Über Parteigrenzen hinaus denken, selbstbewusst auftreten – 2015 wollen die Kreisgrünen für Lösungen streiten – Bayerische Einblicke zum Neujahrsempfang von Miltenbergs Landrat Jens Marco Scherf
Die geehrten Parteimitglieder. (Foto: pm)
Buchen. (pm) Am Sonntag, dem Tag der großen Bekenntnisse zu Demokratie und Solidarität, hatte auch der Neujahrsempfang des Grünen Kreisverbands Neckar-Odenwald im Buchener Bistro Waldeck viel Verbindendes. Zum einen, weil alle Redner entschieden für eine gelingende Flüchtlingspolitik sprachen. Zum anderen, weil der Empfang einen Blick über die Kreis- und Landesgrenze hinaus nach Miltenberg gestattete. Hier wie dort streben die Grünen Problemlösungen über parteipolitische Ziele hinaus an.
Der vor knapp einem Jahr gewählte grüne Landrat Jens Marco Scherf berichtete als Gastredner aus seinem politischen Alltag. Vor mehr als 40 Gästen, darunter auch sein Landratskollege Achim Brötel, bestärkte er die Neckar-Odenwälder etwa, bei allen Problemen mit den Kreis-Kliniken, diese in kommunaler Verantwortung zu belassen. In Miltenberg sei der Klinikverkauf noch vor seinem Amtsantritt beschlossen, aber leider nicht diskutiert worden. Die Auswirkungen auf die Notfallversorgung seine spürbar. Die landärztliche Versorgung im Neckar-Odenwald-Kreis will Brötel, so verriet er in Buchen, zu einem Leitprojekt für 2015 machen und dafür wenn möglich Fördergeld aus dem Leader-Programm einsetzen. 2015 will die Kreisverwaltung das klimapolitische Investitionskonzept für den Neckar-Odenwald-Kreis umsetzen und einen Klimaschutzmanager einstellen. Dies entspricht einem Antrag der Grünen, dem sich auch die CDU angeschlossen hatte. Simone Heitz pocht darüber hinaus darauf, den European Energy Award einzuführen: „Wir würden sofort Gold gewinnen“, ist sie sicher. Scherf beschrieb, dass es ihm, dem Grünen, obliege, sich für die Industrie als wichtigsten Beschäftigungszweig in seinem Landkreis stark zu machen. Die größten Energiesparpotenziale sieht er allerdings nicht bei Industrieunternehmen, die diese ohnehin bereits nutzen, sondern im Bereich des Verkehrs.
Über neue Nahverkehrskonzepte mit Investitionen in den ÖPNV hatte Verkehrsminister Winfried Hermann kürzlich in Buchen gesprochen. An diesen Besuch knüpfte Bürgermeister Roland Burger in seinem Grußwort an. Er stellte klar, in seiner Stadt diskutiere man pragmatische Ziele: „Wir wollen eine kraftvolle Politik für die Menschen machen.“ Konkreter wurde Brötel: „Konstruktiv, kritisch, sachlich und freundschaftlich“ wünscht er sich den Umgang im Kreisrat. „Wir brauchen jeden und jede, die sich einbringt“, bestätigte Heitz. Sie kündigte einen Antrag an, in dem die Grüne Fraktion mehr Transparenz für kreiseigene Gesellschaften fordert: Aufsichtsräte sollen, wie Gemeinde- oder Kreistage, in der Regel öffentlich tagen.
Vergleichbar nannten beide Landräte die Finanzierung der Sozialbetreuungskosten für Flüchtlinge, die in beiden Ländern zu gering angesetzt seien. Heitz stellte klar: Man dürfe nicht nur die zu geringe Aufwandspauschale beklagen, sondern müsse der Landesregierung gegenüber beziffern, wie viel Geld fehle. Damit, dass sich alle Kommunen und Kreise der Flüchtlingsproblematik gemeinsam stellen müssen, ging auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Dorothée Schlegel einig. Brötel erinnerte an die Herausforderungen der Neunziger Jahre, als man dreimal so viele Menschen aufzunehmen hatte und das schaffte, Scherf verwies auf die gelungene Integration von Migranten in seinem Kreis. Ein Drittel der aktuell 450 Asylbewerber seien unter 18 Jahre alt: „Diese Jungen sind eine Chance, die wir nutzen wollen.“
Plakativ schilderte Scherf seinen Wahlerfolg in einem tiefschwarzen Land(kreis): „Man muss ran an die Menschen“. Positive Botschaften und Perspektiven zu vermitteln sei ebenso wichtig, wie mit allen politischen Lagern für Lösungen vor Ort zu arbeiten. Dass nur 40 Stimmen über seinen Wahlsieg entschieden, beeindruckte den Grünen Kreisvorstand Hans-Detlef Ott: „Wir werden den erfrischenden Wind aus Bayern ins neue Jahr mitnehmen“, bedankte er sich bei Scherf. 2014 haben die Kreisgrünen zugelegt, erinnerte seine Vorstandskollegin Christine Böhm: Fünf Fraktionssitze im Kreisrat und ein Zuwachs besonders auch an jungen Gemeinderäten seien Erfolge, auf die man nun aufbaue.
Zum ersten Mal hat der Grüne Kreisverband Neckar-Odenwald langjährige Mitglieder geehrt. Bescheiden, mit einer Flasche Kreisler Weißwein, der in Diedesheim gewachsen ist, und mit einer Anstecknadel beschenkten die Kreisvorsitzenden Christine Böhm und Hans-Detlef Ott langjährige Parteimitglieder: Über 30 Jahre dabei sind Walter Goll, Waltraut Hillmann-Goll,Brigit Clappier, Klaus Brauch-Dylla, Michael Burchardt, Rudi Dittmar, Godehard Weniger, Benno Binnig, Dr. Uwe Graser, Christian Ullmer, Ralf Zurmühl und Gabi Stickel. Seit 20 oder mehr Jahren halten Willi Heidmann, Heinz Nickolaus, Gerhard Plüddemann, Heinrich Szerafy, Ute Weinmann, Anna Leischner, Christine Böhm, Simone Heitz, Barbara Klein, Dorothee Roos, Hans-Jürgen Stetter, Christine Denz, Wolfgang Hofmann, Manfred Mendel, Gabi Metzger, Angelika Bremer-Senk und Michael Kappes den Grünen die Treue.
„Künftig werden wir die Ehrungen zu einem festen Bestandteil unseres Neujahrsempfangs machen“, sagte Böhm. Sie sehe darin weniger eine Anpassung an die Gepflogenheiten in den Volksparteien als eine kleine Geste der Anerkennung. Schließlich seien die Mitglieder ihrer Partei oft weit über formale Aufgaben hinaus und mit großer Überzeugung engagiert. „Diesen Einsatz wollen wir würdigen“, so Böhm.