„Als Sachsen in Seckach lag“

(Foto: Liane Merkle)

Beiträge zur Geschichte des Neckar-Odenwald-Kreises

Seckach. (lm) Der Buchtitel „Als Sachsen in Seckach lag“ klingt auf den ersten Blick geografisch verwirrend, bezieht sich jedoch nicht auf das gleichnamige Bundesland, sondern auf den Decknamen des NS-Verlagerungsprojekts der Schweinfurter Kugellagerindustrie Fichtel & Sachs 1944/45 im Seckacher Gipsbergwerk Hermann Seidenstricker.

Für die Aufarbeitung dieser Zeit hatte der Neckar-Odenwald-Kreis mit Landrat Dr. Achim Brötel an der Spitze auf Vermittlung von Prof. Frank Engehausen vom Historischen Seminar der Universität Heidelberg den Historiker Simon Metz gewonnen.

Dessen Arbeit nun als neunter Band der Buchreihe „Beiträge zur Geschichte des Neckar-Odenwald-Kreises“ im Verlag Regionalkultur in Ubstadt-Weiher, gedruckt von der Druckerei Laub aus Elztal-Dallau nun in der Seckachtalhalle im Beisein zahlreicher interessierter Bürger und Ehrengäste übergeben wurde.

Selbst bereits gefesselt von dem 80 Seiten starken Werk mit 20 Bildern in hervorragender Vierfarbenqualität zitierte Brötel den früheren Bundespräsident Richard von Weizäcker „Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah.

Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird“ und begrüßte den Autor Simon Metz, Michael Kohler vom Verlag, Gebhard Schmitt als Zeitzeugen und Manfred Glittenberg – die beide mit ihren Aufzeichnungen zum Thema wichtige Beiträge geleistet hatten, Hausherrn und Bürgermeister Thomas Ludwig als weiteren interessierten Heimatforscher sowie den ebenfalls stark ins Projekt eingebundenen Kreisarchivar Alexander Rantasa.

Wie Dr. Brötel erläuterte, hatte Simon Metz seit dem ersten Zusammentreffen im Januar 2020 unter erschwerten Pandemiebedingungen mit viel Herzblut ans lang ersehnte Tageslicht gebracht, was sich vor 78 Jahren im Seckacher Gipsstollen ereignet und das Leben in Seckach von einem Tag auf den anderen stark verändert hat.

Der Landrat gab ein kurzes Resümee zum Buch „Als Sachsen in Seckach lag“, das in die Endphase des Zweiten Weltkriegs zurückführt zur Negierung der Kapitulation in Stalingrad der Nazis und den vermehrten Luftangriffen der Alliierten auf Industriestandorte, die Rüstungsgüter oder deren Vorprodukte herstellten.

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In Folge sah sich das NS-Regime veranlasst, seine Rüstungsproduktion unter Tarnnamen zu dezentralisieren oder sogar ganz unter Tage zu verlagern und für die Produktion und Vorbereitung der Stollen neben Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen auch KZ-Häftlinge einzusetzen.

Drei solcher Untertageverlagerungen gab es auch auf dem Gebiet des heutigen Neckar-Odenwald-Kreises: „Goldfisch“, „Baubetrieb Neustadt“ und „Sachsen“. Sowohl das Projekt „Goldfisch“ in Obrigheim (2018 in der Buchreihe „Beiträge zur Geschichte des Neckar-Odenwald-Kreises“ von Tobias Markowitsch erschienen), als auch Projekt „Sachsen“ waren Teil des Untertageprogramms des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion unter der Leitung des Kriegsverbrechers Albert Speer.

Der „Baubetrieb Neustadt“ im Gipsstollen in Neckarzimmern war mit „Sachsen“ verbunden, weil an beiden Standorten Produkte der Schweinfurter Kugellagerindustrie gefertigt wurden. Eine direkte Verbindung zwischen „Goldfisch“ und „Sachsen“ bestand nach jetzigem Forschungsstand allerdings wohl nicht.

