Es droht dramatischer Ärztemangel

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„Schwarz-gelb kostet Leben“

Waldbrunn. Zu einer Wahlkampfveranstaltung mit dem Thema „Gesundheit muss bezahlbar bleiben“ hatte der SPD-Landtagsabgeordnete Georg Nelius nach Waldbrunn geladen, wo er und ein mit Experten besetztes Podium vom Waldbrunner SPD-Vorsitzenden Bürgermeister Klaus Schölch in der Aula der Winterhauch-Schule begrüßt wurde.

Zu den Experten gehörte Verdi-Bundesvorstand Herbert Weisbrod-Frey, die AWO-Kreisvorsitzende Gabriele Teichmann und SPD-Kreisrat Norbert Bienek in seiner Funktion als Aufsichtsrat der Neckar-Odenwald-Kliniken und gesundheitspolitischer Sprecher der SPD Neckar-Odenwald. Als Moderato fungierte AWO-Geschäftsführer Peter Maurus.

Bevor man in die Thematik einstieg, forderte Moderator Maurus die zahlreich erschienen Zuhörer dazu auf, eine Gedenkminute für die Opfer der Katastrophen in Japan einzulegen. Neben den schrecklichen Folgen für die Menschen zeige sich auch die Bedeutung einer funktionierenden Gesundheitsinfrastruktur, womit Maurus zum Thema des Abends überleitete.

Herbert Weisbrod-Frey, der im Verdi-Bundesvorstand für den Fachbereich „Gesundheit“ zuständig ist, informierte mit einem Kurzreferat die Probleme der schwarz-gelben Gesundheitsreform. Dem Minister Dr. Philipp Rösler sei es gelungen, bei der bisher solidarisch finanzierten Krankenversicherung nach 127 Jahren einen Systemwechsel einzuleiten, der von vielen so noch gar nicht wahrgenommen worden sei. Neben der Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags, die bereits jetzt dazu führe, dass Arbeitnehmer fast ein Prozent mehr zahlen als Arbeitgeber, bedeute dies auch, dass jede weitere Erhöhung voll und ganz vom Versicherten zu tragen sei. Damit sei der erste Schritt hin zu einer unsozialen Kopfpauschale getan, hob der Verdi-Experte hervor. Darüber hinaus erläuterte Weisbrod-Frey, dass bereits heute über die Hälfte der gestiegenen Gesundheitskosten aus privaten Mittel getragen werde müssten. Die Zusatzbeiträge, die inzwischen von einigen Kassen in unterschiedlicher Höhe eingefordert werden, belasten kleinere und mittlere Einkommen unverhältnismäßig stark, zeigte der Gewerkschaftler auf. Während ein Mensch mit einem Monatseinkommen bis zum 11,7 Prozent seines Einkommens für die Krankenkasse zahlen müsse, sei es bei Menschen mit 4.000 Euro Monatseinkommen lediglich 8,61 Prozent, was einmal mehr die unsoziale Politik des FDP-Gesundheitsministers beweise. Die Röslersche Trickserei führe dazu, dass der Zusatzbeitrag je Versicherten auf bis zu 72 Euro je Versicherten steige, wie eine Untersuchung der Uni Duisburg-Essen belege. Rösler zerstöre somit ein bewährtes System, dass auf Solidarität beruhte, indem breitere Schultern auch größere Lasten tragen.
Der richtige Weg sei daher eine Weiterentwicklung des paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanzierten Systems hin zu einer sogenannten Bürgerversicherung. Dabei sollen auch andere Einkommensarten in die Versicherung einbezogen werden.

