sich gestern Ulrike Quoos (FDP) aus Osterburken vorstellte, folgt heute Dr. Dorothee Schlegel, die sozialdemokratische Politik aus Odenwald-Tauber in Berlin vertreten will. Die Texte wurden jeweils von den Kandidat_innen verfasst und von uns nicht geändert.
Dr. Dorothee Schlegel (SPD) präsentiert sich so:
Neben Ihren beruflichen und persönlichen Qualifikationen für die Tätigkeit als MdB, würden wir gerne auch etwas über den Mensch hinter der Politik erfahren. Wie kamen Sie zur Politik, zu Partei, zur Kandidatur?
Gesellschaftspolitisch habe ich mich bereits während meiner Schulzeit sehr stark engagiert, ob in der Verbandsjugendarbeit oder bei Menschen mit Behinderungen. Ein zweiter Schritt waren dann die Begegnungen mit jungen Menschen in der früheren DDR ab 1980. Das Studium der Soziologie (Gesellschaftswissenschaft) und meine Tätigkeit als Referentin im Türkischen Generalkonsulat haben mir weitere politische Einblicke in unterschiedlichste Bereiche ermöglicht. Das Motto „Nimm die Klage aus dem Mund in die Hand“ war Anstoß genug, in die SPD einzutreten.
Ich habe mittlerweile verschiedene politische Ebenen kennen gelernt, insbesondere die Kommunal- und die Landespolitik und engagiere mich im Neckar-Odenwald-Kreis, in dem ich seit 2003 beheimatet bin, als Kreisrätin, als Sportkreisvorsitzende, als Prädikantin in der Evangelischen Kirche und in der SPD auf Orts- und Kreisebene. Die Erfahrungen, die ich als Persönliche Referentin von Dr. Frank Mentrup zunächst im Kultusministerium in Stuttgart und jetzt in seinem neuen Amt als Karlsruher Oberbürgermeister machen durfte, haben mir geholfen, ein breites politisches Themenspektrum abzudecken.
Was wollen Sie in Berlin erreichen?
Je stärker unser Wahlkreis Odenwald-Tauber im Deutschen Bundestag vertreten ist, desto besser für uns alle! Gerade für den ländlichen Raum ist es wichtig, dass nicht nur ein Abgeordneter uns vertritt, um den zahlreichen Gemeinden mit ihren unterschiedlichen Herausforderungen ausreichend Gewicht zu verschaffen. Handlungsbedarf sehe ich insbesondere im sozialen Bereich – bei Bildung, Gesundheits-, Familien- und Arbeitsmarktpolitik. Hier sehe ich meinen Themenschwerpunkt und möchte die Versäumnisse der schwarz-gelben Bundesregierung der letzten Jahre mit der SPD aufarbeiten.
Durch meine berufliche Tätigkeit liegt der größte Augenmerk hierbei auf der Bildungspolitik: Ausbau der Kinderbetreuung, Ausbau der Ganztagsschulen – damit jedes Kind eine solche Einrichtung in erreichbarer Nähe hat. Flächendeckend ist dies im ländlichen Raum nicht nötig, aber das Angebot muss vorhanden sein. Dies dient zudem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Längerfristig kann über eine sinnvolle Neugestaltung der zahlreichen Familienförderungsprogramme auch erreicht werden, dass Kinderbetreuung kostenlos werden wird. Eine bessere Vergleichbarkeit der Bildungssysteme in den Bundesländern unterstützt zudem die Weiterbildung im beruflichen Bereich und an den Hochschulen.
Datenschutz
Sicherheit und Freiheit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Beide sind Fundament eines demokratischen Rechtsstaates. Der Datenschutz spielt für mich dabei eine herausragende Rolle. Gerade die Enthüllungen der letzten Wochen um die Rolle der NSA beunruhigen auch mich. Wichtig ist deshalb, dass wir eine Sicherheitspolitik mit Augenmaß beitreiben.
Effektiver Datenschutz ist ein Anliegen, dass wir nicht nur national, sondern in der gesamten EU behandeln müssen. Hierfür möchte ich unabhängige Datenschutzbeauftragte und die Zusammenarbeit mit Experten der Netz-Community und mit Bürgerrechtsorganisationen ausbauen.
Klar ist: Vertrauliche Kommunikation muss vertraulich bleiben! Den Umgang mit Verbindungsdaten möchte die SPD auf die Verfolgung schwerster Straftaten beschränken, die Datenarten und Speicherdauer hinsichtlich der Eingriffsart differenzieren. Die Speicherung von Bewegungsprofilen lehnen wir ab.
Unsere Ermittlungsbehörden müssen jedoch auf Augenhöhe mit hochtechnisierten Kriminellen, insbesondere im Bereich der zunehmenden Cyberkriminalität, bleiben. Hierzu muss die für die digitale Welt vorhandene Sicherheitsarchitektur stetig auf Effektivität und Effizienz, aber auch auf Verhältnismäßigkeit überprüft und entsprechend fortentwickelt werden.
Ganz besonders wichtig ist mir, dass keine Privatisierung von Sicherheitsaufgaben erfolgt, um stets eine parlamentarische Kontrolle zu ermöglichen.
Soziale Gerechtigkeit
Soziale Gerechtigkeit ist Markenkern der SPD – und das seit 150 Jahren. „Starke Schultern können mehr tragen als schwache“. Solidarität bedeutet ein Geben und Nehmen, damit das Gemeinwohl, von dem wir letztlich alle profitieren, bestehen bleibt. Dazu gehören gleiche Chancen für alle – unabhängig von der Herkunft oder dem Geldbeutel der Eltern, unabhängig vom Geschlecht – denn Frauen verdienen immer noch 23% weniger als Männer in vergleichbaren Berufen.
