von Liane Merkle
Symbolische Anerkennung für eine perfekte Organisation: Bürgermeister Thomas Ludwig überreicht seinen Kollegen Jiří Löffelmann (Skalice) und Jiří Vosecký (Okrouhlá) den Ehrenteller der Gemeinde Seckach.
Seckach. Von einem anfänglichen Pflänzchen hat sich das Projekt ,,Eurokommunale“ inzwischen zu einem ertragreichen widerstandsfähigen Baum entwickelt. So das Fazit von Bürgermeister Thomas Ludwig am Ende der unter dem Motto „Traditionelles Handwerk – gestern und heute“ stehenden sechsten Auflage dieses Treffens kleiner Kommunen aus mehreren europäischen Ländern, zu welchem in diesem Jahr die Gemeinden Okrouhlá (Schaiba) und Skalice (Langenau) in den Bezirk Česká Lípa (Böhmisch Leipa) nach Nordböhmen eingeladen hatten.
Das dortige Bürgermeisterduo „Jiří und Jiří“ (Vosecký und Löffelmann) wartete mit einem beeindruckenden Programm auf, bei welchem neben der sprichwörtlichen tschechischen Gastfreundschaft vor allem auch die Schönheit des südlichen Teils des Lausitzer Gebirges und viele Kulturdenkmäler der Region bewundert werden konnten. Doch darüber hinaus befassten sich die ca. 50 Teilnehmer aus Italien, Polen, Tschechien und Deutschland, darunter auch die Gemeinde Seckach, intensiv mit der aktuellen Situation der Glasindustrie, denn dieses nachweislich seit dem 12. Jahrhundert in der Region angesiedelte Handwerk leidet derzeit schwer unter der Billigkonkurrenz aus Fernost und die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen gestaltet sich (bis hin zu sozialen Unruhen) alles andere als einfach.
Schon am ersten Abend war auch für die achtköpfige Seckacher Delegation mit Bürgermeister Thomas Ludwig an der Spitze wieder dieses besondere Eurokommunale-Feeling spürbar. ,,Wenn die verschiedenen Sprachen und Dialekte so richtig durcheinander wirbeln, entsteht zunächst der Eindruck, dass hier eine Kommunikation unmöglich ist“, berichtet Ludwig. Aber es klappte doch, weil alle Teilnehmer Interesse an der Verständigung hatten, ihre schon längst verloren geglaubten Sprachkenntnisse hervor kramten und schnell Freundschaften entstanden.
,,Europa als “Einheit in Vielfalt“ und Europa als eine Aufgabe; nicht nur von Politikern und Wirtschaftsführern, sondern vor allem für jedes einzelne Individuum: „Die Eurokommunale macht vor, wie es gehen kann“. Die schon traditionelle Rundfahrt durch die Gastgeberregion führte zunächst zur Fa. Crystalex in Nový Bor (Haida).
Das Traditionsunternehmen verlor in Folge einer Insolvenz im Jahre 2008 rund zwei Drittel seiner früheren 1.200 Arbeitsplätze und ist momentan damit beschäftigt, seine Produktionsabläufe noch mehr zu automatisieren – angesichts der Tatsache, dass 95 Prozent der Produkte in den Export gehen, eine logische Notwendigkeit. Aber auch die hohe Kunst der Glasbläserei als Handwerk kann noch bestaunt werden und schließlich zeugen die großzügig gestalteten Ausstellungsräume vom einstigen Glanz, berichtet der Bürgermeister weiter. Eine weitere Station des Kulturprogramms war Jablonné v Podještědí (Deutsch Gabel), wo das Dominikanerkloster und die im Jahre 1996 zur „Basilica minor“ erhobene Klosterkirche St. Laurentius besichtigt wurden.
Mit Schloss Zákupy (Reichstadt) erreichte man schließlich die dritte Station der Besichtigungstour. Von 1847 – 1918 stand die großzügige Schlossanlage im Eigentum der habsburgischen Hauptlinie und wurde nach 1848 vom abgedankten Kaiser Ferdinand I. prachtvoll ausgestaltet. Die besondere Aufmerksamkeit der Besucher erfuhr hier vor allem die Schlosskapelle, denn in dieser gab sich das später in Sarajevo ermordete Thronfolgerpaar Franz Ferdinand und Sophie am 01. Juli 1900 sein Jawort.
