
(Foto: privat)
Von Hans Slama
Mudau. Die Frage warum gerade Mudau das Ziel eines Luftangriffs wurde beschäftigte die Menschen schon damals und auch heute noch. Bomben auf Großstädte ja, aber auf das für den Kriegsausgang unbedeutende Mudau, warum?
Vermutungen von damals, die Massen der auf dem Rückzug befindlichen Landser wären der Grund für den Angriff gewesen können heute, 80 Jahre danach, relativiert werden. Das Zentrum der Bombeneinschläge lag abseits der Hauptstraße zwischen Kirche, „Bembel“ und Schule. Ein Blick zurück ergibt, dass der Schrecken des Krieges im Odenwald lange nicht direkt zu spüren war.
Zwar wurde schon 1939 im Neuhof eine große Waldfläche, vermutlich war es nur geringwertiges Gehölz, zur Anlage eines Flugplatzes umgestaltet. Nach dem schnellen Sieg über Frankreich wurde der Platz lediglich nur noch als Ausweichlandeplatz aufrechterhalten.
Im Juli 1943 wurden etwa 200 Frauen und Kinder aus Witten-Annen nach Mudau evakuiert. Zudem suchten viele Fliegergeschädigte aus dem Raum Mannheim, Ludwigshafen und Frankfurt bei ihrer Verwandtschaft eine sichere Unterkunft. Vereinzelt fielen Bomben auf die Bahnlinie Mosbach-Mudau. So in Limbach und auch in Langenelz. Auch gab es Angriffe auf einzelne Personen.
Oftmals wurde der Raum von Bombergeschwadern überflogen. Es gab jeweils Alarm und auch das Verdunkeln nahm man nicht auf die leichte Schulter. Erst zum Kriegsende Anfang März 1945 wurden mit dem raschen Näherkommen der Front mehrere Abteilungen des Kaiser-Wilhelm-Forschungsinstitutes aus Heidelberg ausgelagert, so in eine Schule nach Tauberbischofsheim, nach Erlangen und in den Westflügel des Schulhauses in Mudau.
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Abonnieren Sie kostenlos unserenDas gab dann im Nachhinein Anlass für Spekulationen zur Strahlenforschung in der Kernphysik zwecks Atombombe. Nun mit was beschäftigte sich diese Abteilung wirklich? Während des Krieges sollte das ganze Institut für Medizinische Forschung kriegswichtige Arbeiten ausführen. Physiker mussten an der Abwehr der Radar-Ortung der deutschen U-Boote und Flugzeuge arbeiten.
England hatte nämlich schon im Jahre 1934 mit praktischen Arbeiten auf dem Radargebiet begonnen. Deren wichtige Entwicklung im Jahre 1942, mit einer Wellenlänge von weniger als 10 cm, markierte eine Wende des Krieges.
In Deutschland leitete Dr. Isolde Hausser, als Spezialistin in der Röhren- und Strahlenforschung in der Medizin das Funkmess- und Radarprogramm. Sie war auf diesem Gebiet in der Messtechnik am sachkundigsten. Ihre Abteilung wurde nach Mudau ausgelagert. Ihr Sohn war ebenfalls Physiker und bei der Kriegsmarine. Damit wurde sie über ihren Sohn als inoffizielle Beraterin tätig.
Um den deutschen Wissenschaftlern und Technikern wegen dem vermuteten Bau einer Atombombe schnell auf die Spur zu kommen hatten die Amerikaner und Engländer eine besondere Einheit gebildet. Das Projekt wurde mit dem Namen ALSOS in Zusammenarbeit mit Armee und Geheimdiensten geführt.
Nach der Befreiung Frankreichs im August 1944 konnten die Alliierten Informationen über das deutsche Uranprojekt und deutsche Physiker erfahren, die während der Okkupation dort gearbeitet hatten. Auch konnte schweres Wasser und Uran sichergestellt werden, ebenso die Namen deutscher Wissenschaftler und Dokumente.
Wie man heute weiß waren deutsche Wissenschaftler vom Bau einer Atombombe weit entfernt. Früher oder später kamen die ALSOS-Nachrichtenforscher wohl schon geheimdienstmäßig nach Heidelberg. Wann ALSOS die Information, zu der wohl erst vor kurzer Zeit vom Kaiser-Wilhelm-Institut ausgelagerten Abteilung nach Mudau erhalten hatte, ist nicht bekannt, muss aber zuvor gewesen sein.
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Abonnieren Sie kostenlos unserenDer jetzt am 27. März folgende Luftangriff mit etwa sechs bis acht Jagdbombern war die logische Folge. Nach der von der Gemeinde Mudau erstellten Schadensliste und Rekonstruktion kann man davon ausgehen, dass der Angriff zielgenau durchgeführt wurde. Die Treffer liegen alle in einer Schneise. Dabei kamen Hausser und ihr Sohn nur durch einen glücklichen Zufall unbeschadet davon. Allerdings wurden fast alle Apparaturen vernichtet.
Beim Luftangriff kamen im Schulhaus zwei Kinder und im Anwesen des Sägewerkbesitzers Fritz Link weitere fünf Personen ums Leben. Das Schulhaus brannte aus und das Wohnhaus des Franz Schlär wurde vernichtet. Während des Kirchenbesuchs fiel eine Bombe durchs Fenster, was Panik auslöste. Die Kirchenbesucher flüchteten Richtung Sakristei.
Gemäß der Niederschrift der Gemeinde vom 10. August gab es an 19 Gebäuden Schäden, ebenso sechs registrierte Verletzte, laut der Bevölkerung waren es sogar 36 Brandherde, wohl kleinere. Auffallend sind die Brände der vielen landwirtschaftlichen Ökonomie Gebäuden, was in deren Bauweise liegt. Häuser aus Stein waren bei den abgeworfenen Brandbomben nicht so gefährdet. Viele Bomben fielen zum Glück in die Wiesen am „Sottteichgraben“.
Bei der am 30. März beginnenden Besetzung von Mudau durch die Amerikaner wurde Hausser als angebliche Kriegsteilnehmerin verhaftet. Durch die Vermittlung von Richard Kuhn, der mit den Amerikanern zusammenarbeitete, durfte sie bald nach Heidelberg zurückkehren. Politisch war sie unbelastet. Sie war weder Mitglied der NSDAP noch in einer der angeschlossenen Organisationen. Schon Anfang 1946 konnte sie ihre Arbeit am Institut wieder aufnehmen.
Nun zur vermuteten Kernphysik-Forschung in Mudau kann festgestellt werden, dass Isolde Hausser, ebenso wie ihre Kollegen in Heidelberg sicher davon wussten. Heinz Maier-Leibnitz hat beschrieben, wie er ein halbes Gramm Radium (Radioaktivität ½ Curie = 18,5 Becquerel) in einem Bleibehälter per Fahrrad von Heidelberg nach Tauberbischofsheim brachte. Hier befand sich nach der Auslagerung die Abteilung Kernphysik.
Der Heimat- und Verkehrsverein Mudau bietet am Freitag, 04. April, um 18 Uhr, eine Führung zu diesem Thema, den entstandenen Schäden und dem Ereignis an.