Frischer Wind für Inklusion

Einrichtungen sind beim Umwandlungsprozess auf breite Unterstützung angewiesen – Koalitionsvertrag lässt hoffen

Mosbach. Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention kann nicht von Einrichtungen alleine getragen werden. Das ist die Überzeugung von 16 großen baden-württembergischen Komplexeinrichtungen der Behindertenhilfe, darunter die Johannes-Diakonie Mosbach. Bereits im Januar dieses Jahres hatten sie in einem offenen Brief an die alte Landesregierung die politische Begleitung des Umwandlungsprozesses gefordert (wir berichteten). Nun scheint langsam Bewegung in die Sache zu kommen.

Seit dem Jahr 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland ratifiziert und damit geltendes Recht. Die Bundesregierung verpflichtet sich darin, die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen gesellschaftlichen Bereichen zu ermöglichen und zu fördern. Sie sollen, wenn sie dies möchten, mitten in den Gemeinden, wie jeder andere Bürger auch, wohnen, leben und arbeiten, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, in Vereine gehen, Menschen treffen können. Dies nennt man in der Fachsprache Inklusion und dies ist das Leitmotiv der UN-Behindertenrechtskonvention.


In Deutschland war es über Jahrzehnte üblich, Menschen mit Behinderung, weg von den Wohnorten ihrer Familien, stationär in großen Einrichtungen unterzubringen. Als in Baden-Württemberg im Jahr 2005, nach der Auflösung der für die Eingliederungshilfe zuständigen Landeswohlfahrtsverbände, die Verantwortung für die Unterbringung und Finanzierung auf die Landkreise überging, wurden keine neuen landeseinheitlichen Standards für die Versorgung von Menschen mit Behinderung mehr festgelegt. Entsprechend unterschiedlich verlief die Weiterentwicklung der Angebotsstrukturen, insbesondere in Bezug auf die Anforderungen der UN-Konvention und der damit verbundenen notwendigen Umwandlung („Konversion“) der bisherigen Komplexstandorte.

Mit den vom Land und den Landkreisen bislang zur Verfügung gestellten Budgets ist der beabsichtigte Umwandlungsprozess jedoch kaum zu realisieren. In den Gemeinden müssen neue Wohnangebote und Versorgungsstrukturen entstehen, um den Menschen mit Behinderung das Leben und Wohnen dort zu ermöglichen. Arbeitsplätze sowie geeignete andere Förder- und Beschäftigungsangebote müssen vor Ort gesucht oder aufgebaut werden, um den Menschen eine sinnvolle Tagesstruktur bieten zu können. Gleichzeitig müssen an den bisherigen Komplexstandorten Gebäude modernisiert oder umgewidmet werden und die Infrastruktur erhalten werden.

Die dabei entstehenden Aufwendungen werden nicht vollumfänglich durch die Pflege-Entgelte finanziert, welche die Kostenträger für die Betreuung und Unterbringung im Rahmen der Eingliederungshilfe zur Verfügung stellen. Dies muss derzeit von den Einrichtungen selbst geleistet werden, was für gemeinnützig arbeitende soziale Unternehmen kaum zu schaffen ist.

Die neue grün-rote Landesregierung hat nun ihre Unterstützung dieser Umwandlungsprozesse in Aussicht gestellt. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Die Umwandlung von ehemaligen Komplexeinrichtungen der Behindertenhilfe wird die Landesregierung unterstützend begleiten und – insbesondere unter Heranziehung von EU-Mitteln und dem Land zugewiesenen Bundesmitteln des Wohn- und Städtebaus – fördern.“ Die 16 großen baden-württembergischen Komplexeinrichtungen der Behindertenhilfe begrüßen diese Initiative ausdrücklich.

In der Praxis wirkt sich der Umwandlungsprozess bereits heute aus. So bereitet beispielsweise die Johannes-Diakonie Mosbach aktuell die Dezentralisierung von 300 ihrer 1200 stationären Wohnplätze in Mosbach und Schwarzach vor. Ganz neue Angebote werden unter anderem in Mannheim, Heidelberg und im Rhein-Neckar-Kreis entstehen. Auch ihre Werkstätten werden sich in den kommenden Jahren deutlich verändern und beispielsweise durch den Ausbau neuer Dienstleistungsgruppen vermehrt Arbeitsangebote mitten in den Gemeinden machen. Ebenso hat das Berufsbildungswerk Mosbach die Zeichen der Zeit erkannt und einen Teil seiner Ausbildung nach Heidelberg verlagert. Im Industriegebiet von Rohrbach-Süd werden junge Menschen mit Lern- und Mehrfachbehinderung nun inmitten von möglichen Kooperationsbetrieben ausgebildet.

Parallel dazu plant die Johannes-Diakonie Mosbach ein ganzes Bündel an Maßnahmen, um auch den an den Standorten Mosbach und Schwarzach verbleibenden Menschen Inklusion und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Auch hierfür, so betonen die Verantwortlichen, ist Unterstützung unerlässlich.

Umwelt

Bewegungsjagd gegen die Schweinepest
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