Mit einem Gesellschaftsabend im Kulturhaus von Skalice erlebte die diesjährige Eurokommunale dann ihren offiziellen Höhepunkt. Umrahmt von mehreren begeisternden Auftritten der tschechischen Vizemeister im Majorettenformationstanz hatten alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Gelegenheit, in kurzen Statements ihre Eindrücke zu schildern. Gerade die Tatsache, dass sich das vereinte Europa momentan u.a. wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten einiger Mitgliedsländer in einer recht kritischen Phase befindet, nahmen alle Sprecher zum Anlass, auf die Wichtigkeit von Aktivitäten, wie sie seit dem Jahre 2005 in der Eurokommunale gepflegt werden, hinzuweisen und Okrouhlás Bürgermeister Jiří“ Vosecký empfahl der „großen“ europäischen Politik die Eurokommunale ohne Umschweife zur Nachahmung.
Die über Jahrhunderte mit so vielen schmerzhaften Irrungen und Wirrungen behaftete europäische Geschichte habe in den beiden letzten Jahrzehnten eine glückliche Wendung erfahren, von der die Menschen aller Nationen in ganz erheblichem Maße profitierten und diese Errungenschaften dürften nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Alle Gäste bedankten sich außerdem bei ihren Gastgebern aus Okrouhlá und Skalice für das beeindruckende Programm und die ausgezeichnete Organisation der Begegnung und überreichten Ehrengaben. Am dritten Tag wurde mit dem Panská skála (Herrnhausfelsen) in Kamenický Šenov (Steinschönau) zunächst ein bedeutendes Naturdenkmal besichtigt. Wie man aus der Not des Niedergangs des Glasbläserhandwerks eine Tugend machen kann, erfuhren die Gäste aus Gazzada Schianno (Italien), Karpacz (Polen), Svor (Tschechien) sowie Buttenheim, Reichenbach OL und Seckach sodann in Lindava (Lindenau), einem Ortsteil von Cvikov (Zwickau in Böhmen).
Die Glasfirma Ajeto hat dort nämlich eine ehem. Textilfabrik zu einer Erlebnisglasbläserei mit Gastronomie umgebaut. Rustikal zu speisen und dabei den Glasbläsern bei ihrer Arbeit zuzusehen bzw. sogar selbst Hand anzulegen (sprich: Glas zu blasen, zu bemalen und zu gravieren) ist dort möglich und von diesem Angebot machten alle Teilnehmer regen Gebrauch. Danach traf man sich dann am Naturbadesee von Nový Bor zum Bestaunen der Feuerwehrfontäne, einem in dieser Form bisher einmaligen Spektakel.
Der Schlusstag der diesjährigen Eurokommunale beinhaltete dann u.a. einen mehrsprachigen ökumenischen Gottesdienst in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt von Nový Bor, doch daneben galt es für anwesenden Gemeindeoberhäupter auch noch, den weiteren Fortgang der Eurokommunale zu besprechen.
Hierbei wurde zunächst dem Wunsch der tschechischen Kommunen Nový Oldřichov (Neu Ullrichstal), Prysk (Prsechkau) und Radvanec (Rodowitz) entsprochen, zukünftig ebenfalls an den Veranstaltungen der Eurokommunale teilnehmen zu dürfen. Um die Institution Eurokommunale aber noch weiter stabilisieren zu können, will man sich vor allem bemühen, Kommunen aus weiteren Ländern (z.B. Frankreich oder Ungarn) zu gewinnen.
Diese Absicht wurde ebenso in der gemeinsam verabschiedeten „Böhmischen Erklärung“ manifestiert wie auch der Wille, sich weiterhin mit aktuellen Themen und Problemen der beteiligten Kommunen und ihrer Menschen beschäftigten zu wollen. Und dafür wird es auch in den kommenden Jahren reichlich Gelegenheit geben, denn mit Gazzada Schianno (2012), Reichenbach (2013) und Karpacz (2014) erklärten gleich drei Kommunen ihre Bereitschaft, die nächsten Veranstaltungen ausrichten zu wollen, womit der weiteren Entwicklung der Eurokommunale mit großem Optimismus entgegen gesehen werden kann, betonte Bürgermeister Thomas Ludwig gegenüber unserem Magazin.
Vor dem Basaltfelsen von Kamenický Šenov stellten sich die Teilnehmer zum Erinnerungsfoto auf. (Foto: Liane Merkle)