
(Foto: Brauch-Dylla)
Von Schicksal und Schuld, Ehrlichkeit und Freundschaft
Adelsheim. (bd) Goethe war nun auch in der Justizvollzugsanstalt Adelsheim – zumindest inkognito in Form seines Gedichts „Nur wer die Sehnsucht kennt“. Alex, einer der Protagonisten im Stück „Für das Leben“, das fünf Insassen der Adelsheimer Jugendstrafanstalt in der vergangenen Woche aufführten, zitiert das Poem, als er gefragt wird, welche Songtexte er schreibe. Die Bühne, aufgebaut im Mehrzweckraum der JVA, bot einen eindrücklichen Querschnitt durch verschiedene Lebenswirklichkeiten. Unter den Zuschauenden waren viele Angehörige, aber auch Vertreter der Justizbehörden.
Theaterarbeit mit Tiefgang
Gefördert von der Baden-Württemberg-Stiftung hatten sechs junge Strafgefangene seit Jahresbeginn gemeinsam mit Amelie Wördehoff und Annette Vietor vom Projektteam „Theater hinter Gittern“ des Theaters Konstanz ein Stück entwickelt. Im Mittelpunkt standen Themen wie Schuld, Schicksal und die Suche nach Lebensglück.
Ein Konzert, ein Schicksalsschlag, eine neue Chance
In den ersten Szenen lernen wir Alex kennen, der durch einen Schicksalsschlag sein Augenlicht verloren hat. Orientierung und Halt findet er in der Musik – nun steht sein erstes Konzert mit der Band kurz bevor. Sein Mut und seine Zuversicht beeindrucken Jonas und Tom, zwei Bioladen-Betreiber, die ihn unterstützen und in ihrem Alltag auch geflüchtete Menschen mit Lebensmitteln versorgen.
Ertrinken in Schuld
Nino und Emir, zwei Geflüchtete, sind über das Mittelmeer nach Deutschland gelangt. Ihre Vergangenheit ist geprägt von einem traumatischen Erlebnis: Am Strand beobachten sie einen Menschen, der in den Wellen ums Überleben kämpft. Emir, der selbst nicht schwimmen kann, bittet Nino um Hilfe. Doch dieser zögert – aus Angst, von der Fremdenpolizei entdeckt zu werden. Der Schwimmer verschwindet in den Fluten. Emir ist tief enttäuscht, die Freundschaft zerbricht. Nino bleibt mit seiner Schuld zurück.
Prozess der Annäherung
In einem Park begegnen sich Alex und Nino. Zwischen beiden entsteht ein offenes Gespräch über Verluste, Hoffnungen und den Versuch, einen neuen Weg zu finden. Alex lädt Nino zu seinem Konzert im „Planet Earth“ ein. Doch zuvor macht Nino eine Entdeckung: Unter einer Parkbank findet er eine Plastiktüte mit einem großen Bündel Geld.
Eine Entscheidung mit Folgen
Nino beginnt zu träumen – von einem neuen Leben, von Wohlstand, einem Zuhause, teuren Markenklamotten. Doch zugleich stellt sich die Frage nach Verantwortung. Emir lehnt das Geld als „schmutzig“ ab, Jonas und Tom raten dazu, es beim Fundbüro abzugeben – mit Aussicht auf Finderlohn. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg. Ob sie dort ankommen, bleibt offen.
Musik als verbindendes Element
Während Alex’ Band „prison time“ ihr Konzert gibt, können die Zuschauerinnen und Zuschauer über das offene Ende nachdenken. Die siebenköpfige Gefangenenband, angeleitet von Anstaltsseelsorger Martin Reiland und der ehrenamtlich engagierten Christel Peschke, liefert mit einer kleinen Lightshow und Diskokugel einen beeindruckenden Auftritt. Der Opener „Mad World“ kommentiert auf berührende Weise das Geschehen – auf der Bühne und in der Welt.
Ein Finale voller Fragen
Zur Zugabe erscheint Nino im auffälligen Bling-Bling-Outfit – ob vom Finderlohn oder vom Fund selbst finanziert, bleibt in der Schwebe. Er feiert mit den anderen, während Emir sich zurückhält. Wie es mit diesen Leben weitergeht, überlässt das Stück der Vorstellungskraft des Publikums.
Unter begeistertem Applaus dankten die strahlenden Schauspielerinnen und Schauspieler den Theatermacherinnen vom Theater Konstanz – neben Amelie Wördehoff und Annette Vietor auch Magdalene Schäfer und Franziska Schmid – sowie dem Freizeitteam der JVA: Tamara Scherer, Carmen Bronner und Sven Speth. Auch Anstaltsleiterin Katja Fritsche sprach ihren Dank aus.