25.07.10
Wehmutig blickt die Allgemeinmedizinerin auf mehr als ein Jahrzehnt Landarztpraxis zurück. (Foto: Hofherr)
Waldbrunn. Nachdem in der überregionalen Berichterstattung bereits seit Monaten vom Praxissterben im ländlichen Raum die Rede ist, erreicht das Phänomen nun auch Waldbrunn. Zum 30. Juli 2010 schließt die Allgemeinmedizinerin Dr. Dagmar Koppe ihre Hausarztpraxis im alten Milchhäusel in der Freiherr-von-Drais-Straße in Waldkatzenbach.
„Ich werde meine Patienten und Waldbrunn sehr vermissen”, so die Medizinerin im Gespräch mit unserem Magazin. Die ständigen Kürzungen beim Ärztehonorar und beim Arzneimittelbudget sowie die immer weiter ausufernde Bürokratisierung sind letztlich für die Entscheidung der Hausärztin verantwortlich. Im neuen Jahr musste die Praxis trotz zahlreicher Hausarztverträge mit diversen Krankenkassen einen weiteren Einnahmeverlust hinnehmen, berichtet Dr. Koppe resigniert. Dabei gehe es nicht nur um ihr eigenes Einkommen, sondern auch um die Bezahlung des Praxisteams.
Nach elf Jahren, acht davon im sanierten Milchhäusel, sei der Punkt erreicht, der einen Schlussstrich notwendig macht. Voll Idealismus habe sich ihr Studium angetreten, voll Schwung und Leidenschaft für ihre Patienten dann die Facharztausbildung absolviert und eine Praxis eröffnet, um nach und nach in immer neuen „Gesundheitsreformen” zerrieben zu werden. Ständige Gesetzesänderungen seien permanent zu Lasten des Patienten-Arzt-Verhältnisses gegangen. Bürokratie und Verwaltung, statt Gesprächen zum Wohle kranker Menschen und deren Heilung. Ein Patient sei heute nur noch ein betriebswirtschaftlicher Faktor. Wolle man dem System entsprechen, müsse man jeden Patienten entsprechend seines ökonomischen „Nutzen” einschätzen. „Richtig kranke Menschen sind ein Verlustgeschäft”, so die bittere Erkenntnis. „Gute Patienten sind gesund, liefern jedes Quartal ihre Krankenkassenkarte ab und werden dann nicht krank”, nur so könne man den notwendigen Umsatz erwirtschaften, um Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu erhalten und sein eigenes Auskommen zu finden.
Eine Medizin, die sich letztlich für Dr. Dagmar Koppe nicht mit der inneren Einstellung gegenüber den Patienten in Einklang bringen lässt, sodass nur der Schritt zur Praxisschließung blieb.
Versuche, einen Nachfolger für die moderne Landarztpraxis zu finden scheiterten trotz intensiver, monatelanger Suche. Das viel diskutierte Landarztsterben und damit ein erster Schritt in Richtung Unterversorgung der Waldbrunner Bevölkerung ist damit gemacht, zeigt sich Dr. Koppe überzeugt. Aufgrund des demografischen Wandels und der mangelnden Mobilität älterer Menschen sieht die Medizinerin ein massives Problem auf Waldbrunn zukommen. Sie sieht daher die Gemeinde und die kommunalpolitischen Entscheidungsträger in der Pflicht, hier im Sinne der Daseinsvorsorge frühzeitig gegenzusteuern. „Hier gab es in der Vergangenheit leider Versäumnisse”, lässt die Hausärztin wissen. Auch in der Kommunikation der medizinischen Leistungserbringer Vorort sieht Koppe im Rückblick Verbesserungsbedarf. Bei rechtzeitigem Austausch beruflicher Perspektiven, hätte es nicht zur Praxisschließung kommen müssen, lässt die Hausärztin durckklingen.
Nach der Schließung ihrer Landarztpraxis zum 30. Juli 2010 sieht die Ärztin ihre berufliche Zukunft im europäischen Ausland. Dort hätten die Gesundheitspolitiker ihre Hausaufgaben gemacht, weshalb immer mehr gut ausgebildete deutsche Mediziner diesen Weg gehen. Was aus der Immobilie in der Ortsdurchfahrt passiert steht noch in den Sternen. Eine Hausarztpraxis wird es auf jeden Fall nicht mehr geben.
Patienten haben noch bis kommenden Freitag die Möglichkeit, ihre Unterlagen in der Waldkatzenbacher Praxis abzuholen.