(Foto: Michael Pohl)
Kabarett in der Alten Schule in Osterburken
Von Martin Hammer
Kabarett und Comedy werden oft miteinander verwechselt. Deshalb klärt Nessi Tausendschön die Zuschauer in Osterburken gleich zu Beginn über den Unterschied auf: „Comedians machen es wegen dem Geld, Kabarettisten wegen des Geldes.“
Nicht nur im Umgang mit dem Genitiv kennt sich Frau Tausendschön bestens aus, sondern auch wie sie ihr Publikum auf hohem Niveau unterhalten kann, weiß sie sehr genau. Ihr Wunschberuf Ärztin wurde durch ihre Eltern durchkreuzt – „Sie wollten, dass ich Komikerin werde“ – und lustig sein vor Menschen, das wollte sie schon gar nicht, denn das sei „voll peinlich“. Zum Glück hat sie ihr Schicksal mittlerweile angenommen, denn ansonsten wäre den Kabarettfreunden bundesweit ein absolutes Highlight entgangen. Das sahen auch die Osterburkener so und bescherten der Kulturkommode einmal mehr einen ausverkauften Saal in der Alten Schule.
Doch Nessi Tausendschön ist weit mehr als „nur“ Kabarettistin. Sie zeigt sich auch als begnadete und fesselnde Diseuse und Chansonnière. So stellt das Multitalent auf der Bühne eben nicht nur ihren guten Sinn für Humor unter Beweis sondern auch ihre große Musikalität.
Dabei sind ihre Lieder nicht nur die Untermalung unterhaltsamer Texte, sondern stehen für sich als Kunstwerke und transportieren auch ernste und durchaus romantische Inhalte, wie in der Liebeserklärung „Auch wenn du gehst“. Ihr kongenial zur Seite steht der kanadische Musiker William Mackenzie, der mit seinem – im übrigen bestens beherrschten – umfangreichen Instrumentarium von der Steel-Guitar über Bass bis zum Schlagzeug von seiner Bühnenpartnerin gerne als Sound-Nerd bezeichnet wird. Letztendlich sei er wie eine ganze Band, nur billiger.
Nessis Programm „30 Jahre Zenit – Operation Goldene Nase“ ist zweifellos ein „Best of“ ihres bisherigen Wirkens auf der Kleinkunstbühne und sie zeigt sich darin als wahre Wundertüte. Man muss – oder besser: man darf sich als Zuschauer bei Nessi Tausendschön auf Überraschungen einlassen. Auf gesalzene Gesellschaftskritik folgt eine Prise Klamauk, politische Betrachtungen wechseln mit Seemannsliedern. Sie beherrscht die Kunst, mit Publikumserwartungen zu jonglieren und sich selbst zur Zielscheibe satirischer Betrachtungen zu machen. Sie redet ohne Punkt und Komma, wechselt abrupt die Themen, mixt Tiefgründiges und Banales, kann albern sein und bezeichnet sich gleichzeitig als „Kapazität für bodenständige Zerknirschungslyrik“.
Die als Annette Maria Marx geborene Künstlerin schert sich nicht um Spartengrenzen. Sie ist anarchisch, energiegeladen und wandlungsfähig – herrlich ihr Auftritt als betrunkener Schutzengel oder als partnersuchende, naive Gabi Pawelka, die ihr Seminar „Scheitern als Chance“ anpreist. Nessi ist gleichermaßen frech und anmutig, melancholisch und zynisch oder einfach nur witzig wie bei ihrer Parodie auf Sportreportagen.
Stets bleibt Frau Tausendschön im Kontakt mit den Zuschauern, wobei sie die Kunst der charmanten Publikumsbeschimpfung pflegt. „Habe ich das nötig? Nein, aber es macht mir einfach Spaß“ ist ein Ausspruch, der sich durch ihr Programm zieht. Und doch fragt sich die charismatische Künstlerin auch durchaus kritisch: „Habe ich das Recht, in diesen schwierigen Zeiten den Kasper zu geben?“ Aber klar, möchte man ihr zurufen, gerade diese Zeiten brauchen intelligente Unterhaltung wie die von Nessi Tausendschön.
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