_Das Mosbacher Hospital als Wohnhaus im Jahre 1962, dessen Eingang sich damals noch an der Seite des Gebäudes befand (li.). Im Stadtarchiv finden sich verschiedenste Archivalien zur Sozialeinrichtung, hier ein Vertrag zur Aufnahme in das Spital aus dem Jahre 1584. (Foto: Stadtarchiv/Stadtmuseum)
Sozialeinrichtung des Spätmittelalters – „Dass sich keiner Hunger noch Mangel zu beklagen hat“
Mosbach. (pm) Im späten Mittelalter wuchsen städtisches Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl. Vor genau 600 Jahren, im Jahr 1421, legten Bürgermeister und Rat der Stadt den Grundstein für den Mosbacher Hospitalfonds. Die Anfänge dessen liegen im – durch die Bürgerschaft initiierten – Erwerb eines Gebäudes „für die elenden armen Leute und Pilgrimme“. In diesem sollten mittellose Durchreisende Obdach und Versorgung und bedürftige Stadtbewohner Aufnahme finden.
Mit der zusätzlichen Schaffung eines Aussätzigenhauses übernahm die Stadt Mosbach somit die komplette „geschlossene“ Armenfürsorge, die zuvor von der Kirche geleistet worden war. Größere Einkünfte erhielt das sogenannte Hospital ab 1430 durch mehrere Stiftungen an Geld und Nahrungsmitteln, so durch zwei Vermächtnisse Konrad von Heuchelheims, Domherr und Probst in Speyer und Pfalzgraf Otto I.
Auch erwarb die Stadt zwischen 1432 und 1474 verschiedene Besitzungen, die der Versorgung des Spitals dienten. Die dreiteilige Organisationsstruktur der Einrichtung, die bis ins 19. Jahrhundert Bestand hatte, etablierte sich bereits im 15. Jahrhundert: Die Oberaufsicht führte der Rat der Stadt, zwei Spitalmeister hatten die Geschäftsführung und Vermögensverwaltung inne. Hausmeister und Gesinde waren zuständig für die Versorgung der Bewohner inklusive der Feld- und Viehwirtschaft.
Eine erhebliche Erweiterung und Umgestaltung erfuhr die kommunale Selbstversorgung im 16. Jahrhundert. Angehörige der vermögenden Bevölkerungsschichten erhielten die Möglichkeit, sich mit größeren Geldsummen lebenslange Beherbergung und Versorgung im Hospital zu erkaufen. Für einen Sonderpreis von 50 Gulden konnten sich alternde Ratsherren, nach einem kurfürstlichen Erlass aus dem Jahr 1517, ins Hospital einkaufen. Dies war auch für zahlungskräftige Auswärtige möglich.
Durch diesen neuen Personenkreis veränderte sich die Ausrichtung des Hospitals. Bis in die zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war es gleichzeitig Durchwandererasyl, städtisches Armenhaus und Pfründnerheim. Erst nachdem die Gutleutanlage vor den Toren der Stadt umgestaltet und erweitert worden war, wandelte sich das Hospital in ein reines Altenheim mit „bepfründeten“ Bewohnern.
Fremde, Waisen, Kranke und arme Bewohner Mosbachs lebten nun in der Gutleutanlage. Zur gleichen Zeit verbesserte sich auch die ökonomische Basis des Hospitals erheblich: Pfalzgraf Friedrich entschied 1564, 2/3 der Gefälle, welche die abgebrochene Kirche St. Cäcilia erhalten hatte, dem Altenheim zuzusprechen. 1567 kamen noch erhebliche Mengen an Naturalien wie Wein, Hafer und Korn aus den Einkünften des aufgelösten Chorherrenstifts hinzu.
Zu interessanten Aspekten des Alltags im Hospital forschte vor gut drei Jahrzehnten der (früh verstorbene) Mosbacher Heimatforscher Werner Blesch. Anhand von Quellenmaterial zeichnete er ein lebendiges Bild des Lebens im Hospital: Die Bewohner des Spitals waren, so zitiert Blesch eine Beschreibung aus dem Jahr 1686, „alte baufällige Bürgersleuthe, Manns- und Weibspersonen, so ihrer Nahrung nicht mehr nachzukommen vermögen“.
Die Belegungszahl des (überkonfessionell ausgerichteten) Wohnheims schwankte. 1650 waren es 10 Bewohner, im Jahre 1763 zeitweise über zwanzig. Beim engen Zusammenleben gab es Standesunterschiede, beispielsweise in der Sitzordnung bei den Mahlzeiten. Schon 1498 hatte sich der ehemalige Vikar und Pfarrer Resch das Recht zusichern lassen, beim Essen “oben uff bei dem Hausmeister” sitzen zu dürfen. 1650 musste der Stadtrat die Pfründner sogar ermahnen, keinen Extratisch zu bilden.
Schicht- bzw. Vermögensunterschiede wurden auch in Qualität der Unterkunft und der Verpflegung deutlich, abhängig von der Geldsumme, die beim Eintritt in das Hospital entrichtet wurde. Ein Oberpfründner erhielt zwei bis drei Mal pro Woche Fleisch, einem Unterpfründner stand dies nur an Sonn- und Feiertagen zu. Ähnlich gestaltete sich die Zuteilung von Wein. Ein Oberpfründner bekam im Jahre 1733 täglich zwei Schoppen (etwa 1 Liter) zugeteilt.
Der Tagesablauf der Hospitalbewohner war strukturiert durch die Essens- und Öffnungszeiten der Einrichtung. Man traf sich zu Frühstück und Abendessen, Mittagessen wurde nicht gereicht: “Sollen sich die Pfrundtner mit den beiden täglichen Mahlzeiten sättigen laßen”, so die Hausordnung von 1661. Zu den Mahlzeiten rief die Essensglocke, wer zu spät erschien, verwirkte seinen Anspruch.
Vor Essensbeginn wurde die Eingangstür zum Hospital verschlossen. Eine Reihe von Vorschriften der Hospitalordnung beschäftigte sich mit den Verhaltensweisen bei den Mahlzeiten. So hatten sich die Pfründner “ehrbarlich und nicht ohne Kragen” zum Essen einzufinden. Fleischstücke aus der gemeinsamen Schüssel zu nehmen, anzubeißen und wieder zurückzulegen, war untersagt…
Verboten war auch das Kritisieren des Weines oder der Speisen. Schmeckte das Essen nicht, so sollte dieses einfach stehengelassen und die Tischnachbarn “deßhalben unbetrübt und unbelästigt“ gelassen werden. Genau geregelt war der Fleischkonsum. So erhielt ein Oberpfründner 1763 donnerstags und sonntags jeweils ein halbes Pfund Fleisch, ein Unterpfründner kam nur sonntags in den Genuss dieser Menge.
Die Hausordnung von 1661 garantierte dem Pfründner, “dass sich keiner einigen Hunger noch Mangel zu beklagen hat”. 1762 beklagten sich dennoch einige Bewohner darüber, dass man ihnen vor den Mahlzeiten das Fett von den Speisen abschöpfte.
Erst im Jahr 1816 endete die Zeit des Hospitals als Altenheim bzw. Pfründneranstalt. Die Wohnkammern wurden nun bedürftigen Stadtbewohnern kostenfrei oder zu einer günstigen Miete zur Verfügung gestellt. Dadurch lebten auch mehr Menschen als zuvor im Gebäude. Ab 1838 standen drei der Zimmer als Gesindespital zur Versorgung kranker Dienstboten und Handwerkergesellen zur Verfügung.
Das 19. Jahrhundert ist geprägt von der Gründung von Spezialeinrichtungen im Bereich der Sozial- und Gesundheitsfürsorge, die sich dann nicht mehr in städtischer Trägerschaft befanden, etwa 1866 das Bezirksspital als Krankenhaus und 1880 die heutige Johannes-Diakonie.
Bis in die 1970er Jahre diente das Hospitalgebäude als Unterkunft für arme Stadtbewohner, bis es die Stadt Mosbach Ende der 1970er Jahre nach Sanierung als Kulturzentrum neu einrichtete. Im Jahre 1984 wurde mitten in der Stadt und mit öffentlichen Mitteln des Hospitalfonds das Seniorenzentrum Pfalzgrafenstift Mosbach geschaffen.
Seit 2019 ist die Johannes-Diakonie Betriebsträger des Wohnstifts. Sie betreibt es in enger Kooperation mit der Stiftung Hospitalfonds als karitativ-diakonische Einrichtung. Damit lebt die Idee des Hospitalfonds auch nach 600 Jahren weiter.