Mosbach. (lra) Brunhilde Marquardt, Leiterin der Gesundheits- und Krankenpflegeschule an den Neckar-Odenwald-Kliniken in Mosbach, hat noch die „alte Schule“ durchlaufen. Ihre Ausbildung zur Krankenschwester war Ende der 60-iger Jahren noch stark von einem patriarchalischen Pflegeverständnis geprägt: Der Arzt ordnet an, die Schwester gehorcht in Demut, der Patient schweigt. „In den letzten 40 Jahren hat sich aber in allen Bereichen unglaublich viel getan“, weiß Brunhilde Marquardt. Und präsentiert stolz die neueste „Errungenschaft“ für ihre Schule: Den „Dualen Studiengang Pflege (BA)“, der ab dem Sommersemester 2012 parallel zur Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin in Mosbach und in enger Zusammenarbeit mit der Hochschule Ludwigshafen absolviert werden kann. „Damit werden die Lernorte Pflegeschule, Praxis und Hochschule ideal verknüpft“, erklärt die Schulleiterin nicht ohne Stolz.
Verena Herzmann aus Buchen und Marlena Kudzia aus Dallau sind die ersten beiden, die sich dieser Herausforderung stellen. Beide haben die Fachhochschulreife in der Tasche und wollten eigentlich die ganz reguläre Ausbildung an der Gesundheits- und Krankenpflegeschule in Mosbach durchlaufen, gemeinsam mit 18 weiteren Schülerinnen und Schülern. Bis sie von dem neuen zusätzlichen Angebot hörten, für das Brunhilde Marquardt schon monatelang in Kontakt stand mit den Verantwortlichen im Haus und mit der Hochschule in Ludwigshafen. Die zwei bewarben sich intern für das Studium, das jetzt Anfang März – und damit ein halbes Jahr nach dem Start der Ausbildung in Mosbach – begonnen hat. Immer dienstags klinken sich die beiden jungen Frauen aus dem regulären Ausbildungs- und Schulbetrieb aus und fahren gemeinsam mit der S-Bahn nach Ludwigshafen, wo sie von 10 bis 18 Uhr Vorlesungen haben.
Das, was sie an diesem Tag in Mosbach versäumen, müssen sie mit Unterstützung der Klassenkameraden und der Dozenten nachholen. Und auch das Lernpensum für Ludwigshafen kommt dazu. Aber die beiden sind guten Mutes, die anstehenden fünf Semester zu „packen“. Dann ist die Ausbildung in Mosbach beendet – für Verena und Marlena folgen allerdings nochmals drei Vollzeitsemester, bevor ihnen nach erfolgreichem Abschluss des Studiums der akademische Grad „Bachelor of Arts (B.A.)“ verliehen wird. Womit sie unter anderem die Befähigung haben, gleich in eine Leitungsfunktion im Pflegebereich einzusteigen oder in die Praxisanleitung zu gehen. „In jedem Fall stehen den Absolventinnen und Absolventen ganz viele Möglichkeiten offen. Und das europaweit“, erklärt Brunhilde Marquardt.
Noch stehen Verena Herzmann und Marlena Kudzia am Anfang. Aber die ersten Eindrücke sind positiv. 20 Frauen – darunter sechs bereits examinierte Gesundheits- und Krankenpfleger – und zwei Männer im Alter von 19 bis 49 studieren gemeinsam in Ludwigshafen. Alle bringen höchst unterschiedliche Voraussetzungen und Erfahrungen mit, ein intensiver Austausch ist die Folge. „Das ist alles sehr familiär, wir fühlen uns sehr gut aufgehoben. Und wir haben die volle Rückendeckung und Unterstützung in Mosbach“, erklärt die zwanzigjährige Marlena Kudzia, die vor zehn Jahren ohne jede Deutschkenntnis mit ihre Familie aus Polen nach Dallau kam und nach dem Hauptschulabschluss die Fachschul- und dann die Fachhochschulreife „dranhängte“.
Sie sieht, genau wie Verena Herzmann, das berufsbegleitende Studium als große Chance, den eigentlichen Traumberuf wissenschaftlich zu untermauern, dadurch später noch bessere Chancen auf dem europaweiten Arbeitsmarkt zu haben und auch das Ansehen der Pflegeberufe anzuheben. „In der öffentlichen Wahrnehmung machen Gesundheits- und Krankenpfleger nämlich nicht so sehr viel mehr als Tabletten verabreichen, Betten aufschütteln und Infusionsflaschen wechseln. Das stimmt so aber nicht. Die Pflegewissenschaft macht ganz große Fortschritte und das muss in die Praxis umgesetzt werden“, erklärt Verena Herzmann. Und Brunhilde Marquardt ergänzt: „Wir brauchen beides in der Pflege. Den Lehrberuf und die akademisierte Weiterentwicklung. Wichtig ist dabei die Vernetzung. Und die haben wir im Moment optimal gelöst.“
Die meiste Zeit verbringen Verena Herzmann und Marlena Kudzia (Mitte von links) mit den anderen Auszubildenden im ersten Jahr der Gesundheits- und Krankenpflegeschule an den Neckar-Odenwald-Kliniken in Mosbach. Nur dienstags klinken sie sich aus, um berufsbegleitend an der Hochschule Ludwigshafen zu studieren – ein ganz neues Angebot. (Foto: LRA)
Info:
Der Duale Studiengang Pflege an der Hochschule Ludwigshafen kann parallel zur Ausbildung zum/zur Gesundheits- und Krankenpfleger(in) in Mosbach absolviert werden. Er umfasst fünf berufsbegleitende und drei Vollzeitsemsester, nach erfolgreichem Abschluss wird der akademische Grad „Bachelor of Arts (B.A.)“ verliehen. Zulassungsvoraussetzungen sind unter anderem Abitur, Fachhochschulreife oder eine als gleichwertig anerkannte Vorbildung und ein Ausbildungsvertrag mit einem Kooperationspartner (hier: die Neckar-Odenwald-Klinken). Die Auswahl trifft die Gesundheits- und Krankenpflegeschule. Vorteile sind die in verkürzter Zeit erreichbare Doppelqualifikation und die Studienfinanzierung durch die tarifliche Ausbildungsvergütung während der ersten fünf Semester. Weitere Auskünfte erteilt Brunhilde Marquardt, Telefon 06261/83-117.