(Grafik: HAIGE)
In Zusammenarbeit mit der in Steinbach lebende Autorin Nele Tabler erscheint die Kolumne “Karnele” in unserem Magazin. Darin widmet sich die Autorin, die durch ihren Karnele – “Blog über Lesben und lesbisches Leben, Feminismus und Alltagswahnsinn” bundesweit bekannt geworden ist, künftig dem “normalen Alltagswahnsinn” im Odenwald und darüber hinaus. Passend zum Wahnsinn, wird es keine Regelmäßigkeit und thematisch keine Vorgaben bzw. geben.
Heute reagiert Nele Tabler auf einen Behauptung von Dr. Alexander Kissler:
Dr. Alexander Kissler schreibt für den Focus, die Süddeutsche Zeitung und den Cicero und behauptet, die Grünen wollten aus dem Staat einen »pansexuellen Wächterrat« machen.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, ich hatte keine Ahnung, was pansexuell bedeutet. Meine Rechtschreibprüfung, der Duden Korrektor Plus, wusste es auch nicht, denn er unterstrich dieses Wort mit einem roten Balken. Aber im Gegensatz zu Alexander Kissler wurden sowohl die Rechtschreibprüfung als auch ich ja nicht promoviert, da ist so eine Bildungslücke wohl hoffentlich entschuldbar.
»Pansexuell ist eine Bezeichnung für die sexuelle Identität von Personen, die in ihrem Begehren keine Vorauswahl nach Geschlecht bzw. Geschlechtsidentität treffen. Der Begriff leitet sich von der griechischen Vorsilbe pan (gesamt, umfassend, alles) ab«, lese ich auf Wikipedia und prompt fällt mir der uralte Möchtegern-Witz ein, der in den Achtzigerjahren über Joschka Fischer erzählt wurde: »Ist Ihr Kind ein Junge oder ein Mädchen? – Das soll es selbst entscheiden, wenn es erwachsen ist.«
Ha, ha.
Doch obwohl meine Bildungslücke nun geschlossen ist, verstehe ich zunächst immer noch nicht, was ein pansexueller Wächterrat sein soll. Aber Dr. Kissler gibt sich in seinem Text große Mühe, mich darüber aufzuklären und bezieht sich auf das Wahlprogramm der Grünen, jenen Teil, in dem es um »Schwule, Lesben, Bisexuelle, Intersexuelle, Transsexuelle und Transgender« geht. Also auch um mich, schließlich bin ich ja lesbisch … deshalb gehöre ich auch einer »winzigen gesellschaftlichen Gruppe« an, »die zu definieren nicht jedem ihrer Wähler gelingen dürfte.«
»Die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, transsexuellen und intersexuellen Menschen muss auch im Grundgesetz verankert werden.« Dieser Satz steht angeblich im Wahlprogramm der Grünen – ich habe es nicht gelesen, ich verlasse mich nun ganz auf den Autor und hoffe, er hat es sich wenigstens gründlich zu Gemüte geführt und seine Erkenntnisse nicht aus der Bildzeitung abgeschrieben.
Wie man ja bereits schon vor Baron Gutti wusste, selbst ein Doktortitel bewahrt nicht vor Irrtümern und Fehlschlüssen. Deshalb möchte ich gern die Bildungslücke dieses Herrn schließen und verweise ihn auf die Initiative »3+ – für eine Ergänzung des Gleichheitsartikels im Grundgesetz«. Deren Ziel ist es, dass in unserer Verfassung Lesben, Schwulen, Transgendern und intersexuellen Menschen die gleichen Rechte wie den heterosexuellen Menschen garantiert werden.
3+ ist keineswegs eine Erfindung der grünen Partei und wird nicht nur von ihr unterstützt. Auch die SPD, die Linke, die Jungen Liberalen in der FDP (JuLis) und die Lesben und Schwule in der Union (LSU) haben sich schon längst dieser Initiative angeschlossen, ebenso wie viele Einzelpersonen, Vereine, Gruppen oder der CDU Bürgermeister von Münster in Westfalen.
Von seinem Irrtum ausgehend, beschreibt Alexander Kissler die Horrorvision von der Zukunft in Baden-Württemberg und all den anderen Bundesländern, in denen Grüne jemals in die Regierung kommen sollten – gemeint ist damit natürlich, falls die Initiative 3+ erfolgreich sein sollte: Dann würde man »Kleinkinder, Kinder und Jugendliche von morgens bis abends, von der ersten bis zur letzten Stunde mit Intimität bedrängen«, Schulen zu »Sexualanstalten« umfunktionieren und in Rechenaufgaben Begriffe wie »verpartnerten männlichen Intersexuellen-Elter 2« verwenden.
Wirklich bedauerlich, dass er studiert hat und promoviert worden ist. Anderenfalls könnte er sich Wörter wie »pansexuell« sparen und laut aussprechen, was ihm wohl eigentlich durch den Kopf geht: »Alle nicht-heterosexuellen Menschen rammeln ununterbrochen wie die Hasen!«