(Foto: pm)
Dorfversammlung fordert Erhalt von Dorfkirchen
Mörtelstein. (pm) Das Signal der Kirchenbasis an die Leitung der evangelischen Landeskirche in Baden mit Sitz in Karlsruhe (EKIBA) hätte nicht deutlicher ausfallen können. Als erstes Dorf im badischen Landesteil erklärt Mörtelstein den laufenden Strategieprozess der Landeskirche mit seinen Sparplänen für gescheitert.
Nachdem der Mörtelsteiner Dorfkirche mit der Markierung „gelb“ regelrecht der Geldhahn abgedreht werden soll (NZ berichtete), hat die Bürgerversammlung jetzt der Landeskirche symbolisch die rote Karte gezeigt.
„Nach gelb kommt rot. Mit diesem Strategieprozess frustriert die Landeskirche viele Ehrenamtliche“, so die beiden Mörtelsteiner Kirchengemeinderätinnen Silke Becker und Bettina Zeus, die mit ihrem Thesenanschlag zum Erhalt von Dorfkirchen eine landesweite Protestbewegung ins Rollen gebracht haben.
Zur Bürgerversammlung im voll besetzten – von der evangelischen Kirche bereits verkauften – Mörtelsteiner Gemeindehaus hatte die Initiative www.dorfkirchen-retten.de geladen. „Wir sind gekommen, um zuzuhören“, betonte Dekan Folkhard Krall. „Hier hat unser Protest schon etwas bewirkt“, freute sich Bettina Zeus auch über die Anwesenheit von Martin Wollinsky, der als Finanzexperte der Kirche aus Karlsruhe anreiste. „Dafür sind wir sehr dankbar“, unterstich Zeus.
In einem emotionalen Vortrag berichtete Kirchengemeinderätin Silke Becker wie sich die Situation seit ihrem Amtsantritt Anfang 2020 in Mörtelstein zuspitzte und warum man sich schließlich für den symbolbehafteten Thesenaschlag für den Erhalt von Dorfkirchen entschlossen hat. „Wir haben uns von Anfang an eingebracht, suchen den Dialog und engagieren uns gemeinsam mit der Gemeinde in besonderem Maße ehrenamtlich für die Kirche und unser Dorf.“
„Unsere Kirche ist ein zentraler Punkt unsere Dorfkultur. Nicht nur optisch. Sie steht für vieles, was uns ausmacht. Wir sind hoch motiviert und wollen uns für die Menschen und unseren christlichen Glauben einsetzen“, führen die beiden Sprecherinnen aus.
Onlinegottesdienste, Kirchenchor, Kinder- und Seniorenarbeit. Die Mörtelsteiner sind aktiv und bereit, sich einzubringen. 2022 konnte man zusammen mit der Dorfgemeinschaft ehrenamtlich einen barrierefreien Weg vom Friedhof zur Kirche bauen. Auch in den Strategieprozess der Landekirche habe man sich mit viel Kraft und vielen Ideen eingebracht. Anfangs dachte man, von der Streichliste bei den Gebäuden sei man gar nicht betroffen. Als die Kirche das Gemeindehaus verkaufte, das seither von einem Förderverein ehrenamtlich verwaltet wird, glaubte man noch, dass so zumindest die Kirche gehalten werden könnte.
„Im Strategieprozess geht es plötzlich nur noch darum, Geld einzusparen“, berichtete Becker. Jedes kirchliche Gebäude – auch die Kirchen selbst – sollten „ihre“ Farbe bekommen. Wer grün bleibt, bekommt weiterhin eine Mitfinanzierung der Landeskirche. Für gelbe oder rote Gebäude droht diese Finanzierung zu entfallen.
„Uns ist schnell klar geworden, dass hier ganze Ortschaften, Ehrenamtliche und vor allem aktive Kirchenmitglieder gegeneinander ausgespielt werden. „Wenn Deine Kirche grün ist, dann muss die Nachbarkirche ihre Finanzierung verlieren“, spielt die Landeskirche den Ball in die Gemeinden.
Die Mörtelsteiner Kirche wurde vor nicht mal 20 Jahren saniert, steht gut da und ist barrierefrei. „Wir sind aus allen Wolken gefallen, als uns im Dekanat eröffnet wurde, dass unsere Kirche auf Staus Gelb steht“, so Becker.
Sofort habe man gefragt, was man tun könne, um wieder auf grün zu kommen. Die Antwort: “Nichts“. Daraufhin habe man schriftlich Widerspruch eingelegt und bei der Bezirkssynode die Sorgen mündlich vorgetragen. „Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben auf eine Frage keine Antwort bekommen“, berichtet Silke Becker entrüstet.
Am Abend im Gemeindehaus – aber auch vorab per Mail oder Telefon – melden sich viele andere Kirchengemeinden aus dem Bezirk, aus ganz Baden und sogar aus anderen Bundesländern. Auch sie fühlen sich bei dem Prozess nicht mitgenommen. Viele bangen um die Identifikationspunkte des christlichen Lebens.
Für die Mörtelsteiner Grund genug sich vom Strategieprozess abzuwenden. „Nicht mein Strategieprozess“ steht auf den Schildern, die sie an dem Abend hochhalten und zeigen so der Evangelischen Landeskirche die rote Karte für rote Kirchen.
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„Uns geht es darum auch grundsätzlich aufzuzeigen, dass der Strategieprozess den falschen Weg eingeschlagen hat. Man bedauert Mitgliederverluste und schreibt nun ganze Gemeinden gerade im ländlichen Raum ab.“, lautet der Tenor bei der Dorfversammlung.
„Wir wollen bewusst nicht nur für unsere eigene Kirche kämpfen. Es geht um mehr“, betonen die Kirchengemeinderätinnen. Kirchen sollen im Dorf bleiben. Auch Bürgermeister Achim Walter mahnt, dass man neue Lösungen finden müsse, um dorfbildprägende Kirchen zu erhalten.
Oberkirchenrat Martin Wollinsky zeigte sich beeindruckt von dem außergewöhnlich hohen Engagement, das er in Mörtelstein vorgefunden hatte. „So wie ich Sie hier erlebe, mache ich mir keine Sorgen, dass Ihre Kirche auch in 350 Jahren noch steht“. Nur wie es gehen soll, dass müsse man weiter beraten.
Wollinsky sagte zu, die Landesbischöfin über die Kritik und die Argumente zu informieren. Viele Punkte wurden am Abend angeregt, Landeskirchen fusionieren, mehr Ökumene und auch Pfarrhäuser verkaufen. Viele haben Ideen. Wie mit einem Förderverein ein Gemeindehaus nutzbar bleiben kann, weiß man in Mörtelstein schon seit Jahren.