Soziale Gerechtigkeit bedeutet aber auch die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns von mindestens 8.50 EUR/Stunde – und die Ausweitung des Tariftreuegesetzes im ganzen Land. Das bedeutet: öffentliche Einrichtungen, wie unsere Kommunen, müssen darauf achten, alle ihre Verträge nur mit denjenigen Firmen abzuschließen, die nach Tarif bezahlen. Über 10.000 Menschen allein im Neckar-Odenwald-Kreis verdienen weniger als 8.50 EUR/Stunde und fast jedes 9. Kind ist von Armut betroffen – und wie viele Menschen sich im Alter finanziell an die Decke strecken müssen, können wir nur ahnen. Diese Menschen liegen mir sehr am Herzen – und damit hier vieles getan wird, setze ich mich dafür ein, Strukturen zu verändern, dass in unserem reichen Land niemand „durch das Netz fallen wird“.
Energie
Erneuerbare Energien sind die Basis der Energiewende. Sie funktionieren bestens in dezentraler Struktur: Energie wird dort erzeugt, wo sie verbraucht wird. Hierfür müssen jetzt endlich die notwendigen Schritte initiiert werden. Dazu gehören unter anderem die Verbesserung dezentraler Netzstrukturen, neue Grundlagen für die Strompreisgestaltung oder auch die Ermöglichung regionaler Erzeuger-Verbraucher-Strukturen. Die für diese Ziele gebauten und noch zu bauenden PV- und Windkraftwerke werden häufig von Bürgergenossenschaften betrieben, so dass Erfolg und Rendite in der Region verbleibt und beteiligten Bürgern, Kommunen, Unternehmen und Institutionen zu Gute kommt.
Demografischer Wandel und Überalterung
Beide Stichworte zusammen bilden das wohl komplexeste und herausfordernste Thema des 21. Jahrhunderts, das wir dringend anpacken müssen. Der demografische Wandel ist Querschnittsaufgabe in vielen Bereichen. Ob es um Gesundheitspolitik oder Pflege geht – wir werden alle immer älter, ob es um Prävention und Rehabilitation geht, aber genauso um Tourismus und neue Möglichkeiten für das Handwerk und die neue E-Mobilität, ob es um altersgerechte Wohnungen geht oder darum, dass wir eine gute ärztliche Versorgung brauchen. Die Renten sind davon betroffen und damit unser ganzes Sozialsystem, in das immer weniger erwerbstätige Menschen einbezahlen.
Dem Fachkräftemangel, der daraus entsteht, dass viele kompetente Menschen aus dem Erwerbsleben aussteigen und immer weniger Fachpersonal nachrückt, da die Anzahl der jungen Menschen drastisch sinkt, können wir begegnen, indem wir bessere Arbeitsbedingungen für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schaffen – denn wir brauchen ihr Können und Wissen. Fort- und Weiterbildung, sowohl inner- als auch überbetrieblich, ist eine weitere Möglichkeit und die nach den jeweiligen Fähigkeiten bestmögliche Ausbildung für alle Kinder in unserem Land – von Anfang an. Eine Willkommenskultur für alle Einwanderer, die als Studenten, als Fachkräfte, als Familienangehörige nach Deutschland kommen – wer gerne hier lebt, integriert sich übrigens ohne Probleme.
Stadtflucht und Erhalt der Infrastruktur
Diesem jahrhundertealten Phänomen können wir nicht allumfassend begegnen, denn Städte üben eine Faszination aus. Aber mit guter Kinderbetreuung, ob in der Kita oder bei Tagesmüttern, ob mit Ganztagsschulen, schaffen wir es, Familien hier zu halten. Denn Platz und frische Luft, die Vorzüge des ländlichen Raums, sind da.
Eine bessere Ärzteversorgung und der gute Ausbau der ambulanten und stationären Pflege sind notwendig, ebenso der Erhalt der heimischen Wirtschaft, der kleinen und mittelständischen Unternehmen und nicht zuletzt die Sanierung und da, wo es notwendig ist, der Ausbau von Straßen und Datenautobahnen. Dies sind Mosaiksteine, die dazu beitragen, in unserem Landkreis gut leben und arbeiten zu können.
Konversion – Umnutzung von Flächen
Hier würde ich mir eine frühzeitige Einbindung der Bevölkerung wünschen, um miteinander zu überlegen, wie ein Gelände, das auf der jeweiligen Gemarkung liegt, der Gemeinde dienlich wäre. Die Abwicklung über den Bund muss schneller zum Ziel kommen, damit Investoren am Ball bleiben und gute Ideen nicht verloren gehen. Masterpläne – klingen gut, sind aber meist langfristig angelegt und eben nur unter Beteiligung der Bevölkerung eine gute Sache.
Unter Konversion kann auch die Neunutzung der Gebäude in den Ortskernen verstanden werden, sofern sie leer stehen oder leerzustehen drohen. Eine lebendige Innenstadt, ein lebendiger Ortskern – der Erhalt von Einkaufsmöglichkeiten und Treffpunkten – kann in diesem Bereich entstehen, wozu es seit vielen Jahren Zuschüsse aus diversen Förderprogrammen gibt. Dies steht eng im Zusammenhang damit, wie wir konkret vor Ort dem demografischen Wandel begegnen können, ohne ihn irgendwann als Schreckgespenst des 21. Jahrhunderts wahrzunehmen.
Infos im Internet:
Bisher im NOKZEIT-Kandidatencheck: