Von Sonderlingen zu gefährlichen Terroristen

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(Grafik: Verlag/Amazon)

Reichsbürger – Buchdokumentation beleuchtet die Boxberger Schießerei und Radikalisierung in der Szene

Eine ungewöhnliche Buchvorstellung

Mosbach. (bd) – Die KZ-Gedenkstätte Neckarelz bot vergangene Woche den Rahmen für eine außergewöhnliche Buchpräsentation. Strenge Sicherheitsvorkehrungen prägten die Veranstaltung: Anmeldung bei der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus, Ausweiskontrolle und ein Fotografierverbot. Der Autor Timo Büchner, der sich inkognito hält, präsentierte sein neuestes Werk Reichsbürger im Südwesten. Die Akte Ingo K. aus Bobstadt. Büchner recherchiert seit Jahren zu rechtsextremen und rechtsterroristischen Strukturen und versucht, unerkannt zu bleiben – mit Erfolg, wie seine digitale Unsichtbarkeit zeigt.

Der Fall Ingo K.: Von Verschwörungsideologien zur Gewalt

Das Buch erschien am 15. November, genau ein Jahr nach der Verurteilung von Ingo K. wegen versuchten Mordes zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft. Büchner schildert detailliert den Werdegang des ehemaligen Kampfsporttrainers, der durch persönliche Niederlagen, Schulden und Vorstrafen in eine Welt von Verschwörungstheorien abdriftete. Seine Radikalisierung führte ihn in die Reichsbürgerszene, wo er den Staat, „die Eliten“ und „die Juden“ für seine Probleme verantwortlich machte.

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Am 20. April 2022 eskalierte die Situation, als das SEK in Bobstadt seine Waffe sicherstellen wollte. Trotz mehrfacher Aufforderungen hatte K. die Pistole nicht abgegeben. Als das Sondereinsatzkommando den Zugriff wagte, feuerte K. mit einem Sturmgewehr gezielt auf die Beamten. Ein Polizist wurde schwer verletzt, ein anderer nur durch ein Schutzschild gerettet. Das Oberlandesgericht Stuttgart kam zu dem Schluss, dass K. gezielt Polizeikräfte töten wollte.

Waffenarsenal und krude Ideologien

Nach stundenlanger Belagerung kapitulierten K. und sein Hausgenosse Max A. Der Einsatz förderte ein umfangreiches Arsenal zutage: illegale Waffen, Munition und NS-Devotionalien. K.s Weltbild war durch zahlreiche Verschwörungstheorien geprägt – von Chemtrails bis hin zu vermeintlichem Kinderfleisch bei McDonald’s. Er plante sogar, „geheime Bunker“ für Migranten in Sachsen zu suchen, die angeblich auf die deutsche Bevölkerung „losgelassen“ werden sollten.

Die Rolle der Coronapandemie bei der Radikalisierung

Schon 2016 hatte K. sich einen „Reichsbürger-Ausweis“ beschafft und an rechten Protesten teilgenommen. Die Pandemie verschärfte seine Radikalisierung, und er wurde ein regelmäßiger Teilnehmer von „Mahnwachen für das Grundgesetz“ der Querdenker-Szene. Büchner dokumentiert in seinem Buch, dass K.s krude Thesen von vielen seiner Nachbarn akzeptiert wurden – nur eine einzige widersprach ihm entschieden.

Baden-Württemberg als Hochburg der Reichsbürger

Besonders beunruhigend ist Büchners Bericht über die Vernetzung der Reichsbürgerszene im Südwesten. Mit etwa 4.000 Anhängern ist Baden-Württemberg ein Brennpunkt, wobei 10 % der Reichsbürger als gewaltbereit gelten. Die Razzien der letzten Jahre – wie die Entdeckung einer Waffenkammer in Jettingen oder der Angriff auf einen Polizisten in Reutlingen – unterstreichen die Bedrohung durch diese Szene.

Wie kann Radikalisierung verhindert werden?

In der Diskussion rückte die Frage in den Fokus, wie man Radikalisierung frühzeitig erkennt und dagegen vorgeht. Büchner betonte, dass Menschen, die sich ausschließlich in radikalisierten Kreisen bewegen, kaum noch zurückgeholt werden können.

Die Coronapandemie habe in vielen Fällen als Katalysator für die Abkehr von gesellschaftlicher Realität gewirkt – so auch bei K., der spätestens nach seinem Umzug nach Boxberg den Kontakt zur Außenwelt weitgehend abbrach.

Die Buchvorstellung machte deutlich: Die Reichsbürgerszene darf nicht unterschätzt werden. Sie vereint gefährliche Ideologien, Waffenarsenale und eine zunehmende Gewaltbereitschaft, die eine Herausforderung für Staat und Gesellschaft darstellt.

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