Dieser Artikel ist mir was wert: [flattr btn=”compact” tle=”Schwarz-gelbe Gesundheitsreform kosten Leben” url=”https://www.nokzeit.de”] Die AWO-Kreisvorsitzende Gabriele Teichmann warnte anschließend vor einer Fortschreibung des unsozialen FDP-Modells hin zu Vorkasse. Dies führe dazu, dass das bisherige Sachleistungsprinzip, bei dem Ärzte und Kliniken mit dem Krankenkassen abrechnen, durch ein Vorkasse-Modell abgelöst werde. Der kranke Mensch erhalte vom medizinischen Leistungserbringer eine Rechnung, die er finanzieren müsse. Es könne jedoch passieren, dass die Krankenkasse nicht alles erstatte, sodass ein Versicherter auf den Restkosten sitzenbleibe. Dies fände auch bei Medikamenten Anwendung. Hier habe Rösler in einem Kotau vor der Pharmaindustrie auf Rabatte zugunsten der Kassen verzichtet, sodass die Konzerne wieder volle Gewinne einfahren könnten.
Insgesamt betrachte führe das Vorkasse-Modell für Versicherte in die Schuldenfalle, da zwischen dem Rechnungs- und dem Erstattungsbetrag Tausende von Euro Differenz liegen können, die ein Mensch neben seiner Erkrankung entweder einklagen oder eben aus eigener Tasche finanzieren müsse. In konkreten Zahlenbeispielen belegte die Krankenkassenexpertin ihre Ausführungen an nachvollziehbaren Erkrankungen. Für Gesundheitsminister Philipp Rösler brauche man daher einen Eduard Zimmermann, der in einer seiner TV-Sendungen vor „Neppern, Schleppern, Bauernfängern“ gewarnt habe.
Ein Wechsel in Baden-Württemberg sei in diesem Kontext ein wichtiges Warnsignal für die unsoziale Politik in Berlin, so Gabriele Teichmann abschließend. Denn nur so sei es zu verhindern, dass es zahlungsunfähige Menschen gebe, die ihre kranken Kinder nicht behandeln lassen können.

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD Neckar-Odenwald Kreisrat Norbert Bienek berichtete als Aufsichtsrat der Neckar-Odenwald-Kliniken kurz aus dem klinischen Alltag. Außerdem betonte er, dass die schwarz-gelbe Politik „Gesundheit gegen Vorkasse“ durchaus tödlich verlaufen könne.

MdL Georg Nelius hob anschließend hervor, dass man als Landespolitiker über den Bundesrat durchaus Einfluss auf gesundheitspolitische Entscheidungen in Berlin nehmen könne. Daher sei auch die Mappus-Regierung für die Entsolidarisierung im Gesundheitssystem verantwortlich und trage damit ihren Anteil an der 3-Klassen-Medizin in Deutschland. Außerdem habe die Landesregierung viel zu lange darauf verzichtet, in Klinikbau bzw. –sanierung zu investieren. Im Hinblick auf die Wahlen am 27. März habe Stuttgart zwar 340 Mio. Euro frei gegeben, womit man als eines der wohlhabendsten Bundesländer aber noch immer um 16 Prozent unter dem Durchschnitt aller Bundesländer liege.

Auch im Bereich der Hausarztversorgung hätten schwarz-gelbe Politiker zu lange auf die Selbstverwaltung der Kassenärztlichen Vereinigungen gesetzt, statt steuernd einzugreifen. Dies führe zu einem dramatischen Rückgang an Hausarztpraxen im Neckar-Odenwald-Kreis. Während derzeit noch 92 Mediziner praktizieren, seien es im Jahr 2015 nur noch 50 Ärzte, die den 150.000 Kreisbürgern zur Verfügung stehen. In Waldbrunn wird laut dieser Prognose von den bisher zwei Praxen in vier Jahren keine mehr vorhanden sein. Dabei gebe es in Großstädten eine Überversorgung, hob Nelius hervor. Es sei also nicht so, dass man von einem Ärztemangel sprechen müsse. Es gehe lediglich um eine bessere Steuerung. Neben besseren Rahmenbedingungen könnten auch medizinische Versorgungszentren oder Zweigpraxen passende Lösungen sein, stellte der Landespolitker dar. Kein Arzt wolle heute noch rund um die Uhr verfügbar sein. Hausarztmodelle und Lockerungen von ambulant zu stationär waren weitere konstruktive Überlegungen des Sozialdemokraten Georg Nelius.
Bei der Wahl am 27. März habe Baden-Württemberg die einmalige Gelegenheit der Unterversorgung sowie der Entsolidarisierung der Gesellschaft entgegen zu wirken.

Abschließend stellten sich die Experten den Fragen der Zuhörer. Dabei betonte MdL Georg Nelius unter anderem, dass sich derzeit keine Privatisierung der Neckar-Odenwald-Kliniken abzeichnen. Zwei Kliniken für 150.000 Bürger seien notwendig, weshalb das jährliche Defizit zu verantworten sei.

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Bürgermeister Klaus Schölch (re.) begrüßt von links: Kreisrat Norbert Bienek, AWO-Kreisvorsitzende Gabriele Teichmann, AWO-Geschäftsführer Peter Maurus, Ver.di-Bundesvorstand Herbert Weisbrod-Frey und MdL Georg Nelius. (Foto: Hofherr)

Infos im Internet:
www.georg-nelius.de

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