Doch für den überstürzten Aufbau einer Infrastruktur für die industrielle Kriegsproduktion eignete sich das beschauliche Seckach im seinerzeitigen Landkreis Buchen nicht nur wegen seiner Gipsstollen, sondern auch als Eisenbahnknotenpunkt , der die Strecke Heidelberg-Würzburg in nördlicher Richtung mit Miltenberg am Main verband.

Ab Frühjahr 1944 musste die Heidelberger Gipsindustrie GmbH, die seit 1905 in Seckach Dünger und Baugips herstellte, deshalb ihre Stollen für die Untertageverlagerung von Teilen der Produktion der Schweinfurter Fa. Fichtel & Sachs zur Verfügung stellen.

Für Seckach änderte sich mit der Verlagerung das bisherige Dorfleben massiv. In der Teufelsklinge wurde von der Organisation Todt Baracken zur Einquartierung von Zwangsarbeitern gebaut. Diese Barracken dienten nach dem Krieg zunächst den zahlreichen Heimatvertriebenen als Übergangslager und ab 1947 dann als Kinderheim der Caritas und bis heute als Teil des Kinder- und Jugenddorf Klinge.

Der Autor selbst sah seine Arbeit ebenfalls als einen Teil der Seckacher Ortsgeschichte, der allen dankte, die zum Gelingen beigetragen hatten.

Seit 2019 hatte er sich intensiv berufsbegleitend mit dem Thema beschäftigt, im Gemeindearchiv Seckach, dem Kreisarchiv Neckar-Odenwald, dem Staatsarchiv Ludwigburg, dem Hauptarchiv Stuttgart sowie im Generallandesarchiv Karlsruhe und den Bundesarchiven Berlin und Freiburg, aber auch in Online-Findmitteln und diversen Literaturen geforscht, überaus informative Gespräche mit den bereits genannten örtlichen Heimatforschern und Kreisarchivar Alexander Rantasa geführt und einiges erfahren, was Licht ins Dunkel brachte.

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Seine Buch gliedert sich in die Vorgeschichte der Verlagerungen über das spezielle Projekt Sachsen, den Unternehmensleiter Hermann Seidenstricker, die Firma Fichtel & Sachs AG, die Luftangriffe, die Festlegung auf Seckach und den Beginn der Bauarbeiten, ihre Weiterführung und Fertigstellung, bis hin zum Einsatz der Zwangsarbeiter, die Auswirkungen auf die Gemeinde und die Wasserversorgung des Projekts.

Deutlich wurde auch, dass in Seckach keine Kugellager gefertigt wurden, sondern die rd. 3.000 überwiegend Zwangsarbeiter als Zulieferer für die Österreichische Motorenfabrik dienten. Eine Tatsache, die selbst Hermann Seidenstricker lange nicht bekannt war.

Bürgermeister Thomas Ludwig dankte dem Autor für sein gelungenes Werk und allen, die an diesem wichtigen Forschungsbeitrag mitgewirkt hatten. Er selbst habe vor nicht allzu langer Zeit erfahren „Seckach war, ist und bleibt eine Bergbaugemeinde“, denn obwohl der Stollen schon lange geschlossen ist, wird er sich immer auf die Gemeinde auswirken ebenso wie die Bevölkerungsexplosion in den 1960-er Jahren.

Eine Tatsache, die der Autor bestätigte. Mit der Übergabe des hochwertigen Zeitdokuments „Als Sachsen in Seckach lag“ schloss Michael Kohler vom Verlag Regionalkultur die Arbeit von Autor Simon Metz unter dem Beifall der Gäste ab.

Das Buch wird zum Preis von 11,90 Euro im Buchhandel, ISBN 978-3955053659, aber auch beim Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis erhältlich sein. Den perfekten musikalischen Rahmen des Abends hatten Nikola Irmai-Koppányi zusammen mit Nelli und Kristian Koppányi und Felicia Stromberger von der Musikschule Bauland gezaubert.

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