Der Fuhrpark der AWO wird nach und nach mit Regenbogenfarben beklebt, um damit für queere Arbeit und Werte zu werben. (Foto: pm)
AWO Neckar-Odenwald bringt Farbe ins Spiel
Neckar-Odenwald-Kreis.(pm) „Wissen Sie, wie viele Menschen über 60 Jahren zur Gruppe queerer Persönlichkeiten gehören? Es sind 1 Millionen. Und wissen Sie, wie viele davon heute bereits unterstützungs- oder pflegebedürftig sind? Etwa 85.000“, beginnt Petra Ilzhöfer, Geschäftsführerin der AWO Neckar-Odenwald, ihre Ausführungen im Rahmen einer Pressekonferenz am Dienstag. Dabei sei die Dunkelziffer noch nicht ansatzweise berücksichtigt, hebt sie hervor.
In Deutschland leben rund eine Millionen Menschen, die sich Gedanken über ihr Altern machen und die Hilfe, die sie dann vielleicht in Anspruch nehmen müssen. Ihre Gedanken machen sie sich nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern deshalb, weil sie sind, wie sie sind. Sei es wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihres Geschlechts oder sonstigen Merkmalen.
Die AWO Neckar-Odenwald mit ihren Grundwerten Gleichheit, Freiheit, Toleranz, Gerechtigkeit und Solidarität sensibilisiert nun ihre Einrichtungen für LSBTIQ (L = lesbisch, S = schwul, B = bisexuell, T = trans, I = inter, Q = queer) und schließt sich damit klar dem Standpunkt des AWO Bundesverbands an, dass die Altenhilfe auf queere Menschen vorbereitet sein müsse.
Die AWO Geschäftsführerin erklärt „Bewohner:innen bzw. Klient:innen, als auch unsere Mitarbeiter:innen leben und agieren bereits heute vielfältig, friedlich und ohne Diskriminierung miteinander.
„Für uns ist der Mensch einfach der Mensch. Wir leben Vielfalt. Trotz allem ist es wichtig, uns klar und erkennbar dazu zu bekennen und alle, die Teil der AWO Neckar-Odenwald sind, verstärkt zu sensibilisieren und die Vielfalt in unseren Leitlinien zu verankern“, appelliert die AWO-Geschäftsführerin
Die AWO startet will künftig auf allen Organisationsebenen Vorurteile und mögliche Diskriminierung erkennen und durch Workshops und Fortbildungen im Umgang miteinander zu sensibilisieren.
Beginnen will man bei den rund 260 Mitarbeiter:innen, den Bewohner:innen bzw. Klient:innen, bis hin zu Angehörigen. Auch innerhalb des Kreisverbands und den Ortsvereinen will man entsprechend aktiv werden, bestätigte Gabriele Teichmann, die Vorsitzende des AWO Kreisverband Neckar-Odenwald.
„Unsere Mitarbeitenden werden in der sogenannten Regenbogen-Kompetenz geschult. Diese beschreibt die Auseinandersetzung, aber auch die Fähigkeit, mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt professionell und frei von Diskriminierung umzugehen.
Mit diesem Know-how entwickeln wir Standards der AWO Neckar-Odenwald gemeinsam mit den Mitarbeitenden weiter. So ermöglichen und gewährleisten wir auch queeren Menschen eine qualitativ hochwertige Pflege und Betreuung, die sich an deren Biografie orientiert“ stellte Geschäftsführerin Petra Ilzhöfer den Weg vor.
Wie wichtig diese Offenheit ist, zeige sich daran, dass viele Senior:innen mitunter jahrzehntelang von Ausgrenzung, Ablehnung und Diskriminierung bedroht wurden. So sei erst 1994 der Paragraph 175 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen worden. Dieser habe gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Männern jahrzehntelang mit Gefängnisstrafen geahndet.
Auch heute gebe es noch immer Diskriminierung und Ausgrenzung in vielen Lebensbereichen, wussten die AWO-Veranwortlichen. So seien Blutspenden für transgeschlechtliche Menschen pauschal untersagt und schwulen Männern nur unter bestimmten Kriterien gestattet.
Oftmals fehle den Senior:innen auch die Unterstützung der Herkunftsfamilie, da viele kinderlos sind. Gerade deshalb seien sie ganz besonders auf professionelle und qualitative Hilfe angewiesen, ohne dabei erneut Angst vor Zurückweisung und Verurteilung zu haben oder ihre Identität verbergen zu müssen.
Durch die Sensibilisierung unserer Mitarbeitenden und der Bewohner:innen bzw. Klient:innen werde ein Umfeld geschaffen, sodass sich queere Menschen nicht verstecken müssen, betonen Teichmann und Ilzhöfer.
Die AWO Neckar-Odenwald positioniert sich klar: „Wir sind vielfältig, wir sind bunt und wir stehen zu den AWO-Grundwerten!“ Diese Position symbolisiert der Verband nun auch nach außen, indem neu beschaffte Fahrzeuge nach und nach neu und bunt beklebt werden, um die Vielfalt nach außen zu transportieren.
Außerdem steht eine neue, moderne Webseite kurz vor dem Relaunch. Auch diese wird die Regenbogenfarben enthalten. Die gendergerechte Sprache wird einheitlich über alle Organisationsebenen eingeführt und umgesetzt, denn die „Sprache ist der Spiegel einer Nation“, folgt die AWO dem Dichter Friedrich Schiller. „Und mit Sprache gestalten wir die Welt“, schließt AWO-Kreisvorsitzende Gabriele Teichmann.